Industrie 4.0 ist nach wie vor ein Dauerbrenner im deutschen Mittelstand. Alle diskutieren darüber, wie die Digitalisierung ihre Branche verändern wird. Für Produktionsunternehmen steht dabei das Konzept der smarten Fabrik im Mittelpunkt: eine autonome, sich selbst organisierende Produktionsumgebung, die Fertigungstechnologie mit intelligenter Software verbindet.

Für die Fertigung ist dieses Konzept sehr attraktiv. Es verspricht nicht nur hohe Flexibilität und geringere Produktionskosten. Es vereinfacht auch die Herstellung individueller Komponenten – ein wichtiger Punkt, gerade in der Einzel- und Variantenfertigung.

Abseits von Zukunftsvisionen tun sich jedoch viele Unternehmen mit dem Aufbau einer smarten Fabrik schwer. Wie setzt man solch ein Mammutprojekt optimal um? Sollten Entscheider lieber auf eine schrittweise Umstellung der Produktionsanlagen setzen? Oder ist der Big Bang doch der bessere Weg?

Komplette Umstellung in einem Aufwasch

Auf den ersten Blick scheint der Big Bang, also die vollständige Umstellung der Fabrik zu einem definierten Zeitpunkt, keine schlechte Wahl zu sein. Bei diesem Ansatz entfällt die Übergangsphase, in der verschiedene Produktionsanlagen (smart und nicht-smart) parallel betrieben werden. Zum einen senkt das die Umstellungskosten – schließlich muss das Unternehmen weder Übergangslösungen konzipieren noch temporäre Schnittstellen entwickeln lassen. Zum anderen kann das Unternehmen die smarte Fabrik schneller in Betrieb nehmen und so ihren Nutzen früher realisieren.

Allerdings bringt der Big Bang auch gravierende Nachteile mit sich: Während der Umstellung wird die Produktivität sinken und – noch wichtiger – der ROI einer solchen Großinvestition lässt sich nur darstellen, wenn das Projekt von einer präzise geplanten und erfolgreichen Erweiterung des Geschäftsmodells begleitet wird.

Zusätzlich beinhaltet der Big-Bang-Ansatz auch die größte Schwäche des Wasserfall-Modells im Projektmanagement: Tests sind erst am Ende der Umstellung möglich. Solange die Implementierung der smarten Fabrik läuft, ist das Gesamtsystem nicht überprüfbar. Es ist zwar möglich, Produktionsabläufe in einem simulierten Shopfloor zu testen. Aber es bleibt dennoch ein Restrisiko.

Schritt für Schritt zur smarten Fabrik

Der Bing Bang ist nicht der einzige denkbare Ansatz auf dem Weg zur smarten Fabrik. Eine schrittweise Einführung ist nicht nur möglich, sondern oft der sinnvollere Weg. Dabei werden zunächst nur einzelne Produktionsschritte automatisiert. Nach deren Komplettierung kommen nach und nach weitere Teile hinzu, bis am Ende die smarte Fabrik steht.

Dieses Vorgehen ähnelt dem agilen Projektmanagement in der Softwareentwicklung. Auch hier kommen sukzessive Umsetzungsschritte zum Einsatz, die von parallelen Funktionstests begleitet werden. In jedem Schritt entstehen dabei Lerneffekte und aus diesen ergibt sich wiederum, welche Folgeschritte den schnellsten Erfolg bieten. Dadurch sinkt das Risiko für kostenintensive Anpassungen am Ende des Umstellungsprojekts. Der Kundennutzen bzw. das passende Geschäftsmodell ist auch in diesem Szenario der kritische Faktor – schließlich sind es ja die Kunden die letztlich die Investition bezahlen sollen. Allerdings haben mit einer schrittweisen Umsetzung der smarten Fabrik die Kollegen aus Produktmanagement, Vertrieb, Service und Logistik viel mehr Zeit, zu erproben, wie Kunden auf neue Produkte und Leistungen reagieren. Und auch dies Wissen um Marktpotentiale und Profitchance fließt jeweils in den nächsten Projektschritt mit ein.

Natürlich dauert die schrittweise Einführung einer smarten Fabrik deutlich länger als der Big Bang. Das Unternehmen muss die bestehende Infrastruktur betreiben und Schnittstellen zwischen alten und neuen Produktionsbereichen entwickeln. Das kostet Zeit und erhöht die Umstellungskosten (aber auch die Sicherheit, das gesteckte Ziel zu erreichen).

Die richtige Vorgehensweise wählen

Es gibt also zwei Wege, smarte Fabriken zu realisieren: Der Big Bang und die schrittweise Einführung. Beide haben sowohl Vorteile als auch Nachteile und eignen sich für unterschiedliche Situationen.

Wenn Sie beispielsweise ein neues Produktionswerk errichten wollen und schon Erfahrung mit Industrie 4.0 gesammelt haben, lohnt sich der Big Bang. Zu einem Produktionsausfall kommt es in diesem Szenario nicht und Sie können die neue Fabrik schneller in Betrieb nehmen.

Wollen Sie dagegen eine bestehende Produktion umrüsten, dann ist die schrittweise Umstellung von Prozessen, Maschinen und Logistikkonzepten die bessere Wahl. So senken Sie Ihre Umsatz- und Gewinnausfälle, erleichtern die Erweiterung ihres Geschäftsmodells und minimieren das unternehmerische Risiko, das mit solch einem Projekt immer einhergeht.

In beiden Fällen ist Ihr ERP-System ein unverzichtbares Hilfsmittel. Es erlaubt den einfachen digitalen Datenaustausch zwischen verschiedenen Abteilungen (z. B. Produktion und Logistik) und schafft damit die Voraussetzung für erfolgreiche Automatisierung. Lassen Sie diesen Faktor keinesfalls außer Acht, wenn Sie Ihre eigene smarte Fabrik planen.

Oder wollen Sie erst einmal klein anfangen, bevor Sie sich mit smarten Fabriken befassen? Dann ist der Service-Bereich ein guter Einstiegspunkt in die Industrie-4.0-Thematik. Unser Whitepaper „Service als Start in die Industrie 4.0“ enthält alles, was Sie dazu wissen müssen.