Zwar werden ERP-Systeme über die Jahre weiterentwickelt, doch bieten sie im Grunde dieselben Kernfunktionen wie vor Jahrzehnten. Lohnt es sich angesichts dessen überhaupt, über ERP-Trends zu reden? Auf jeden Fall. Als ERP-Anbieter erforschen und testen wir laufend Innovationen. So spannend wie aktuell war der ERP-Markt schon lange nicht mehr. 

Besonders eine Technologie ermöglicht ganz neue Anwendungen: LLMs. In diesem Artikel analysieren wir deren Fähigkeiten und Auswirkungen im ERP-Kontext. Ebenso wie drei weitere Top-Trends, die nicht nur auf dem Papier gut aussehen, sondern spürbare Verbesserungen bringen.

Wir zeigen Ihnen die wichtigsten KI-Trends in den Bereichen Vertrieb, Warenwirtschaft und Service.

Trend 1: LLMs halten Einzug in ERP-Systeme 

Sprachassistenten wie Apples Siri gibt es schon über zehn Jahre lang. Sie kamen jedoch nie über den Status einer Spielerei hinaus; für professionelle Anwendungen eigneten sie sich nicht. Das änderte sich mit dem Release von ChatGPT 3.5 fast genau elf Jahre später, im November 2022. Das Large Language Model (LLM) kann natürliche Sprache in „menschlicher Qualität“ verstehen und erzeugen. Dahinter stecken Algorithmen, die auf künstlicher Intelligenz und Maschinenlernen basieren.

ERP-Systeme arbeiten schon länger mit KI-Algorithmen, etwa bei der Erstellung von Zukunftsprognosen. Das allein ist nichts Neues. LLMs als spezieller KI-Typ haben nun jedoch das Potenzial, ERP-Systeme einen weiteren, großen Schub zu verleihen. Sie machen die Software deutlich intelligenter und die Anwender*innen deutlich produktiver.

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Die Technologie befindet sich nach wie vor in ihren Anfängen. ERP-Anbieter beginnen erst, die Assistenten in ihre Systeme zu integrieren. Sie experimentieren mit Use Cases. Dabei sind noch viele Probleme zu lösen, etwa das Halluzinieren: Wenn ein LLM die Antwort auf eine Frage nicht „weiß“, erfindet es eine. Im geschäftlichen Kontext ist das inakzeptabel. 

Trotz des frühen Stadiums sind die Ergebnisse in bestimmten Fällen praxistauglich. Bereits hervorragend funktionieren LLMs für die Verarbeitung von Eingangsinformationen, etwa von E-Mails oder Belegen. Sie verstehen die Informationen im Kontext. Darauf lassen sich verschiedene Automatisierungsszenarien bauen. Dazu später mehr.

Überdies sind viele weitere Use Cases denkbar, die in den nächsten ein bis zwei Jahren in ERP-Systeme Einzug halten werden. Etwa sprachbasierte KI-Assistenten für Business Intelligence. Sie beantworten Fragen auf Basis von Datenanalysen, wie: „Erstelle mir einen Umsatz-Forecast für die nächsten sechs Monate“, oder „Liste mir die Bestellungen der letzten drei Monate unserer 10 besten Kunden auf.“ 

Trend 2: Nächste Stufe der Prozessautomatisierung

Auch Automatisierung in ERP-Systemen ist an sich nicht neu. Durch die Integration der LLMs wird sie einen starken Schub bekommen. Sie können dann viel mehr Prozesse automatisieren und die Erfolgsquote bei einzelnen Prozessen steigt.

Aktuell muss für jede Prozessautomation noch ein neuer Programmcode erstellt werden. Mit LLMs können dann viele, ähnliche Prozesse „auf einmal“ automatisiert werden. Die Assistenten verstehen Anweisungen und führen selbstständig die nötigen Schritte durch – auch bei neuen Aufgaben, die sie nicht kennen. Zudem können die Assistenten Entscheidungen ohne klare Regeln treffen. Das macht sie für Szenarien mit wechselnden Bedingungen geeignet.

Ein Beispiel ist die automatische Belegerkennung. Das ERP-System liest digitale Rechnungen und Lieferscheine ein und legt die passende Buchung im System an. Klingt einfach, ist es aber nicht. Mit herkömmlicher Bilderkennung funktionierte das nur eingeschränkt zuverlässig. Unterschiedliche Layouts oder schlecht leserliche Schriftarten führen zu Fehlern. Diese müssen manuell nachgebessert werden.

LLMs dagegen interpretieren teilstrukturierte Informationen wie Belege nahezu fehlerfrei, ganz egal, wie sie aussehen. Durch die bessere Erkennungsrate müssen Sie kaum noch eingreifen und können die folgenden Arbeitsschritte viel stärker automatisieren.

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In Messungen haben wir bis zu dreifache Effizienzsteigerungen festgestellt.

Trend 3: Schlanke, intuitive Oberflächen für fokussiertes Arbeiten

Je mehr Prozesse automatisiert sind, desto stärker können sich die Mitarbeitenden auf ihre Kernaufgaben fokussieren. Das gilt nicht nur im Hinblick auf die Arbeitszeit, sondern auch auf die Bedienbarkeit des ERP-Systems. Die Anwender*innen sollten nur die Daten und Funktionen sehen, die sie für ihre aktuelle Aufgabe benötigen. Alles andere kann ausgeblendet werden oder im Hintergrund ablaufen.Genauso wie in der Lean Production sollte auch bei der Büroarbeit nichts verschwendet werden. Jeder unnötige Klick und jedes Suchen nach Informationen kostet unnötig Zeit, Aufmerksamkeit und Nerven. Deshalb gehört der Fokus auf Benutzerfreundlichkeit (UX) für uns zu den ERP-Top-Trends.

Die Einführung des Flow Modes in APplus war bei uns ein großer Schritt in diese Richtung. Statt typischer ERP-Masken bieten wir nun Kanban-ähnliche Boards. Die Ansichten sind auf das Wesentliche reduziert und können sehr individuell angepasst werden. In Messungen haben wir bis zu dreifache Effizienzsteigerungen festgestellt.

Detaillierte Einblicke in den Flow Mode und seine hohe Benutzerfreundlichkeit erhalten Sie in unserer Webinar-Aufzeichnung.

Außendienstmitarbeitende können heute schon per Smartphone mündlich Daten eingeben oder schnelle Analysen durchführen. LLMs werden diese Funktionen in Zukunft unterstützen, da sie natürliche Sprache verstehen. Die Spracherkennung wird zuverlässiger werden. Nutzer*innen können dann auch intuitiver mit Daten interagieren und sie analysieren, etwa mit ihnen „chatten“ und Fragen stellen.

Trend 4: Standard-Individualisierungen für branchenspezifische Bedürfnisse

Bisher mussten sich Unternehmen mit speziellen Anforderungen zwischen zwei Wegen entscheiden: Sie verwenden eine (branchenübergreifende) Standardlösung und passen sie für sich an. Oder sie kaufen eine spezifische Branchenlösung. Beides hat Vor- und Nachteile.

Die angesprochenen Entwicklungen ermöglichen einen neuen Typ ERP-System: die spezialisierte Standardlösung. Prozesse und Oberflächen werden nicht mehr alle hart programmiert. Stattdessen werden sie aus den vorhandenen Komponenten mithilfe von Low-Code-Tools zusammengebaut und vorkonfiguriert. Damit kann das ERP-System exakt auf Prozesse von Teilbranchen angepasst werden: für Unternehmen in Werkzeugbau, Medizintechnik oder E-Mobilität, um nur einige zu nennen.

Warum ist das bemerkenswert? Die Spezialisierung kommt ohne die bekannten Nachteile und Zusatzkosten. Die Prozesse basieren vollständig auf dem ERP-Standard. Es ist keine (oder kaum) individuelle Programmierung bei der Einführung nötig. Als Kunden können Sie alle Updates des Anbieters ohne zusätzliche Anpassungen nutzen. Wenn Sie in Zukunft Ihr Geschäftsmodell erweitern, ist das ERP-System dafür flexibel genug und bietet alle Möglichkeiten.

Was bedeuten die ERP-Trends für Sie?

Aktuell sind im ERP-Sektor so spannende Entwicklungen zu sehen, wie lange nicht mehr. In den nächsten Jahren werden die Technologien reifen und zu weiteren Produktivitätssprüngen führen. Denken Sie deshalb bei der ERP-Auswahl voraus. Analysieren Sie, welche Anbieter Trends früh aufgreifen, testen und in produktive Funktionen überführen. Ihr ERP-System soll auch die Anforderungen der nächsten zehn bis zwanzig Jahre abdecken und sie dabei unterstützen, wettbewerbsfähig zu bleiben.