Davon hängen Erfolg oder Scheitern ab: Das Lastenheft ist das weitaus wichtigste Werkzeug, wenn Sie sich auf die ERP-Einführung vorbereiten. Allerdings schreibt man nicht jeden Tag ein Lastenheft für ein derart großes Projekt. Suchen Sie nach einem Leitfaden und Tipps, wie Sie vorgehen und das Optimum herausholen? In diesem Artikel erfahren Sie, wie das perfekte Lastenheft für Ihr neues ERP-System aussehen sollte.

Erfahren Sie, wie Sie ein Lastenheft für Ihr zukünftiges ERP-System korrekt erstellen.

Was ist das Lastenheft?

Im ERP-Lastenheft beschreibt ein Unternehmen seine Anforderungen an eine neue ERP-Lösung: Welche Prozesse es unterstützen soll, welche Fähigkeiten es mitbringen muss und welche Ziele dadurch erreicht werden sollen. Darin werden alle Erkenntnisse aus der Vorbereitungsphase zusammengefasst. Es entsteht in Zusammenarbeit aller Stakeholder: Geschäftsführung, IT und Fachabteilungen. Wie erfolgreich die Software-Einführung klappt, hängt wesentlich von der Qualität des Lastenheftes ab.

Welche Zwecke erfüllt das Lastenheft?

Das Lastenheft erfüllt gleich mehrere Zwecke, wenn Sie eine neue ERP-Software einführen möchten.

Anforderungen aller Stakeholder zusammenbringen

Das ERP-System wird später im gesamten Unternehmen genutzt. Jede Abteilung hat andere Erwartungen. An der Lastenheft-Erstellung müssen alle Stakeholder beteiligt werden. Dort bringt jede Gruppe ihre Anforderungen ein, niemand wird vergessen. Wahrscheinlich können nicht alle Wünsche zu hundert Prozent erfüllt werden. Daher müssen alle einen Kompromiss finden. Mit dem Lastenheft wird eine gemeinsame Grundlage geschaffen, anhand derer zukünftige Entscheidungen getroffen werden.

Grundlage für Angebote von ERP-Anbietern

Das fertige ERP-Lastenheft wird an eine Reihe von Anbietern („Shortlist“) geschickt. Diese erarbeiten anhand der Informationen einen möglichen Lösungsvorschlag und erstellen ein Angebot.

Anbieter-Auswahl

Die erhaltenen Angebote werden wiederum anhand des Lastenheftes geprüft und bewertet: Welches erfüllt die Anforderungen am besten und bleibt im Rahmen von Zeit- und Budgetvorgaben? Daraufhin treffen Sie die Auswahl eines Anbieters.

Tests und Abnahmen

Später in der Implementierungsphase müssen gelieferte Funktionen getestet und abgenommen werden. Dabei werden die im Lastenheft definierten Kriterien angelegt.

Anlass zur Prozessoptimierung

Neben den offensichtlichen Punkten erfüllt ein ERP-Lastenheft eine weitere Funktion: Bei der Erstellung müssen sich Unternehmen mit ihren Prozessen auseinandersetzen. Dabei kann erkannt werden, dass zuerst bestimmte Prozesse oder Strukturen verbessert werden müssen. Schlechte Prozesse werden durch eine ERP-Software nicht automatisch besser. Die Vorbereitung auf eine ERP-Einführung ist daher oft ein willkommener Anlass, die eigene Arbeitsweise zu optimieren.

Lastenheft und Pflichtenheft: Was sind die Unterschiede?

Sie klingen ähnlich, jedoch haben beide unterschiedliche Zwecke und Inhalte. Das Lastenheft enthält das WAS, das Pflichtenheft das WIE.

Wie erwähnt, beschreibt das Lastenheft die Anforderungen an eine Software aus Sicht des Kunden. Darin werden Probleme, Prozesse und Ziele skizziert. Im Lastenheft werden noch keine konkreten Lösungen genannt.

Das ist nämlich Aufgabe des Pflichtenhefts. Es wird gemeinsam mit dem ERP-Anbieter erstellt. Darin wird die Realisierung beschrieben, welche konkreten Fähigkeiten und Funktionen die Software haben wird und wie sie technisch umgesetzt werden soll. Im  Pflichtenheft können bestimmte Anforderungen aus dem Lastenheft weggelassen oder Punkte hinzugefügt werden.

Welche Inhalte muss ein ERP-Lastenheft enthalten?

Der Umfang Ihres ERP-Lastenhefts sollte pragmatisch sein und zur Komplexität des Projekts passen: So lang wie nötig, so kurz wie möglich. Folgende Inhalte müssen jedoch enthalten sein, damit das Lastenheft seinen Zweck erfüllt:

Projektbeschreibung

Geben Sie zu Beginn einen Überblick über das Projekt zur ERP-Einführung: warum Sie es planen, welche Ziele Sie haben, wie der Ablauf sein soll und welche Rahmenbedingungen gesetzt sind.

Beschreibung des Unternehmens und des Umfelds

Beschreiben Sie, was für ein Unternehmen Sie sind, in welchen Märkten Sie tätig sind, was Sie tun, welche Angebote Sie haben und so weiter. Potenzielle Anbieter sollen ein möglichst umfassendes Bild von Ihnen bekommen.

Beschreibung der Ist-Situation

Schildern Sie die Ausgangslage in Ihrem Unternehmen, bezogen auf verschiedene Aspekte:

  • Bestehende Prozesse und Strukturen, in die sich das neue ERP-System einfügen muss
  • Bestehende Probleme oder Herausforderungen, die gelöst werden sollen
  • IT-Landschaft und -Architektur, Schnittstellen zum ERP-System

Prozessorientierte Beschreibung der Anforderungen (Soll-Zustand)

Dieser Teil ist das Kernstück des Lastenheftes. Darin listen Sie die konkreten Anforderungen an das ERP-System auf. Beschreiben Sie die Prozesse und Aufgaben, die durch das ERP-System abgebildet werden sollen. Skizzieren Sie die ideale Situation, wie Sie gerne arbeiten möchten. Die größte Herausforderung liegt darin, die richtige Informationstiefe und den richtigen Detailgrad zu treffen.

Nicht-funktionale und technische Anforderungen

Neben den fachlichen Funktionen haben Sie sicher weitere Anforderungen an die Software: Anzahl möglicher Nutzer*innen, Performance, Bedienbarkeit, IT- und Datensicherheit, Schnittstellen zu anderen Systemen, verwendete Technologien, Möglichkeiten für Hosting, Betrieb und Weiterentwicklung und so weiter. 

Lieferbedingungen und Abnahmekriterien

Definieren Sie, welche Lieferungen und Ergebnisse Sie vom ERP-Anbieter erwarten und welche Qualitätskriterien diese erfüllen müssen. Auf dieser Basis nehmen Sie später die Software oder Teilbereiche ab. In der agilen Entwicklung müssen diese Kriterien für jeden einzelnen Sprint zusammen mit dem Anbieter erneut festgelegt werden.

Zeitplan und Budget

Machen Sie Angaben zum zeitlichen Ablauf der einzelnen Projektphasen und zu den verfügbaren Budgets.

Sonstige

Fügen Sie alles Wichtige für den Anbieter bei. Erklären Sie branchenspezifische Begriffe oder Normen (Glossar). Nennen Sie Ansprechpersonen für Rückfragen.

Lesen Sie auch: Diese Anforderungen muss ein ERP-System für den Mittelstand erfüllen

Unbedingt beachten: Tipps für das ERP-Lastenheft

Das gibt Probleme: Wer beim Lastenheft schludert oder unwissentlich Fehler macht, wird das später im Projekt zu spüren bekommen. Beachten Sie deshalb bitte die folgenden Tipps.

Planen Sie ausreichend Zeit ein

Ein Lastenheft erstellt man nicht schnell nebenher. Drei bis sechs Monate braucht es in der Regel. Sie benötigen Zeit, um alle Anforderungen zu sammeln, zu strukturieren und zu priorisieren. Wahrscheinlich müssen sie es mehrmals überarbeiten, bis die finale Version steht.

Binden Sie alle Stakeholder ein

Alle, die später mit dem ERP arbeiten, sollten zu Wort kommen. Natürlich ist die strategische Perspektive von Führungsebenen und Projektleitung wichtig. Mit ihnen legen Sie die Ziele fest. 

Doch die einzelnen Mitarbeitenden aus den Fachabteilungen kennen die Anforderungen im operativen Geschäft meist am besten. Von ihnen erfahren Sie den Großteil der funktionalen Anforderungen. Wenn Sie alle in die Gespräche einbeziehen, fördern Sie auch die Akzeptanz für die spätere Lösung. Die Mitarbeitenden fühlen sich gehört, selbst wenn nicht alle ihre Wünsche erfüllt werden können.

Führen Sie tiefe Gespräche

Reine Umfragen, etwa über E-Mail oder das Intranet, sind weniger nützlich. Sie bekommen so zwar eine lange Liste von Wünschen und Ideen. Viele davon mögen aber gar nicht sinnvoll sein. Unter Umständen werden Sie sie nicht verstehen, weil Informationen und Hintergründe dazu fehlen. Sie werden lange brauchen, um alles zu sortieren, zu klären, zu priorisieren.

Gehen Sie stattdessen durch die Abteilungen. Sprechen Sie mit den Personen. Stellen Sie viele Fragen. Fragen Sie nicht nach gewünschten Features, sondern nach Prozessen, Problemen und Verbesserungspotenzialen. In Team-Workshops können Sie intensiv verschiedene Themen besprechen und ausarbeiten. 

Lösen Sie Konflikte während der Lastenheft-Erstellung

ERP-Projekte scheitern oft an unterschiedlichen und sogar widersprüchlichen Erwartungen. Jede Stakeholder-Gruppe legt Wert auf andere Fähigkeiten und verfolgt etwas andere Ziele. Die Workshops für das Lastenheft sind die Gelegenheit, Interessenkonflikte zu lösen und Kompromisse zu finden. Wenn Sie sie vertagen, fallen Sie Ihnen später wieder auf die Füße. Die Folgen werden ärgerlich und teuer, bis zum Scheitern des gesamten Projekts.

Priorisieren Sie Ihre Anforderungen

Seien Sie realistisch in Ihren Anforderungen. Es gibt kein ERP-System, das jede mögliche Funktion abdeckt. Und jede Anpassung kostet Geld und verlängert die Implementierung. Unterscheiden Sie deshalb in Muss- und Kann-Anforderungen. Priorisieren Sie die Anforderungen, die sich auf Ihre strategischen Kernprozesse beziehen: diese müssen unterstützt werden. Bei nebensächlichen Details können Sie Abstriche machen. 

Es ist unnötig, alle bestehende Prozess eins zu eins in der ERP-Software abzubilden. Die Standardprozesse einer Software wurden aufgrund jahrelanger Erfahrungen mit hunderten Kunden modelliert. Sie sind erprobt und eignen sich für einen Großteil der Unternehmen.

Nehmen Sie Lösungen nicht vorweg

Natürlich kennen Sie Ihr individuelles Geschäft am besten, besser als die ERP-Anbieter. Lassen Sie sich dadurch jedoch nicht dazu verleiten, einen Schritt zu überspringen: nämlich schon Lösungen und konkrete Features zu nennen. Das ist später Sache des Anbieters im Pflichtenheft.

Beschreiben Sie Aufgaben und Ziele, etwa in Form von Use Cases oder User Storys. Schreiben Sie nicht: „Wir benötigen diese und jede Funktion…“ Sondern stattdessen: „Anwender*innen möchten dies und jenes tun, und dabei dieses und jenes Ergebnis erzielen…“

Für jedes Problem und jede Aufgaben sind unterschiedliche Lösungen möglich. Geben Sie Anbietern die Chance, auf Basis deren Erfahrungen eigene Vorschläge zu machen, an die Sie vielleicht gar nicht gedacht haben.

Entwickeln Sie Ihr Lastenheft während des Auswahlprozesses weiter

Nach dem Briefing der potenziellen Anbieter werden Sie sicherlich einige Rückfragen erhalten. Vielleicht fehlen wichtige Informationen oder manches ist unklar formuliert. Vielleicht bemerken Sie, dass Sie ein wichtiges Thema vergessen haben. Klären Sie diese Punkte intern. Aktualisieren Sie daraufhin Ihr Lastenheft und stellen Sie allen ERP-Anbietern die aktualisierte Version zur Verfügung.

Fazit: Das Lastenheft als Basis für die erfolgreiche ERP-Einführung

Die Menschen im Mittelstand sind Praktiker: Machen, statt reden. Ausprobieren, statt lange Konzepte zu schreiben. Diese lobenswerte Einstellung gilt allerdings nicht für komplexe Projekte wie die ERP-Einführung. Es bringt nichts, in der Vorbereitung Aufwand sparen zu wollen. Das Lastenheft ist ein absolutes Muss. Konkret formulierte und intern abgestimmte Anforderungen und Ziele sind der größte Hebel, um den Projekterfolg zu sichern. Unser kostenloses Whitepaper liefert Ihnen weitere praktische Anleitungen und Tipps dazu.

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