Schon seit Jahrzehnten bildet das ERP-System das zentrale Daten-Rückgrat eines Unternehmens. Informationen aus jeder Abteilung laufen in der ERP-Software zusammen und stehen dort allen berechtigten Mitarbeitern zur Verfügung.

Allerdings gerät die Rolle der ERP-Lösung als universeller Datenmonolith zunehmend unter Druck.

Der Grund dafür: Big Data.

Im Kontext von Big Data können ERP-Lösungen nicht länger alle Stärken ausspielen. Sie sind dafür gemacht, eine überschaubare Menge qualitativ hochwertiger Daten zu verwalten. Umfangreiche, komplexe und volatile Datenströme in Echtzeit zu überwachen und zu analysieren, gehört nicht zu ihren klassischen Aufgaben.

Damit stellt sich jedoch eine wichtige Frage: Wenn ERP-Systeme im Big-Data-Kontext keine zentralen Datendrehscheiben mehr sind – welche Rolle spielen sie dann?

ERP kann Big Data nicht alleine bewältigen

Bei Big Data geht es darum, große Mengen unstrukturierter oder semi-strukturierter Daten zu verarbeiten und zu analysieren. Grundsätzlich sind auch viele ERP-Systeme zu so etwas in der Lage. Schließlich produzieren gerade größere Unternehmen erhebliche Datenmengen in ihrem Tagesgeschäft, die wiederum in der ERP-Software zusammenfließen.

Allerdings gibt es zwei Faktoren zu beachten, die gegen ein ERP-System als Herzstück einer Big-Data-Umgebung sprechen.

  • Der erste Faktor ist das zu geringe Kapazitäts-Limit der meisten ERP-Lösungen. Irgendwann kommt der Punkt, an dem die Performance der Software angesichts der großen Datenmengen in die Knie geht. Es kommt zu Slowdowns und das System wird zunehmend instabil. Und diesen Punkt erreichen Big-Data-Projekte ziemlich schnell. Es ist schließlich ihr Sinn und Zweck, möglichst viele Daten einzusammeln und auszuwerten.
  • Der zweite Faktor ist die unterschiedliche Zielsetzung von ERP-Systemen und Big-Data-Applikationen. Bei Big Data geht es in erster Linie um Mustererkennung. Big-Data-Anwendungen werten den anfallenden Datenstrom nicht bis ins kleinste Detail aus. Sie suchen stattdessen nach Mustern und auffälligen Ereignissen. Die Qualität einzelner Datenpakete ist dabei nicht entscheidend, sondern das Big Picture.

ERP-Systeme verfolgen dagegen einen anderen Ansatz. Mustererkennung gehört zwar auch zu ihren Aufgaben, aber nicht im gleichen Ausmaß. Eine ERP-Lösung verknüpft Unternehmensdaten zu aussagekräftigen Kennzahlen. Dafür verwendet sie Algorithmen, die Daten qualitativ auswerten. Die gleichen Algorithmen im Kontext von Big Data zu verwenden, würde enorm viel Rechenleistung erfordern. Ein ERP-System als Big-Data-Tool einzusetzen ist daher keine Option.

ERP-Systeme schaffen dringend benötigten Kontext für Big-Data-Applikationen.

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Ohne Kontext bringt Big Data keinen Mehrwert

Allerdings zeigt diese Betrachtungsweise nicht das ganze Bild. Es stimmt zwar, dass ERP-Systeme nicht den zentralen Datenkern einer Big-Data-Umgebung bilden können. Allerdings bieten sie einen entscheidenden Mehrwert für die Datenanalyse: Kontext.

Dedizierte Analyse-Tools für den Big-Data-Bereich eignen sich hervorragend dafür, Muster und Ereignisse in komplexen, umfangreichen Datenströmen zu erkennen. Allerdings können sie diese Daten nicht mit praktischen Anwendungsfällen verknüpfen. Die Interpretation erfolgt an anderer Stelle.

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ERP-Systeme bilden nicht den zentralen Datenkern der Big-Data-Umgebung, aber sie bieten den richtigen Kontext dafür.

Ein Beispiel aus der Produktion: Nehmen wir an, ein Unternehmen unterhält einen großen Maschinenpark. Zusammen enthalten die Maschinen Tausende Sensoren, die permanent Umgebungs- und Betriebsdaten übermitteln. Reine Analyse-Tools sind in der Lage, den dadurch entstehenden Datenstrom auszuwerten und nach Muster zu scannen, die auf drohende Ausfälle hindeuten. Aber selbst im Falle eines Treffers kennt die Software nur die ID der betroffenen Maschine sowie das Störungsmuster. Den verantwortlichen Mitarbeitern hilft das jedoch wenig. Sie benötigen zusätzliche Informationen wie:

  • Bezeichnung und Typ der Maschine
  • Standort
  • Wartungsplan
  • Verfügbare Service-Techniker
  • Betroffene Produktionsaufträge

Sprich: Solange Ereignisse im Datenstrom nicht mit Stamm- bzw. Auftragsdaten verknüpft sind, können Sie auch keine adäquate Reaktion ermitteln.

Big Data und ERP bilden eine Einheit

In Big-Data-Szenarien kommt in der Regel eine Kombination mehrerer Software-Systeme zum Einsatz, die verschiedene Aufgaben übernehmen. Dem ERP-System fällt die Rolle zu, Informationen anderer Tools in einen praktischen Kontext zu setzen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die ERP-Lösung keine Rohdaten erhält. Überwachung und Analyse des Datenstroms geschehen an anderer Stelle. Das ERP-System erhält lediglich Informationen, die eine Reaktion bzw. Interpretation erfordern.

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Big-Data-Applikation, ERP-System und Anwender in Relation zueinander

Um das oben genannte Beispiel auszubauen: Die ERP-Lösung erfährt nicht alle Messdaten des Temperatursensors von Maschine A. Sie erhält lediglich einen Alert, wenn die Temperatur in Kombination mit anderen Sensordaten signifikant von dem Muster abweicht, das identische Maschinen unter Normalbedingungen zeigen. In dem Fall ist es Aufgabe des ERP-Systems, die zuständigen Mitarbeiter mit allen weiteren Informationen zu versorgen, beispielsweise:

  • Um welche Maschinentyp handelt es sich?
  • Wo befindet sich Maschine A?
  • Welcher Service-Techniker ist für Maschine A zuständig?
  • Welche Schritte sind notwendig, um weitere Probleme zu verhindern?

Erst, wenn diese Detailinformationen vorliegen, können die verantwortlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weitere Maßnahmen einleiten.

Big Data braucht die richtige IT-Infrastruktur

Unternehmen, die Big-Data-Modelle einsetzen wollen, sollten sich also von dem Gedanken verabschieden, alle Geschäftsprozesse über ihr ERP-System zu steuern. ERP-Lösungen sind für solche Anwendungsfälle nicht geschaffen. Ihre Stärke liegt in der Qualifizierung von Daten, nicht in der Massenanalyse.

Stattdessen sollte in Big-Data-Umgebungen eine Kombination mehrere Software-Systeme zum Einsatz kommen, die ausschließlich prozessrelevante Informationen austauschen. Das ERP-System erhält vorgefilterte Analysedaten, reichert diese mit Stammdaten an und leitet eventuell automatisierte Reaktionen ein. Der Datenaustausch ist zwar eingeschränkt, aber auch fokussiert. Und diese Reduktion auf das Wesentliche ist schließlich eine Stärke von ERP.

Ein möglicher Anwendungsfall von Big Data im Business-Umfeld ist die automatische Auswertung von Maschinendaten zu Wartungszwecken. Wenn Sie mehr über dieses Szenario wissen möchten, finden Sie unserem Whitepaper „Service als Start in die Industrie 4.0.“ alle wichtigen Informationen.