Akquisitionen und Unternehmens-Zusammenschlüsse sind auch für die IT eine Herausforderung. Sie sieht sich plötzlich mit einer Vielzahl unterschiedlicher Hardware- und Software-Systeme konfrontiert und muss aus diesem Chaos möglichst schnell eine effiziente IT-Infrastruktur formen.

Oberste Priorität hat hierbei das ERP-System. Solange jede Teilorganisation ihre eigene ERP-Lösung einsetzt, ohne Anbindung an die IT des Mutterkonzerns, stockt der Datenfluss und es gibt keine verlässlichen Kennzahlen. Doch der Teufel steckt im Detail. Alle Unternehmen an ein großes, konzernweites ERP-System anzubinden ist nicht immer die beste Lösung.

Vollständige ERP-Konsolidierung ist für die Konzernleitung attraktiv

Im Falle einer ERP-Konsolidierung wird die ERP-Software des Mutterkonzerns in der Regel ausgeweitet und alle Teilorganisationen als Mandanten hinzugefügt. Die einzelnen Unternehmen verfügen zwar über eine eigene, autonome ERP-Instanz. Auf technischer Ebene sind sie jedoch mit der Konzernzentrale verbunden.

Dieser Ansatz hat mehrere Vorteile. Zunächst ist der Koordinationsaufwand deutlich kleiner, denn die ERP-Instanzen sind Bestandteil eines größeren ERP-Systems und daher nativ miteinander verbunden. In einer konsolidierten ERP-Umgebung sind Schnittstellen überflüssig, was wiederum geringere Kosten für Wartung und Pflege verursacht. Es gibt weniger Einzelteile und Verbindungsstellen. Außerdem ist die Unternehmensgruppe auf technischer Ebene leicht erweiterbar. Im Falle einer Neuakquise muss die IT lediglich einen neuen Mandanten anlegen und konfigurieren.

Auf der Organisationsebene kann der Konzern einfacher Ressourcen bündeln und dadurch die Kosten senken. Da die technische Infrastruktur weitestgehend homogen ist, kann ein relativ kleines IT-Team Support für das gesamte Unternehmensgeflecht leisten. Zudem braucht der Konzern nur einen einzigen Wartungsvertrag, um alle Teilorganisationen abzudecken.

Darüber hinaus ist ein konzernweites ERP-System investitionssicher. Es gibt nur wenige ERP-Anbieter, die eine (oft international) weit verteilte Organisationsstruktur mit Tausenden Nutzern bedienen können. Die Chance, dass diese Platzhirsche in absehbarer Zeit vom Markt verschwinden, ist relativ gering.

Aus Sicht der Konzernleitung ist ein unternehmensübergreifendes ERP-System sehr attraktiv. Wenn wir dagegen die Teilorganisationen betrachten, sieht die Sache anders aus.

Ziel jeder ERP-Konsolidierung ist die vollständige Vereinheitlichung der ERP-Landschaft. Manchmal ist es jedoch sinnvoll, von diesem Ziel abzuweichen, um einzelne Tochterunternehmen zu entlasten.

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Tochterunternehmen leiden unter der Vereinheitlichung

Für Tochterunternehmen kann eine konzernweite ERP-Lösung gravierende Nachteile mit sich bringen. Das Grundproblem ist mangelnde Flexibilität.

Jedes Unternehmen stellt individuelle Anforderungen an sein ERP-System. Einige Organisationen benötigen spezifische Nischenfunktionen für ihr Tagesgeschäft. Andere wünschen sich einen hohen Funktionsumfang mit vielen Anpassungsmöglichkeiten. Und wieder andere brauchen eine schlanke, unkomplizierte ERP-Lösung, die nur das Nötigste abdeckt. Wenn ein Konzern alle Teilorganisationen mit einer einzigen ERP-Software verwalten will, versucht er, etwas zu vereinheitlichen, was nicht vereinheitlicht werden kann.

Kein ERP-System der Welt kann die Anforderungen jedes einzelnen Kunden abdecken. Eine konzernweite Lösung ist mit hoher Wahrscheinlichkeit für einige Teilorganisationen ungeeignet. Die Leidtragenden sind in der Regel operative Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich mit fehlenden Funktionen oder komplizierten Benutzeroberflächen herumschlagen müssen. Diese Effizienzverluste machen sich unter anderem durch verschlechterte Kennzahlen bemerkbar.

Zudem sind die ERP-Lösungen großer Anbieter relativ träge. Sie sind dafür geschaffen, riesige Organisationen zu verwalten. Das macht sie robust, aber auf Änderungen können sie nur langsam reagieren. Einzelne Unternehmen müssen oft sehr schnell auf Marktänderungen regieren. Große, komplexe ERP-Systeme können schnelle Richtungsänderungen meist nicht unterstützen und behindern dadurch das Unternehmen.

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Vollständige ERP-Konsolidierung hat Vor-und Nachteile.

Teilkonsolidierung ist eine Alternative

Ein alternativer Ansatz besteht darin, nur einen Teil der Unternehmensgruppe als Mandanten in einem gemeinsamen ERP-System anzulegen. Organisationen mit abweichenden Anforderungen können stattdessen ihre eigene ERP-Lösung per Schnittstelle mit der Finanzbuchhaltung (FiBu) des Mutterkonzerns verknüpfen.

Der Vorteil dieser Herangehensweise ist, dass die Bedürfnisse der Tochterunternehmen in den Vordergrund rücken. Betriebe, die von einer starren Universal-Software behindert werden, können ihre eigene Nischenlösung verwenden, ohne die IT-Landschaft des restlichen Konzerns zu beeinträchtigen. Auch ERP-Systeme mit einem abweichenden Funktionsumfang (zum Beispiel spezialisierte Branchenlösungen) sind kein Problem, solange die Anbindung an die Konzern-IT stabil ist.

Auf diese Weise kann ein Teilunternehmen schneller und flexibler auf Marktänderungen reagieren. Die Nischenlösung eines mittelständischen Unternehmens kann mit relativ wenig Aufwand umkonfiguriert werden – ein konzernweites ERP-System mit mehreren Hundert Nutzern nicht.

Schwächen der unvollständigen ERP-Konsolidierung

Eine Teilkonsolidierung der konzernweiten ERP-Landschaft hat allerdings auch Nachteile. Die Unternehmensgruppe nimmt damit in Kauf, dass ihre ERP-Landschaft teilweise segmentiert bleibt. Die Schwachstellen, die der Konzern mit der Konsolidierung eigentlich beheben wollte, verschwinden also nicht vollständig.

Im Vergleich zu einer kompletten ERP-Konsolidierung ist der Arbeitsaufwand für die IT-Abteilung höher. Da Schnittstellen zwischen verschiedenen ERP-System meist selbst programmiert werden, muss die IT auch deren Wartung und Pflege übernehmen. Darum ist jedes Software-Update einer ERP-Installation mit hohem Aufbau verbunden. Zusätzlich muss die IT-Abteilung technischen Support für mehrere ERP-Systeme leisten. Beides erhöht die Kosten, da die IT mehr Kapazitäten braucht.

Die Transparenz der Unternehmensgruppe sinkt, denn es gibt kein Datennetz mehr, das die Organisation lückenlos umspannt. Dank der Anbindung an die FiBu sind die Finanzkennzahlen des Konzerns zwar auf dem neuesten Stand. Das gilt jedoch nicht für Lagerbestände, Ressourcen- und Produktionsplanung. Gerade Unternehmensgruppen mit vertikaler Integration leiden unter diesem Effekt.

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Die Vor-und Nachteile einer Teilkonsolidierung.

Vollständige ERP-Konsolidierung Ja oder Nein?

Eine vollständig konsolidierte ERP-Landschaft ist der Idealzustand jeder Unternehmensgruppe: Ein ERP-System, das alle Unterorganisationen bedient, den konzernweiten Informationsaustausch ohne Schnittstellen regelt und die IT-Abteilung wenig belastet. Das ist jedoch nicht immer realistisch. Nur wenige Konzerne sind so homogen, dass sie die Anforderungen aller Teilunternehmen mit einem ERP-System abbilden können. In der Regel gibt es Ausreißer, deren Bedürfnisse deutlich von denen des restlichen Konzerns abweichen.

In so einem Fall gilt es, zwei Effekte gegeneinander abzuwägen. Auf der einen Seite will die Unternehmensgruppe eine möglichst einheitliche ERP-Infrastruktur, um den finanziellen Aufwand gering zu halten und von Synergieeffekten zu profitieren. Das spricht für eine vollständige ERP-Konsolidierung. Auf der anderen Seite kann ein ungeeignetes ERP-System die Effizienz eines Unternehmens beeinträchtigen und hohe Kosten verursachen. Das spricht wiederum für eine Teilkonsolidierung.

Welche Lösung die bessere ist, hängt von der Situation ab. Betrachten Sie beide Effekte und beurteilen Sie, welcher schwerwiegender ist. Es kann Sinn ergeben, die ERP-Landschaft des Konzerns etwas weniger effizient zu gestalten, um einzelne Tochterunternehmen zu entlasten. Aber auch in so einem Fall sollten Sie es nicht übertreiben. Das Ziel ist und bleibt die vollständige ERP-Konsolidierung. Manchmal ist es jedoch nötig, von diesem Ziel abzuweichen, um den maximalen Mehrwert für die Unternehmensgruppe zu generieren.

Wenn ein Unternehmen die Einführung einer konzernweiten ERP-Lösung ablehnt, ist übrigens nicht immer die Software schuld. Manchmal sperren sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, weil sie ihre vertrauten Prozesse nicht ändern wollen. In so einem Fall hilft gutes Change Management. Mehr zu diesem Thema erfahren Sie in unserem Whitepaper „Change Management: Wie Sie Risiken und Nebenwirkungen richtig einschätzen“.