Beim Ausdruck „ERP-System“ denken viele Menschen an ein komplexes Software-Gebilde, das die Prozesslandschaft eines Großkonzerns steuert. Diese Vorstellung entspricht allerdings nur zum Teil der Wahrheit. ERP-Lösungen kommen nicht ausschließlich in Großunternehmen zum Einsatz. Auch der Mittelstand arbeitet heute größtenteils mit ERP-Unterstützung.

Der Grund dafür ist einfach. Alle Unternehmen sehen sich im globalen Marktumfeld mit den gleichen Herausforderungen konfrontiert. Großkonzerne können darauf mit zusätzlichem Ressourceneinsatz reagieren. Mittelständische Unternehmen haben diesen Luxus meistens nicht. Sie sind darauf angewiesen, ihre vorhandenen Mittel so effizient wie möglich einzusetzen. Frei nach Sun Tzu: „Wenn du nicht stark bist, sei klug.

Und als technologischer Kern der Prozesslandschaft steht das ERP-System natürlich an vorderster Front, wenn es darum geht, Synergieeffekte zu erzielen.

Herausforderungen für den Mittelstand

Gerade was externe Faktoren betrifft ist der Unterschied zwischen Mittelstand und Großunternehmen weniger stark ausgeprägt, als man denkt. Beide sind auf den gleichen Märkten unterwegs, konkurrieren um dieselben Kunden und sehen sich mit identischen Herausforderungen konfrontiert. Zum Beispiel:

  • Hohe Qualitätsanforderungen
  • Steigende Relevanz des Service-Bereichs
  • Zunehmende Nachfrage nach individualisierten Produkten
  • Konkurrenz aus Niedriglohnländern

Der Unterschied besteht vor allem in der Reaktion auf diese Einflussfaktoren. Großunternehmen haben die Möglichkeit, Herausforderungen mit Investitionen zu begegnen. Sobald ein Problem auftritt, können sie jederzeit eine Lösung einkaufen oder interne Ressourcen für eine Eigenentwicklung einsetzen. Der Mittelstand ist an dieser Stelle limitiert und muss nach alternativen Ansätzen suchen.

Der Schlüssel zum Erfolg ist in diesem Fall Effizienz. Will ein mittelständisches Unternehmen mit den Platzhirschen konkurrieren, muss es Reibungsverluste minimieren und den Wirkungsgrad seiner bestehenden Infrastruktur maximieren.

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Mittelständler und Großkonzerne haben die gleichen Herausforderungen, aber unterschiedliche Reaktionsmöglichkeiten.

Hierzu ein Beispiel. Mitte der 90er-Jahre haben alle großen Automobilhersteller elektronische Formate für den Datenaustausch mit OEM forciert. Zulieferer waren von da an gezwungen, EDI-fähige IT-Lösungen zu betreiben, sofern sie weiterhin für die Automobilindustrie tätig sein wollten. Für Großunternehmen war das kein Problem. Sie gaben einfach Individualprogrammierungen in Auftrag – entweder bei Entwicklungspartnern oder bei der eigenen IT. Diese Software-Lösungen waren zwar teuer, aber für einen Großkonzern problemlos zu stemmen.

Mittelständische Zulieferer standen allerdings vor einer Herausforderung. Eigenentwicklungen kamen für sie nicht in Frage. Der finanzielle Aufwand wäre zu hoch gewesen. Stattdessen schlugen sie einen anderen Weg ein. Denn einige ERP-Anbieter erkannten die Marktlücke und passten ihre Software an die Vorgaben der Automobilindustrie an. Die mittelständischen Zulieferer wiederum stellten ihre Prozesse so um, dass die elektronische Kommunikation über ihr (nun EDI-fähiges) ERP-System ablief.

Die Big Player reagierten also mit Investitionen, während der Mittelstand den veränderten Anforderungen mit dem Einsatz von ERP-Systemen als Technologieadapter begegnete.

Industrie 4.0 schafft Veränderungsdruck

Eine ähnliche Entwicklung können wir auch heute beobachten – dieses Mal in Zusammenhang mit Industrie 4.0.

Die Mechanismen sind die gleichen. Auch heute sehen sich Unternehmen mit einem hohen Veränderungsdruck konfrontiert. Anders als im oben genannten Beispiel basiert dieser Druck aber nicht ausschließlich auf gestiegenen Kundenanforderungen, sondern auf dem technologischen Fortschritt im ITK-Bereich.

Digitale Technologien wie smarte Systeme oder künstliche Intelligenz eröffnen neue Marktpotentiale und führen zu deutlichen Effizienzsteigerungen. Gleichzeitig schaffen sie aber in vielen Branchen einen neuen Mindeststandard. Wer langfristig konkurrenzfähig bleiben will, muss moderne Technologien verwenden und seine Prozesse entsprechend anpassen. Industrie 4.0 ist nicht optional, sondern eine Voraussetzung für den Unternehmenserfolg. Und das schafft wiederum enormen Veränderungsdruck.

Ein ERP-System schafft effizienzsteigernde Hebelwirkungen und erlaubt es mittelständischen Unternehmen somit, in eine höhere Liga aufzusteigen.

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Was kann der Mittelstand tun?

Großunternehmen sind auch heute wieder im Vorteil. Denn sie verfügen über die nötigen Ressourcen, um den Wandel zu einer Industrie-4.0-Organisation aus eigener Kraft zu stemmen. Sie können beispielsweise neue Produktionsanlagen errichten, ihre IT-Landschaft modernisieren und geschultes Fachpersonal einstellen, ohne dadurch in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten.

Mittelständische Unternehmen stehen dagegen einmal mehr vor einer großen Herausforderung. Sie spüren den gleichen Veränderungsdruck, haben aber oft nicht die Ressourcen, um ihm zu begegnen. Die nötigen Technologien und Kompetenzen einfach einzukaufen ist für sie meist keine Option. Der Mittelstand braucht einen flexiblen und kostengünstigen Ansatz – im Optimalfall eine Weiterentwicklung der bestehenden IT-Landschaft.

Auch in diesem Fall besteht die Lösung darin, ein ERP-System als Technologieadapter zu verwenden. Möglich macht diese die Einordnung des ERP-Systems als zentraler Knoten der Prozesslandschaft eines Unternehmens.

Vorhandenes weiterentwickeln, Synergieeffekte nutzen

Die technologische Basis von Industrie 4.0 bilden digital vernetzte Systeme. Die Idee ist, dass Maschinen, Anlagen und Werkstücke miteinander kommunizieren und Daten in Echtzeit austauschen. Im Idealfall geschieht dies völlig dezentral, im Sinne einer Schwarmintelligenz.

Bislang bauen die meisten Industrie-4.0-Prototypen allerdings noch auf Hybridmodellen auf: ein Netzwerk internetfähiger Sensoren, die über eine zentrale Plattform miteinander verbunden sind. Diese Architektur ermöglicht es Mittelständlern, eigene Industrie-4.0-Projekte zu starten. Dazu müssen sie lediglich ihr ERP-System als zentralen Koordinationsknoten verwenden.

Stand heute haben manche ERP-Systeme bereits Erweiterungen, mit denen sie den Input verteilter Sensornetzwerke verarbeiten können. Diese Funktion kann bereits die Basis einfacher Industrie-4.0-Anwendungen bilden – beispielsweise ein smartes Lager, das selbstständig eine Nachbestellung im ERP-System initiiert, wenn bestimmte Materialien zu Neige gehen.

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Es bietet sich an, ein bestehendes ERP-System als Kern vernetzter IT-Systeme einzusetzen.

Das ist allerdings nur der Anfang. Einige ERP-Anbieter haben bereits damit begonnen, ihre Software im Hinblick auf Industrie 4.0 zu erweitern, um den Mittelstand zu unterstützen – zum Teil auch in Zusammenarbeit mit Universitäten und Technologiepartnern. Das ERP-System als Technologieadapter ist also nach wie vor aktuell.

Zusammengefasst

ERP-Systeme sind im Mittelstand nicht einfach nur nice to have, sondern eine Notwendigkeit. Der effizienzsteigernde Effekt eines ERP-Systems erlaubt es mittelständischen Unternehmen, auf umkämpften Märkten mit Großkonzernen zu konkurrieren. Ohne diese Hebelwirkung könnten viele Mittelständler nie in eine höhere Liga aufsteigen. Denn dem Ressourcenvorteil der Big Player können sie lediglich Prozessoptimierung entgegensetzen.

Hinzu kommt, dass ERP-Systeme auch als Technologie-Enabler funktionieren. Sie erlauben es mittelständischen Unternehmen, moderne Technologien mit überschaubaren Kosten zu realisieren. Gerade heute, im Kontext von Industrie 4.0, ist das wichtiger denn je. Denn viele Mittelständler haben gar nicht die Mittel, um ihre Produktionsumgebung komplett zu digitalisieren. In dem Fall bietet es sich an, ein bestehendes ERP-System als Kern vernetzter IT-Systeme einzusetzen und so die bestehende Infrastruktur möglichst effizient zu nutzen. Denn: „Wenn du nicht stark bist, sei klug.

Wenn Ihnen die Abschnitte über Industrie 4.0 zu abstrakt waren, können wir Ihnen unser Whitepaper „Service als Start in die Industrie 4.0“ ans Herz legen. Es beschreibt anhand des Service-Bereichs, wie die Umsetzung des Konzepts in der Praxis aussehen kann.