Der bekannte Zukunftsforscher Gerd Leonhard hat die These aufgestellt, dass wir in den nächsten 20 Jahren mehr Änderungen erleben werden als in den 300 Jahren davor. Das klingt zunächst utopisch, aber auf den zweiten Blick macht es durchaus Sinn. Die digitale Revolution ist bereits in vollem Gang. Mehr und mehr traditionelle Geschäftsmodelle verschwinden von der Bildfläche und werden durch neue, innovative Ansätze ersetzt.

Frei nach Autor Tom Goodwin von TechCrunch: „Uber, das größte Taxi-Unternehmen der Welt, besitzt keine Fahrzeuge und Facebook, der weltgrößte Medien-Konzern, erstellt keine Inhalte.“ Geschäftsmodelle verändern sich – sie werden zunehmend digital. Und wer nicht schnell genug mithalten kann, der riskiert vom Markt zu verschwinden.

Das soll keine Schwarzmalerei sein, sondern eher ein Weckruf! Der Wandel zur digitalen Ökonomie kommt mit Sicherheit – aber nicht schon morgen. Noch haben Sie genügend Zeit, Ihre Unternehmensstrategien, Ihre Prozesse und Ihre IT-Infrastruktur an die Herausforderungen von morgen anzupassen. Und da wir uns hier in einem ERP-Blog befinden: Wieso fangen Sie nicht mit der Frage an, welche Rolle Ihr ERP-System in Ihrer Digitalstrategie spielen wird?

Die Digitalisierung bringt neue Geschäftsmodelle mit sich

Bevor wir uns mit der Rolle befassen, die Ihre ERP-Lösung in der Industrie 4.0 spielt, müssen wir zunächst jedoch eine andere Frage klären: Wie sieht das Geschäftsmodell von morgen überhaupt aus? Auf welchem Weg soll Ihr ERP-System Sie unterstützen? Es gibt eine Vielzahl aktueller Trends, von denen mit Sicherheit einige zu neuartigen Geschäftsmodellen führen werden – vom selbstfahrenden Auto bis zur virtuellen Realität. Unserer Einschätzung nach gibt es jedoch zwei Entwicklungen, die besonders großen Einfluss auf das Geschäftsmodell von morgen haben werden: ERP-Systeme im Internet of Things und der Wandel vieler Unternehmen vom Produzenten zum Dienstleister. Um genau zu sein, hängen beide Trends sogar eng miteinander zusammen.

Durch Industrie 4.0 wird ähnlich dem Carsharing die Verfügbarkeit von Maschinen-Laufzeit zum ergänzenden Produkt.

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Betrachten wir als Beispiel dazu das Modell Car-Sharing. Bisher haben Automobilhersteller lediglich Fahrzeuge über Vertriebspartner verkauft. Nun haben mehrere Hersteller ein weiteres Geschäftsmodell in ihr Portfolio aufgenommen: Sie bieten die Verfügbarkeit eines Autos an, nicht mehr nur das Produkt selbst. Statt ein eigenes Auto zu besitzen, mieten Anwender kurzfristig ein Fahrzeug aus der Flotte eines Car-Sharing-Anbieters. Für Automobilhersteller ergibt sich daraus ein völlig neuer Geschäftsbereich: Was sie verkaufen ist nicht das Fahrzeug selbst, sondern die Möglichkeit, von A nach B zu gelangen.

Betrachten wir ein zweites Beispiel: Predictive Maintenance, mit der Maschinen eine Wartung auslösen, bevor sie ausfallen. Nehmen wir ein Maschinenbauunternehmen, das Offset-Druckmaschinen für große Druckereien herstellt. Bisher hat der Hersteller das Produkt verkauft und mit Wartungsverträgen ergänzt. Die Industrie 4.0 führt jedoch dazu, dass sich parallel dazu ein weiteres Geschäftsmodell entwickelt. In Zukunft kann unser Druckmaschinenhersteller seinen Kunden die uneingeschränkte Verfügbarkeit seiner Produkte garantieren. Das tut er, indem er die Maschine per Sensornetzwerk und Fernanalyse permanent überwacht und bei nahenden Defekten frühzeitig die Wartung einleitet.

An dieser Stelle können wir bereits ein Muster erkennen: Das Geschäftsmodell der Zukunft ergänzt den reinen Produktverkauf durch fortlaufende, nutzenorientierte Service-Angebote.

Vernetzte Systeme sind die Zukunft

Zu Beginn sprach ich jedoch von zwei Trends. Wie kommen nun vernetzte Systeme ins Spiel? Die Antwort ist eigentlich ganz einfach: Die Service-Ökonomie, die wir heute bereits in Ansätzen sehen, basiert auf der umfassenden Verfügbarkeit von Daten. Und diese Datenmengen können nur verteilte Sensor-Netzwerke liefern.

Betrachten wir die bisher genannten Beispiele ein zweites Mal – dieses Mal aus technischer Sicht.

Car-Sharing-Modelle gibt es vom Ansatz her schon seit Jahrzehnten: Wir kennen sie als Autovermietungen. Bisher waren diese Modelle jedoch recht unflexibel. Wenn Sie ein Auto mieten wollen, müssen Sie extra zu einer Filiale des Anbieters fahren und dort jedes Mal aufs Neue ein bürokratisches Prozedere über sich ergehen lassen. Mit einem Car-Sharing-Account suchen Sie sich dagegen per Smartphone ein Fahrzeug, steigen ein und fahren los.

Möglich macht dies die Vernetzung Ihres User-Accounts mit den Sensoren des Fahrzeugs. Das Auto weiß auch ohne Ihr Zutun, wer Sie sind, welche Strecke Sie gefahren sind und wieviel Treibstoff Sie verbraucht haben. All diese Daten schickt das System an eine zentrale Verrechnungsstelle und bucht den anfallenden Betrag von Ihrem Konto ab. Diese Flotte selbstverwaltender Fahrzeuge wäre ohne ein internetgestütztes Sensor-Netzwerk überhaupt nicht denkbar.

Und wie sieht es mit unserem Druckmaschinen-Hersteller aus? Dieser wird in Zukunft seine Produkte mit einer Vielzahl von Sensoren ausstatten, die jedes Einzelteil der Maschine genau überwachen und bei Änderungen Alarm schlagen. Wenn beispielsweise die Betriebstemperatur zu sehr steigt, eine Komponente zu langsam reagiert oder Feuchtigkeit in einem Bereich gemessen wird, in den sie nicht gehört, kann der Anbieter die Wartung veranlassen, bevor ein Defekt auftritt.

Auf diese Weise kann der Hersteller die uneingeschränkte Verfügbarkeit der Maschine garantieren. In der Theorie war das schon in der Vergangenheit möglich. Aber der Aufwand dafür wäre immens gewesen. Der Hersteller hätte letztendlich ein Team von Technikern damit beauftragen müssen, die Maschine rund um die Uhr zu überwachen. Das hätte wohl kaum ein Kunde bezahlt.

Einordnung ERP als zentraler Knoten

Zu Beginn dieses Blogbeitrags haben wir uns die Frage gestellt, wie ein ERP-System die Digitalisierungsstrategie des Mittelstands unterstützen kann. Und jetzt, wo wir die Entwicklung zu verteilten Sensor-Netzwerken als Basis neuer Geschäftsmodelle betrachtet haben, können wir diese Frage auch ganz leicht beantworten: das ERP-System ist der zentrale Knoten, der den Menschen mit dem Netzwerk verbindet.

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Digitalstrategie: Das Erp-System als zentraler Knoten zwischen Mensch und Netzwerk.

Wenn wir von verteilten Netzwerken sprechen, meinen wir nicht etwa ein Dutzend Sensoren. Diese Netze können in der Praxis Hunderte bis Tausende Knoten enthalten. Die Datenmenge, die dabei entsteht, können Sie mit konventionellen Methoden gar nicht mehr erfassen – geschweige denn analysieren. Bevor sich ein Mensch mit diesen Daten befassen kann, muss sie zunächst jemand aufbereiten: ein zentraler Knoten, der die anfallenden Daten in eine Form bringt, mit der Menschen etwas anfangen können. Und dieser zentrale Knoten ist das ERP-System.

Digitale Geschäftsmodelle in der Praxis

Betrachten wir ein letztes Mal unsere zwei Beispiele.

Der Car-Sharing-Anbieter kann mit Hilfe all der verteilten Sensoren in seinen Fahrzeugen eine Vielzahl von Analysen durchführen: Wie weit fahren Kunden im Durchschnitt? Wann müssen die Fahrzeuge getankt werden? In welchem Stadtviertel werden besonders viele Fahrzeuge gebucht? Wo weniger? All diese Fragen können die Basis für strategische Entscheidungen sein. Damit das passiert, müssen die Sensordaten jedoch in aufbereiteter Form einem Menschen zur Verfügung stehen. Ein ERP-System wäre perfekt dafür geeignet, diese Aufgabe zu erfüllen. Statt sich durch die Rohdaten zu wühlen, könnten Entscheider einfach das Informations-Cockpit der ERP-Lösung befragen.

Und wie sieht es mit unserem zweiten Beispiel aus? Der Druckmaschinen-Hersteller erhält Rohdaten aus Hunderten Sensoren, die ihm Analysen aller Maschinen erlauben, die sich derzeit im Einsatz befinden. Daraus kann er wiederum Handlungsempfehlungen ableiten: Welche Konfiguration ist besonders leistungsstark? Welche verkürzt den Wartungszyklus? Welche Umweltfaktoren erhöhen die Abnutzung?

All diese Fragen sind wichtig für den Betreiber der Maschinen. Aber auch hier gilt wieder: Ohne eine zentrale Stelle, die die Rohdaten übersichtlich aufbereitet darstellt, sind diese Analysen nicht mit vertretbarem Aufwand durchführbar. Ein ERP-System wäre hierfür perfekt geeignet.

Die digitale Transformation muss Chefsache sein

Die Beispiele, über die wir hier gesprochen haben, bilden natürlich nur einen kleinen Teil der Möglichkeiten ab, die Industrie 4.0 dem Mittelstand bietet. Heute können wir noch gar nicht genau abschätzen, wie stark die digitale Revolution die Arbeitswelt der Zukunft wirklich formen wird. Einige Fachexperten sind der Meinung, dass der Unterschied zwischen unseren heutigen Geschäftsmodellen und der Industrie 4.0 noch größer sein wird, als der Übergang vom Schneider zur Webmaschine. Genau lässt sich das jedoch noch nicht sagen.

Fest steht nur, dass auch in Zukunft ERP-Systeme ein fester Bestandteil jeder modernen IT-Infrastruktur sein werden – als zentraler Informations-Hub, der es Ihnen erlaubt, komplexe Netzwerke zu überblicken. Doch Vorsicht: Machen Sie nicht den Fehler, die digitale Transformation zum reinen IT-Thema zu erklären. Genau wie die ERP-Einführung ist die Digitalisierung eine Entwicklung, bei der das ganze Unternehmen an einem Strang ziehen muss. Erklären Sie die Industrie 4.0 also zur Chefsache.