Wenn Sie in der Fertigungsindustrie tätig sind, ist Ihnen bestimmt der Begriff „Terminjäger“ bekannt. Hinter diesem meist informellen Ausdruck verbergen sich Mitarbeiter, deren Aufgabe es ist, Produktionsaufträge zu retten, die in Schieflage geraten sind.

Immer, wenn die unmittelbare Gefahr besteht, dass eine Bestellung nicht fristgerecht abgeschlossen wird, tritt ein Terminjäger oder eine Terminjägerin auf den Plan. Diese Person nutzt ihre fachliche Erfahrung dazu, wichtige Aufträge durch die Produktion zu schleusen, um den versprochenen Termin mit dem Kunden noch zu halten. Sie sorgt dafür, dass Komponenten zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle in der Fertigung ankommen – teils auch über informelle Netzwerke, abseits der offiziellen Planungssysteme.

Da Terminjäger immer wieder den Karren aus dem Dreck ziehen, genießen sie hohes Ansehen bei Kollegen und Geschäftsleitung. Gleichzeitig sind sie aber ein gefährliches Phänomen. Auf eine ERP-Einführung können sie sich beispielsweise sehr negativ auswirken.

Terminjäger sind ein Zeichen für schlechte Planung

Ist ein Unternehmen regelmäßig auf die Arbeit solcher Terminjäger angewiesen, ist das fast immer ein Symptom dafür, dass es seine Planung und Produktion noch nicht vollständig durchstrukturiert hat. Oder anders formuliert: Holen Terminjäger regelmäßig die Kohlen aus dem Feuer, ist es sehr unwahrscheinlich, dass in einer Organisation alles so läuft, wie es laufen sollte.

Es ist gefährlich, sich auf die Kompetenz einzelner Personen zu verlassen. Wenn es den „üblichen Verdächtigen“ einmal nicht gelingen sollte, den Karren aus dem Dreck zu ziehen, dann droht das gesamte Projekt zu implodieren.

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Müssen Terminjäger häufig eingreifen, um gefährdete Terminvorgaben einzuhalten, kann das darauf hinweisen, dass die Produktionsplanung und -steuerung grundlegende Schwachstellen aufweist. Ist die Fertigungsplanung beispielsweise nicht in der Lage, kurzfristige Änderungsanfragen flexibel einzuarbeiten und zu kompensieren, wird es in der Werkshalle sehr schnell hektisch. Die Folge: Die Terminjäger treten in Erscheinung, um einmal mehr den Tag zu retten.

Natürlich hat es seine Vorteile, wenn erfahrene Mitarbeiter zur Verfügung stehen, um solche Krisen abzuwenden. Aber es ist auch gefährlich, sich stets auf die Kompetenz einzelner Personen zu verlassen. Steht einmal kein Terminjäger zur Verfügung, gibt es oft keinen Plan B. Von daher ist es besser, wenn eine Organisation selbst in der Lage ist, flexibel auf Änderungen zu reagieren. So ist sie weniger abhängig von der Expertise einzelner Mitarbeiter.

Diese Tatsache ist den meisten Entscheidern auch wohlbewusst. Es ist sogar oft einer ihrer erklärten Wünsche bei der ERP-Einführung, die informelle Position des Terminjägers aufzulösen.

Projekthelden bei der ERP-Einführung

Interessanterweise begegnen wir in ERP-Projekten oft einem ähnlichen Phänomen, mit den gleichen riskanten Auswirkungen: der sogenannte „Project Hero“ oder auch Projektheld. Hierbei handelt es sich um Projektmitarbeiter, die gegen Ende der ERP-Einführung in Erscheinung treten (vornehmlich dann, wenn bereits die ersten Termine wackeln), um das Projekt doch noch zu retten. Sie stellen unzählige Fragen, nehmen Briefings durch ihre Kollegen in Anspruch und geben Ratschläge.

In manchen Fällen sind Projekthelden auch durchaus erfolgreich. Ihr Vorgehen kann beispielsweise die Projektleitung dazu bringen, zum Kern der Verzögerung vorzustoßen und das Projekt wieder auf die Schiene zu setzen. Schon so manches ERP-Projekt wurde dadurch gerettet, dass ein Projektheld zum richtigen Zeitpunkt die Initiative ergriffen hat.

Das macht die Rolle des Projekthelden auch so verlockend: Wie in allen spannenden Geschichten sind es die Helden, die am Ende den Ruhm einstreichen. In unserem Fall genießen sie die Gunst des Managements.

ERP-Projekt: Lieber auf saubere Planung setzen

Allerdings gilt hier das Gleiche wie bei den Terminjägern: Es ist gefährlich, sich auf die Kompetenz einzelner Personen zu verlassen. Wenn es den „üblichen Verdächtigen“ einmal nicht gelingen sollte, den Karren aus dem Dreck zu ziehen, dann droht das gesamte Projekt zu implodieren. Gerade bei einer essenziellen Initiative wie der ERP-Einführung kann das sehr kostspielig werden.

Darüber hinaus kann die Existenz von Projekthelden auch Probleme bei der Teamarbeit im ERP-Projekt mit sich bringen. Meist handelt es sich bei den Helden um Mitarbeiter, die erst gegen Ende des Projekts in Erscheinung treten und bis dahin wenig Engagement zeigen. Sie satteln auf der Gesamtarbeit des Projektteams auf und streichen die Lorbeeren für sich ein. Die stillen Leute, die ihre Arbeit Tag für Tag zuverlässig erledigt haben, drängen sie dadurch mitunter in den Hintergrund. Das kann durchaus zu Ressentiments führen.

Vorteilhafter ist es, von Anfang an auf das Zusammenspiel eines soliden Teams mit genügend Ressourcen und einer fähigen Projektleitung zu setzen. Denn auch Projekthelden sind ein Symptom für eine Arbeitsorganisation, die noch zu sehr auf die Genialität von Einzelnen setzt.