Vor ein paar Jahren haben meine Familie und ich ein Eigenheim gebaut. Dieses Projekt war eine interessante Erfahrung für mich, denn als alter Hase im ERP-Geschäft sind mir viele Parallelen zur ERP-Einführung aufgefallen. Einige Lerneffekte lassen sich sicher zwischen beiden Unternehmungen übertragen:

1. Vor Baubeginn müssen alle Fragen geklärt sein

Man ahnt gar nicht, wie viel Planung hinter dem Bau eines Hauses steckt. Unzählige Dinge müssen durchdacht werden: Lage und Aufteilung des Grundstücks, Raumgrößen, Orientierung der Fenster, der Verlauf von Strom- und Wasserleitungen, Steckdosenplatzierung und noch vieles mehr. All diese Details müssen vor Baubeginn feststehen, denn danach sind Änderungen teuer oder teils gar nicht möglich. Dass der erste Stock drei statt zwei Zimmer haben soll, kann der Bauherr zum Beispiel nicht kurz vor Schlüsselübergabe entscheiden.

Bei der ERP-Einführung ist es ganz ähnlich. Auch hier können Änderungswünsche im laufenden Projekt teuer werden. Grund dafür ist die enge Verknüpfung zwischen ERP-System und Geschäftsabläufen. Eine technische Anpassung bedeutet fast immer, dass sich ein Prozess geändert hat. Das hat zwei Konsequenzen. Zum einen muss das Unternehmen prüfen, ob die Änderung auch andere Geschäftsbereiche betrifft. Schließlich beeinflussen sich betriebliche Abläufe gegenseitig. Zum anderen müssen sich die Beteiligten auf einen neuen Prozess einigen. Die resultierenden Diskussionen verzögern den GoLive des Systems, da das Projekt solange stillsteht.

Die Planung einer ERP-Einführung unterscheidet sich im Kern wenig vom Bau eines Hauses: Ratsam ist, den Ablauf des Projektes schon im Vorfeld zu durchdenken und alle offenen Fragen zu beantworten.

Egal ob Hausbau oder ERP-Einführung: Bei Großprojekten ist sorgfältige Planung das A und O. Alle wichtigen Fragen müssen vor Projektstart geklärt sein, denn spätere Änderungen sind teuer.

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2. Realistische Vorstellungen reduzieren Konflikte

Wer ein Haus plant, beginnt meistens mit Traumschlössern: Ein großer Garten soll es sein, eine sonnige Terrasse, ein Heim-Kino und natürlich eine luxuriöse Küche. Sobald die Baufinanzierung ins Spiel kommt, werden Bauherren aber pragmatisch. Aus der Villa wird eine Doppelhaushälfte mit Gartenanteil, die trotzdem alle Bedürfnisse der Familie erfüllt.

Auch die ERP-Einführung ist am Anfang oft ein Wunschkonzert. Alle Abteilungen reichen eine Liste mit Features und Funktionen ein, die das neue System mitbringen muss. Die ERP-Lösung soll sich an die Organisation anpassen, nicht umgekehrt. Sobald sich herausstellt, welche Investitions- sowie Wartungs- und Pflegekosten all diese technischen Anpassungen erfordern, macht sich jedoch Ernüchterung breit. Auf die anfängliche Wunschliste folgt eine pragmatische Anforderungsanalyse.

Diesen Ärger können sich Unternehmen ersparen, wenn sie ihre Anforderungen von Beginn an realistisch definieren und unnötiges Customizing vermeiden. Wünsche der Fachabteilungen sollten zwar gehört, aber nicht ungeprüft in das Lastenheft übernommen werden.

3. Folgekosten summieren sich

Ein Haus instand zu halten kostet Zeit und Geld. Schäden und Abnutzungserscheinungen müssen behoben, defekte Haushaltsgeräte ausgetauscht und Nebenkosten beglichen werden. Hinzu kommt der Reinigungsaufwand für Grundstück und Innenräume. Kluge Bauherren behalten diese Aufwände im Hinterkopf, wenn sie ihr Eigenheim planen, und planen vorausschauend. Einen Garten zu pflegen kann zum Beispiel sehr mühsam sein. Menschen, die nicht hobbymäßig gärtnern, sollten sich daher zweimal überlegen, ob sie wirklich eine große Grünanlage wollen.

Bei der ERP-Einführung verhält es sich ähnlich. Auch hier können Entscheidungen später enorme Wartungs- und Pflegeaufwände nach sich ziehen. Ein gutes Beispiel sind individuell programmierte Sonderprozesse. Diese erlauben zwar, spezielle Abläufe im ERP-System abzubilden, aber sie verursachen auch zusätzliche Kosten. Nach jedem Update muss das Unternehmen sicherstellen, dass alles nach wie vor funktioniert. Das belastet die IT-Abteilung und kann auf lange Sicht teuer werden.

Vor diesem Hintergrund sollten sowohl Bauherren als auch Unternehmen darauf achten, den Wartungs- und Pflegeaufwand durch geschickte Planung möglichst gering zu halten.

4. Langfristiges Denken zahlt sich aus

Die meisten Menschen bauen im Laufe ihres Lebens nur ein Haus. Sie müssen daher Dinge beachten, die erst in vielen Jahren relevant werden. Wer eine Familie gründen möchte, sollte zum Beispiel Räume einplanen, die später als Kinderzimmer dienen können. Soll das Haus auch im Alter genutzt werden, muss es von Beginn an seniorengerecht konzipiert sein. Eine Solaranlage auf dem Dach lohnt sich, wenn sie über Jahrzehnte genutzt wird. Und ein Glasfaseranschluss ist von Vorteil, wenn datenhungrige Web-Anwendungen einmal zum Standard werden. All diese Aspekte müssen schon vor dem Bau des Hauses bedacht werden.

Ein ERP-System verhält sich da ganz ähnlich. Wurde es regelmäßig gepflegt und gewartet, kann es über Jahrzehnte die Anforderungen des Unternehmens abdecken. Daher sollten Entscheider bei der ERP-Einführung an die Zukunft denken. Das betrifft einerseits die Entwicklung der Organisation. Wenn die Geschäftsleitung beispielsweise plant, in einigen Jahren ins Ausland zu expandieren, sollte das ERP-System internationale Strukturen abbilden können. Zum anderen können externe Entwicklungen Beachtung finden (technische, rechtliche etc.). Diese sind schwerer vorherzusehen, lassen sich aber mit einem flexiblen ERP-System leichter kompensieren. Ein Beispiel sind Schnittstellen-Frameworks, die Fremdsysteme ohne Programmieraufwand anbinden.

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Sowohl beim Hausbau als auch bei der ERP-Einführung sollten zukünftige Anforderungen berücksichtigt werden.

5. Ein guter Umsetzungspartner ist Gold wert

Die Wahl des Baupartners ist eine der wichtigsten Entscheidung auf dem Weg zum Eigenheim. Privatpersonen gehen mit dem Bau eines Hauses große finanzielle Risiken ein, daher ist Vertrauen ein wichtiger Faktor. Ein Bauunternehmen, das seine Kunden an die Hand nimmt und in allen Phasen des Projekts beratend unterstützt, ist ein Segen. Ein guter Baupartner sollte auf Schwächen hinweisen, Optimierungspotentiale aufzeigen und die Bedürfnisse seiner Auftraggeber in den Vordergrund stellen.

Auch hier zeigen sich Parallelen zur ERP-Einführung. Die Wahl des ERP-Anbieters hat große Auswirkungen auf den Projekterfolg, auch abseits der Software. Gerade die weichen Faktoren entscheiden oft darüber, ob ein ERP-Projekt reibungslos abläuft. Gute ERP-Anbieter sehen sich selbst nicht als Verkäufer, sondern als Dienstleister. Sie kommunizieren mit ihren Kunden auf Augenhöhe, gehen flexibel auf individuelle Anforderungen ein und empfehlen im Zweifelsfall auch mal eine günstigere Option statt des teuren Komplettpakets. Auf lange Sicht zahlt sich diese Art der Zusammenarbeit für beide Seiten aus.

Es lohnt sich daher, bei der Auswahl eines ERP-Anbieters sorgfältig vorzugehen. Die Entscheidung sollte keine reine Preisfrage sein, denn von ihr hängt ein Stück weit der Projekterfolg ab.

Zusammengefasst

Hausbau und ERP-Einführung haben mehr gemeinsam, als man denkt. Es sind langfristige Unternehmungen, deren Folgen über viele Jahre spürbar sind. Beide sind Top-Down-Projekte, die vor Beginn gründlich durchdacht und geplant werden müssen. Und in beiden Fällen lohnt es sich, einen verlässlichen Partner zur Seite zu haben, der sich selbst nicht als Verkäufer sieht, sondern berät und unterstützt.

Zu wissen, worauf man sich einlässt, ist sowohl beim Hausbau als auch bei der ERP-Einführung Gold wert. Das ist eine weitere Gemeinsamkeit. Wenn Sie wissen möchten, wie ein ERP-Projekt im Detail abläuft, sollten Sie einen Blick in unser Whitepaper „Die ERP-Einführung von A-Z“ werfen. Es beschreibt den gesamten Prozess. Von der Anforderungsanalyse bis zum GoLive.