Über 500 verschiedene ERP-Systeme listet eine Vergleichsseite für den deutschen Markt auf. Die Lösungen richten sich an Unternehmen verschiedener Branchen und Größen und unterscheiden sich beim Funktionsumfang und den eingesetzten Technologien teils erheblich.

Wie finden mittelständische Unternehmen in diesem Dschungel das passende ERP-System? Einer der Schlüssel zum Erfolg ist: Sie müssen genau wissen, was sie möchten – also ihre individuellen Anforderungen an ein ERP-System kennen.

In diesem Artikel erfahren Sie kompakt, wie Sie einen Anforderungskatalog erstellen und was Sie außerdem bei der Auswahl eines Anbieters berücksichtigen sollten.

Warum sollten Sie konkrete Anforderungen an ein ERP-System festlegen?

Die Entscheidung für ein ERP-System ist weitreichend: Sie sind auf lange Zeit an das System gebunden und werden so schnell nicht mehr wechseln. Und es werden wahrscheinlich alle oder die meisten Unternehmensbereiche damit arbeiten.

Deshalb sollten Sie bei der Entscheidung für einen Anbieter sicher sein, dass das ERP-System Ihre Anforderungen erfüllt – nicht nur heute, sondern auch in den nächsten Jahrzehnten.

Dazu kommt, dass die ERP-Lösung in der Regel das IT-System eines Unternehmens ist, dessen Einführung die meisten Aufwände und Kosten verursacht. Nicht nur einmal konnte man von Projekten in großen Unternehmen lesen, die sich über Jahre hingezogen und Unsummen verschlungen haben.

Oftmals tragen unklare, überzogene oder sogar widersprüchliche Erwartungen zum Scheitern bei. Das muss nicht sein. Mit einem vernünftigen, klar formulierten Anforderungskatalog legen Sie die Grundlage für die richtige ERP-Auswahl und die erfolgreiche Einführung.

Ist eine Standardlösung das Richtige für Sie?

Wäre ein komplett individuell programmiertes und perfekt zugeschnittenes ERP-System nicht ideal? So schön das klingt: nein, sicher nicht. Es wäre erstens viel zu teuer, und zweitens auch gar nicht erforderlich. Es gibt Standardlösungen für jede Branche, die die essenziellen Anforderungen abdecken. Sie werden oftmals bei hunderten Unternehmen eingesetzt. Was für so viele funktioniert, wird sicher auch bei Ihnen funktionieren. Und spezielle Anpassungen sind immer möglich.

Dabei setzen die Anbieter verschiedene Schwerpunkte. Oft bieten sie eine branchenunabhängige Kernsoftware, die sich mit branchenspezifischen Funktionen oder Modulen ergänzen lässt. Solche Anbieter bieten einen weiteren Vorteil: Sie verfügen über einen breiten Blickwinkel und können die besten Erfahrungen einer Branche auf andere übertragen. Und Sie können das System auch für weitere Geschäftsfelder nutzen, die Sie in Zukunft aufbauen werden.

Unterscheiden Sie zwischen Must-have und Nice-to-have-Kriterien.

Die Kriterien für den Anforderungskatalog erstellen

Wie filtern Sie nun aus der großen Zahl der Anbieter die passenden aus? Dazu benötigen Sie Ihren Anforderungskatalog – auch Lastenheft genannt. Darin beschreiben Sie, wie der Begriff schon sagt, Ihre Anforderungen an ein ERP-System.

Zwei Tipps dazu: Binden Sie erstens die Beteiligten aus allen Bereichen ein, die später mit dem System arbeiten werden und Erwartungen damit verbinden: IT, Geschäftsführung und Fachabteilungen. Und zweitens: Unterscheiden Sie in Must-have- und Nice-to-have-Kriterien. Bleiben Sie dabei vernünftig. Wenn Sie alles wollen, finden Sie am Ende vermutlich nie das richtige System. Oder Sie treiben damit die Kosten nach oben, denn auch Nice-to-haves kosten Geld. Außerdem ist die erste Version des Lastenhefts nicht in Stein gemeißelt. Ein guter ERP-Anbieter berät Sie im weiteren Verlauf des Auswahlprozesses, wenn Anforderungen geändert oder konkretisiert werden müssen.

Beschreiben Sie Ihre Anforderungen in den folgenden fünf Bereichen:

Technische Anforderungen 

  • Mit welchen Technologien, Programmiersprachen, Betriebssystemen usw. sollen die Software und die Datenbanken laufen?
  • Welche Systeme sollen angebunden werden?
  • Wo und wie soll das System gehostet werden?

Funktionale Anforderungen

  • Welche allgemeinen Funktionen soll das ERP-System haben: z. B. Nutzer- und Rechteverwaltung, Berichte und Dashboards usw.?
  • Welche Module sollen das ERP-System mitbringen: z. B. Warenwirtschaft, CRM, Produktionsplanung usw.? Welche einzelnen Funktionen sind in den jeweiligen Bereichen erforderlich?

Flexibilität

  • Sollen individuelle Anpassungen der Funktionen oder der Oberfläche möglich sein – und wenn ja, wie stark?
  • Soll das ERP-System für zukünftiges starkes Wachstum und weitere Geschäftsbereiche vorbereitet sein? 

Anbieter

  • Welche Erfahrungen, Referenzen und Ressourcen sollte der Anbieter haben?
  • Wie wichtig ist Ihnen die Zukunftssicherheit des Anbieters (Stichworte: Eigentümerstruktur, Historie, Finanzierung)?
  • Was sollte der Anbieter im Hinblick auf Beratung, Support und Weiterentwicklung bieten?
  • Möchten Sie direkt vom Hersteller des ERP-Systems oder von Systempartnern beraten werden?

Kosten

  • Welches Budget haben Sie für das ERP-System zur Verfügung, sowohl einmalig als auch laufend?
  • Welches Preismodell bevorzugen Sie: Lizenzkauf und Wartungsvertrag oder SaaS?

Must-have-Anforderungen an ein Mittelstands-ERP-System

Selbstverständlich ist das Anforderungsprofil in jedem Unternehmen individuell. Grundlegende Ansprüche jedoch wiederholen sich immer wieder. Was sind absolute Must-have-Anforderungen an Ihr ERP-System?

Integration aller eingesetzten Systeme

Das ERP-System sollte der Mittelpunkt Ihres Betriebs sein. Alle arbeiten damit und greifen auf die verfügbaren Daten zu. Bestehende Datensätze (meist Stammdaten) müssen deshalb bei der Einführung übernommen und alle Lösungen mit dem ERP verknüpft werden. Nur so kann der Informations- und Datenfluss im gesamten Unternehmen gewährleistet werden.

Bei der ERP-Auswahl sollten Sie also darauf achten, dass alle Bestandssysteme mit dem neuen ERP-System integriert werden können. Gleichzeitig sollten Sie prüfen, ob Sie bestehende Insellösungen abbauen können. Im besten Fall können Sie einige Altsysteme ablösen und alle Prozesse in einer Software abbilden. Dadurch vereinfachen Sie Ihre Prozesse und Ihre Mitarbeitenden sparen jeden Tag effektiv Zeit.

Abbildung aller unternehmensinternen Prozesse

Ein ERP-System sollte in der Lage sein, mit seinem Funktionsumfang alle relevanten und häufig genutzten Unternehmensprozesse abzubilden. Vor der Anbieterauswahl sollten Sie daher Ihre Prozesse kennen und dokumentiert haben. Die Prozessdokumentation dient Ihnen dann als Leitfaden für das Lastenheft.

Die meisten Anbieter individualisieren die ERP-Systeme auch für ihre Kunden. Solche Anpassungen können allerdings teuer werden. Deshalb sollten Sie sich für eine Lösung entscheiden, die im Standard die größtmögliche Anzahl Ihrer Prozesse abdeckt. (Manchmal ist es sogar sinnvoll, die eigenen Prozesse an den Standard des ERP-Systems anzupassen. Schließlich sind diese Standards nicht umsonst so gestaltet worden; hinter ihnen stecken oft Best Practices aus vielen Jahren Erfahrung.)

Skalierbarkeit 

Zu den wohl wichtigsten ERP-Anforderungen im Mittelstand gehört die Skalierbarkeit des Systems. Jedes Unternehmen möchte wachsen. Das bedeutet: mehr Mitarbeitende, mehr Daten, größere Lager und so weiter. Ihr ERP-System muss das mitmachen.

Richten Sie daher Ihr ERP-System nicht allein am aktuellen Bedarf aus. Nehmen Sie auch schon die Anforderungen von morgen in den Blick. Ein ERP-Launch ist wie erwähnt kostspielig und komplex. Kein Unternehmen möchte ihn in fünf oder zehn Jahren wiederholen, um auf ein größeres System zu wechseln.

Zentrales Wissensmanagement

ERP-Systeme sollen den Workflow und den Informationsfluss verbessern. Deshalb ist das Wissensmanagement eine zentrale Funktion Ihres ERP-Systems, auch wenn das selten explizit im Anforderungskatalog steht.

Ihre Lösung darf nicht nur Daten und Prozesse verwalten. Sie muss ebenso ermöglichen, tieferes Know-how zu erfassen und zu teilen. Dadurch erhöhen Sie die Qualität der Ergebnisse. Mitarbeitende können schneller eingelernt werden. Und sie behalten kritisches Wissen im Unternehmen, wenn erfahrene Teammitglieder Sie verlassen.

Einfache Bedienbarkeit

Der Erfolg Ihres ERP-Systems steht und fällt mit der Bereitschaft Ihrer Mitarbeitenden, es zu nutzen. Machen Sie es Ihnen leicht. Achten Sie bei der ERP-Auswahl nicht nur auf die Feature-Listen. Achten Sie darauf, ob es einfach zu bedienen ist, ob die Oberfläche übersichtlich und freundlich wirkt. Lassen Sie es Ihre Mitarbeitenden am besten selbst testen.

Ein benutzerfreundliches ERP-System spart Ihnen viel Aufwand bei Schulung und Support und viel späteren Frust. Sie werden Ihre Ziele viel schneller erreichen.

Fazit: Je konkreter, desto erfolgreicher

Ein modernes ERP-System ist unbestritten eine sinnvolle Investition in die Zukunft. Doch ob und wie schnell es Sie tatsächlich voranbringt, hängt stark von der passenden Systemauswahl ab. Gehen Sie diese deshalb geplant und strukturiert an: Die Auflistung und Beschreibung Ihrer konkreten Anforderungen an ein ERP-System im Lastenheft ist eine solide Grundlage dafür. Nur so finden Sie eine Lösung, mit der Sie Ihre Ziele von heute und von morgen erreichen können.