In vielen Unternehmen wird die IT-Abteilung auf ihre technischen Aufgaben reduziert. Die Kolleginnen und Kollegen sind ausschließlich für die Wartung und Pflege der Hardware- und Software-Lösungen verantwortlich, die in den einzelnen Fachbereichen zum Einsatz kommen. Durch diese rein technische Perspektive entgehen Unternehmen aber unter Umständen Potentiale. Denn für die Digitalisierung von Prozessen und Abläufen braucht es mehr als nur technisches Know-how. Das wird am Beispiel von ERP-Projekten deutlich.

Warum die IT oft ein Nischendasein fristet

Dass die IT vielerorts auf die Technik begrenzt wird, kommt nicht von ungefähr. Schließlich arbeiten die meisten großen und mittelständischen Unternehmen mit einer Vielzahl an einzelnen Software-Produkten, die auf die Anforderungen der verschiedenen Abteilungen zugeschnitten sind. Diese organisch gewachsenen „Flickenteppiche“ zu betreuen, ist komplex und zeitaufwendig. Zumal mitunter noch veraltete Systeme genutzt werden, die sehr pflege- und wartungsbedürftig sind. Die IT-Kollegen sind mit ihren Standardaufgaben bereits mehr als genug ausgelastet. Für einen Blick über den Tellerrand bleibt da wenig Zeit.

Ich selbst habe im Rahmen von ERP-Projekten mehrfach erlebt, dass die IT im wahrsten Sinne des Wortes eine Art „Kellerkind“ im Unternehmen war. Die IT-Abteilung war räumlich vom Rest der Organisation getrennt – allein schon deshalb wussten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wenig darüber, was unabhängig von ihrer Arbeit in dem Unternehmen geschieht. Wie Prozessketten funktionieren, an welchen Stellen Optimierungsbedarf besteht und welche Ziele und Herausforderungen das Unternehmen beschäftigen – all das bekamen die IT-Spezialisten (wenn überhaupt) nur am Rande mit.

Der Grund für diese Begrenzung der IT ist simpel: Die meisten Unternehmen sehen sie nach wie vor als technische Support-Abteilung. Die IT ist ein Hygienefaktor. Sie soll lediglich dafür sorgen, dass alles reibungslos funktioniert. Weitere Aufgaben oder gar eine strategische Weiterwicklung dieser Abteilung sind in den Augen vieler Entscheider nicht vorgesehen.

Dass die IT-Abteilung sich um die Hardware und Software eines Unternehmens kümmert, liegt in der Natur der Sache. Allerdings kann diese extreme Fokussierung auch hinderlich sein. Denn mittlerweile setzen immer mehr Unternehmen auf ganzheitliche Software-Systeme, die abteilungsübergreifend zur Verbesserung von Prozessen und Abläufen beitragen sollen. Bei der Implementierung solcher Systeme sollten IT-Spezialisten mehr als eine verwaltende Rolle spielen. Sie sollten aktiv an der Ausgestaltung der Software beteiligt sein. Doch dafür braucht es mehr als nur technische Fähigkeiten.

Die Abteilungsleitung der IT sollte der neben Technikkompetenz auch über Softskills und sehr gute betriebswirtschaftliche Kenntnisse verfügen.

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Die Rolle der IT bei der ERP-Einführung

Nehmen wir als Beispiel die Einführung eines ERP-Systems. Selbstverständlich ist die IT-Abteilung hier stark involviert. Sie sorgt nicht nur dafür, dass die nötige Hardware verfügbar, einsatzbereit und richtig konfiguriert ist. Es gehört auch zu den Aufgaben der IT, die bestehende Software-Landschaft in das ERP-System zu überführen oder Schnittstellen bereitzustellen, falls eine Anwendung beibehalten werden soll. Ohne die Mithilfe der IT wäre die ERP-Einführung gar nicht durchführbar.

Der stark technische Fokus der IT ist an dieser Stelle auch kein großes Hindernis, denn es sind noch weitere Personen an der ERP-Einführung beteiligt. Projektleitung und Key User sorgen bereits dafür, dass die neue ERP-Lösung die Anforderungen und Bedürfnisse aller Abteilungen abdeckt. Dadurch kann sich die IT auf die rein technische Implementierung konzentrieren. Aber was passiert nach Ende des ERP-Projekts?

Auch nach Abschluss der ERP-Einführung wird die Software weiter verfeinert und angepasst. Zugleich muss das ERP-System, wie andere Software-Lösungen auch, gepflegt werden. Diese Aufgaben übernimmt die IT des Unternehmens – die Projektleitung widmet sich nach der Einführung wieder ihren ursprünglichen Aufgaben. Sie steht der IT-Abteilung lediglich als Ansprechpartner zur Verfügung, ist aber nicht mehr für den Betrieb und die Weiterentwicklung des ERP-Systems verantwortlich.

Und genau hier kann die Technikperspektive der IT zum Problem werden. Wie sollen die Kolleginnen und Kollegen ein System weiterentwickeln und pflegen, wenn sie dessen praktische Anwendung nicht nachvollziehen können? Nehmen wir an, die Fertigung möchte einen Prozess innerhalb des ERP-Systems anpassen und wendet sich hierfür an die IT. Was dann? In den meisten Unternehmen kann die IT nicht wirklich nachvollziehen, wie genau die anderen Abteilungen arbeiten. Besser wäre es, wenn die IT von vornherein Einblicke in die Abläufe ihrer Kollegen besitzt.

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Die Unternehmens-IT hat eine tragende Rolle bei der ERP-Einführung.

Warum eine Neupositionierung der IT sinnvoll ist

Aus diesen Gründen wäre es eigentlich ideal, wenn ein Mitglied der IT-Abteilung von Beginn an federführend an der Umsetzung des ERP-Projektes beteiligt ist (wenn auch nicht unbedingt in der Rolle der Projektleitung). Dafür müsste deren Rolle in der Unternehmensorganisation aber schon vor Beginn der Software-Einführung anders definiert sein. Übernimmt die IT-Abteilung lediglich verwaltende Funktionen im Unternehmen, wird es ihr immer schwerfallen, einen Blick auf das große Ganze zu werfen. Kommt ihr dagegen eine gestaltende Rolle zu – als Antreiber und Umsetzer einer ganzheitlichen Digitalisierung im Unternehmen – ist es wesentlich wahrscheinlicher, dass die Kolleginnen und Kollegen aus der IT dazu in der Lage sind, ERP-Projekte mit technischem und betriebswirtschaftlichem Wissen zum Erfolg zu bringen.

Bedeutet dies, dass Sie beim Recruiting für Ihre IT-Abteilung künftig weniger Wert auf technisches Know-how legen sollten? Nur bedingt. Selbstverständlich bleiben die technischen Fähigkeiten der IT weiterhin von großer Wichtigkeit. Doch muss wirklich jeder Mitarbeiter nur aufgrund dieser Kenntnisse ausgewählt werden?

Denkbar und sinnvoll wäre es beispielsweise, sich bei der Besetzung der Abteilungsleitung IT für jemanden zu entscheiden, der neben Technikkompetenz auch über Softskills und sehr gute betriebswirtschaftliche Kenntnisse verfügt. Wirtschaftsinformatiker wären dafür aufgrund ihrer Studienschwerpunkte prädestiniert. Sie sind zwar weniger technisch geschult als Informatiker oder Software-Entwickler, bringen jedoch auch Kenntnisse aus dem wirtschaftlichen Bereich mit. Und wer sagt, dass die IT-Leitung immer vom Mitarbeiter mit dem größten technischen Verständnis übernommen werden muss?

Auch, wenn Sie Ihre Abteilung bestens aufgestellt und in das ERP-Projekt integriert haben, ist das noch kein Garant für Erfolg. Wenn Sie mehr darüber wissen wollen, welche Stolpersteine bei der ERP-Einführung auftreten können, sollten Sie einen Blick in unser Whitepaper „Die 8 Todsünden eines ERP-Projekts“ werfen. Spoiler: Der falsche Einsatz der IT gehört ebenfalls dazu.