Gerade bei Unternehmen, die ihr erstes ERP-System einführen, beobachten wir häufig einen weit verbreiteten Fehler: Sie unterschätzen, dass der Erfolg des ERP-Projekts weniger von der Software, sondern viel mehr von den internen Unternehmensprozessen abhängt. Schließlich handelt es sich um ein Projekt, das für alle Abteilungen und Mitarbeiter gravierende Veränderungen mit sich bringt. Deshalb ist an dieser Stelle sinnvolles Change Management gefragt.

Im Rahmen des Projekts unterscheiden wir zwischen drei Arten von Veränderungen:

  1. notwendige Veränderungen,
  2. gewünschte Veränderungen und
  3. Veränderungen, die Sie herausfordern werden.

Diese drei Aspekte sollten Sie für Ihr Change Management unbedingt im Auge behalten.

Notwendige Veränderungen – Auf die Strategie kommt es an

Betrachten wir zunächst die notwendigen Veränderungen. Viele Faktoren, die über den Erfolg des neuen ERP-Systems entscheiden, zeigen sich bereits im Projektplan. Das fängt schon bei der Frage an, welche Ziele man mit dem neuen System erreichen will. In vielen Fällen ist es so, dass Unternehmen lediglich ein Sammelsurium an Wünschen aus verschiedenen Abteilungen zusammentragen. Dabei geht es aber oft nur um Funktionen und Features, die die Programme beinhalten sollen.

Was häufig fehlt, ist eine klar formulierte, einheitliche Unternehmensstrategie.

  • In welche Richtung wollen Sie sich als Unternehmen entwickeln?
  • Und wie kann das ERP-System Ihnen dabei helfen, den richtigen Weg in diese Richtung zu beschreiten?

Diese Fragen sind bei der Planung des Projektes essentiell. Dabei sollten Sie auch bereits die Zukunft im Blick haben. Denn im Idealfall passt ihr ERP-System auch dann noch zu ihnen, wenn Ihr Unternehmen sich bereits erfolgreich weiterentwickelt hat.

Das Greiner-Modell als Hilfe für die Zielformulierung

Das Entwickeln einer solchen Unternehmensstrategie fällt vielen ERP-Verantwortlichen schwer. Zur Orientierung ist nach unserer Erfahrung das Wachstums-Modell des US-amerikanischen Ökonomen Larry E. Greiner hilfreich. Es teilt die Entwicklung eines Unternehmens in fünf typische Phasen ein, bei deren Übergängen es stets zu einer Krise kommt:

  • Phase I: „Kreativität“ – Das Unternehmen ist ein Zusammenschluss von kreativen Menschen, die ein gemeinsames Ziel verfolgen. Ausgearbeitete Strukturen und Hierarchien sind nicht erforderlich und nicht vorhanden.
  • Phase II: „Führung“ – Die informelle Organisation stößt an ihre Grenzen. Eine Person (die Geschäftsleitung) steht nun an der Spitze und steuert alle anfallenden Prozesse.
  • Phase III: „Delegation“ – Die Organisation wird zu viel für eine Person. Es bilden sich Abteilungen mit Eigenverantwortung.
  • Phase IV: „Koordination“ – Die Bereiche driften zu stark auseinander. Das Unternehmen steuert nun alle Prozesse mit Hilfe von Kontrollstrukturen vom Headquarter aus.
  • Phase V: „Kollaboration“ – Die strenge Kontrolle führt zu Unzufriedenheit. An ihre Stelle tritt ein Kollaborationssystem, das auf Informationsaustausch und Selbstkontrolle basiert.

Bei diesem Modell handelt es sich selbstverständlich nur um eine Orientierung. Trotzdem ist es beim Formulieren einer Unternehmensstrategie von Nutzen, denn es hilft Ihnen dabei, die eigene Organisation besser einzuschätzen und smarte Ziele für die ERP-Einführung zu formulieren. Das ERP-System hilft beispielsweise dabei, den Übergang von einer Phase in die nächste zu erleichtern. So kommen Sie schneller durch die unvermeidliche Krise.

Haben Sie die Ressourcen und Strukturen für eine ERP-Einführung?

Eine klar formulierte Strategie ist aber noch keine Garantie für eine erfolgreiche ERP-Einführung. Sie brauchen auch Ressourcen und Manpower, um das Projekt zu stemmen. In unserer Checkliste haben wir einmal zusammengefasst, welche Grundvoraussetzungen Sie für das ERP-Projekt mitbringen sollten:

  • Zentrale Datenverwaltung – Vollständige Daten sind schließlich der Motor jedes ERP-Systems.
  • Geeignetes Personal – Fähige Projektleiter und Key-User sind ein Muss für erfolgreiches Change Management.
  • Ausdefinierte Prozessstrukturen – Sonst kann das ERP-System Ihre Prozesse nicht vollständig abbilden.
  • Strukturierter Informationsaustausch – Denn kein ERP-System der Welt kann informelle Kooperation auf Zuruf abbilden.
  • Lückenlose Dokumentation – Das ERP-System kann nur verarbeiten, was Ihre Mitarbeiter auch in die Datenbank eintragen.

Bei vielen dieser Punkte handelt es sich um durchaus komplexe Themen. Deshalb bietet es sich an, den Kontakt zu einem ERP-Berater zu suchen, der Sie bei der Analyse Ihrer Prozessstrukturen unterstützt.

Die Unternehmenskultur als Herausforderung für die ERP-Einführung

Betrachten wir nun eine weitere Art von Veränderung, die ein neues ERP-System mit sich bringt: Die Herausforderungen für Sie und Ihr Unternehmen. Noch immer verstehen viele Entscheider unter einer ERP-Einführung eine reine IT-Aufgabe, die das restliche Unternehmen nur am Rande betrifft. Diese Ansicht ist leider vollkommen falsch. Die wahre Hürde bei einem ERP-Projekt ist nicht die Technik, sondern der Mensch. Fehler in der Unternehmens- und Mitarbeiterführung bringen viel mehr ERP-Projekte zum Scheitern als jeder Software-Bug.

Betrachten wir nur einmal den Einfluss der Unternehmenskultur auf die ERP-Einführung:

Ein häufiger Stolperstein ist beispielsweise das „Inselleben“ der einzelnen Abteilungen. Sie arbeiten allzu oft in Eigenregie und haben in ihrem Verantwortungsbereich eine Fülle an Kompetenzen, von denen sie sich oft nur sehr ungern trennen. Bei ihrer Arbeit konzentrieren sich darauf, ihre eigenen Prozesse zu optimieren, ohne dabei die Arbeit der anderen Bereiche zu berücksichtigen. Das kann im schlimmsten Fall dafür sorgen, dass die Abteilungen gegensätzliche Ziele verfolgen und sich dadurch gegenseitig behindern. Natürlich führt dies zu Widerständen Ihrer Mitarbeiter und verzögert damit auch die ERP-Einführung.

Wenn Sie also eine Kultur der Fürstentümer pflegen, sollten Sie bei der ERP-Einführung lieber etwas mehr Zeit einplanen, um Ihre Mitarbeiter an Bord zu holen.

Ängsten und Widerständen aus dem Kollegium mit Change Management begegnen

Eine weitere Herausforderung für das ERP-Projekt betrifft die Mitarbeiterführung. Es reicht nicht einfach aus, die Kollegen im Umgang mit der neuen Software zu schulen. Wichtiger ist es, sie in dem Change-Prozess zu begleiten. Schließlich ändert sich mit einem neuen ERP-System auch ihr Arbeitsplatz. Ihre Mitarbeiter erhalten neue Aufgaben, veränderte Kompetenzen und bekommen Zugriff auf eine Fülle von Informationen. Das ist einerseits spannend, weckt bei vielen aber auch Ängste.

Zu den größten Folgen, die ein ERP-System für die Mitarbeiter hat, gehört eine neue Form von Transparenz. Was sie tun und wie effektiv sie dabei sind, ist nun wesentlich besser zu sehen und sorgt bei vielen dafür, dass sie sich überwacht und bedroht fühlen. An dieser Stelle sind die Führungskräfte gefragt, denn diese Ängste sind am Ende des Tages kontraproduktiv.

Sinnvoll ist es zum Beispiel auch hier, eine Kultur des Miteinanders zu fördern. Etwa indem der Teamgedanke in den Mittelpunkt gerückt wird und weniger die Arbeit von Einzelnen, sondern eher die des ganzen Teams bewertet wird. Das hat in vielen Fällen zur Folge, dass die Motivation des Einzelnen steigt. Schließlich ist er nun nicht mehr alleine für sich selbst, sondern auch für sein ganzes Team verantwortlich. Ebenso sinnvoll ist auch hier eine gelebte Fehlerkultur. Sie nimmt den Mitarbeitern die Angst, dass Fehler die eigene Position gefährden.

Change Management ist die Voraussetzung für ein erfolgreiches ERP-Projekt

Im Zuge der Einführung eines ERP-Systems ist gutes Change Management unabdingbar. Bereits vorab sollten Sie eine Reihe von strukturellen Voraussetzungen schaffen, die die Einführung des Systems deutlich erleichtern. Dazu gehören eine klar formulierte Unternehmensstrategie, eine strukturierte, lückenlose Datenverwaltung, eine fruchtbare Unternehmenskultur sowie ein funktionierender Informationsaustausch zwischen den einzelnen Abteilungen. Bei der Analyse Ihres Status Quo helfen Ihnen Greiners Fünf-Stufen-Modell sowie unsere Checkliste für die ERP-Einführung.

Sobald die ERP-Einführung beginnt, ist es wichtig, dass Sie Ihre Mitarbeiter nicht alleine lassen. Dabei geht es nicht alleine um technisches Know-how, sondern auch um psychologische Aspekte. Ängste zu nehmen und Mitarbeiter zu motivieren, gehört im Rahmen des Change Managements ebenfalls zu Ihren Aufgaben als Führungskraft. Nur wenn Ihre Kollegen das neue System vollkommen mittragen, wird sich der gewünschte Erfolg für Ihr Unternehmen einstellen.

Natürlich können wir das Thema Change Management nicht alleine mit einem Blogbeitrag abdecken. Wenn Sie tiefer in den Bereich einsteigen wollen, ist unser Whitepaper „ERP-Einführung: Wie Sie Risiken und Nebenwirkungen richtig einschätzen“ eine gute Wahl. Es geht noch ein ganzes Stück tiefer auf die Aspekte ein, die wir hier nur angerissen haben.