„Gewinneinbruch wegen Lieferproblemen“: Meldungen wie diese konnten wir in den vergangenen Monaten häufiger lesen. Händler, Hersteller und Zulieferer sind in vielen Branchen von unterbrochenen Lieferketten betroffen.

Materialbedarfsplanung war noch nie leicht. Durch die jüngsten Entwicklungen ist sie nochmals schwieriger geworden. Was läge näher, als sie mit einem weiteren Trend zu kombinieren und Materialbedarfsplanung durch künstliche Intelligenz zu unterstützen? Ist das bereits möglich?

In diesem Artikel erhalten Sie einen Überblick, was KI für die Materialbedarfsplanung leisten kann und was (noch) nicht. Außerdem lernen Sie drei konkrete Use Cases mit KI kenne, die ein geeignetes ERP-System heute schon unterstützt.

Unternehmen müssen sich auf dauerhaft dynamische, ja unvorhersehbare Märkte einstellen.

Dynamische Märkte erschweren die Materialbedarfsplanung

Die Weltmärkte bewegen sich nicht mehr in gleichmäßigen Zyklen auf und ab, wie viele Jahrzehnte lang. Stattdessen müssen sich Unternehmen auf dauerhaft dynamische, ja unvorhersehbare Märkte einstellen. Für die Materialbedarfsplanung ist die Unsicherheit allerdings eine besonders große Herausforderung. Sie muss gleich mit doppelten, teils voneinander losgelösten Schwankungen fertig werden: einerseits in der Beschaffung, mit schwankenden Verfügbarkeiten und Preisen von Rohstoffen, Materialien und Dienstleistungen; andererseits mit schwankender Nachfrage oder Auftragslage.

Die Einflussfaktoren sind schwer zu überblicken und noch schwerer vorherzusagen. Dazu gehören unter anderem:

  • Gesellschaftliche Trends oder Ereignisse, die das Konsumverhalten verändern
  • Knapper werdende Materialien und Rohstoffe und dadurch steigende Preise
  • Kriege, politische und wirtschaftliche Spannungen
  • Naturkatastrophen, Unfälle, Cyberangriffe
  • Staatliche Regulierungen

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Bild: Die Coronapandemie sowie die Lieferkettenprobleme haben unter anderem die Automobilindustrie hart getroffen. Die dynamische Lage erschwert die Materialbedarfsplanung.

Trotz verletzlicher Lieferketten müssen Unternehmen auf die Kosten achten; einfach von allem mehr ans Lager zu nehmen, ist auch keine Lösung. Stattdessen braucht es eine vorausschauende Materialbedarfsplanung, dank der der Bedarf möglichst genau prognostiziert und trotzdem flexibel auf veränderte Situationen reagiert werden kann. 

Das ist eine Aufgabe, die für künstliche Intelligenzen wie geschaffen ist.

Was kann KI bei der Materialbedarfsplanung leisten – und was nicht?

Wenn wir in diesem Zusammenhang von KI sprechen, geht es in der Regel um Machine Learning: selbstlernende Systeme auf Basis von neuronalen Netzen. Wie lassen sich diese für die Materialbedarfsplanung einsetzen? Und was ist noch Science Fiction?

Eine Machine-Learning-KI ist exzellent darin, große Datenmengen zu analysieren; auch in Umfeldern, die so komplex und für Menschen unüberschaubar sind. Sie können kleinste Zusammenhänge sowie schleichende Trends identifizieren. Menschen würden diese kaum oder erst viel später auffallen. Darauf basierend machen sie Vorschläge oder können selbst Entscheidungen treffen und Prozesse auslösen.

Diese Fähigkeiten können in der Materialbedarfsplanung verwendet werden. Etwa um … 

  • genauere Prognosen zu erstellen. Dazu werden nicht nur historische Daten, sondern auch die aktuelle Situation und zukunftsgerichtete Daten berücksichtigt.
  • Veränderungen frühzeitig zu erkennen und darauf reagieren zu können.
  • objektive Handlungsempfehlungen zu geben. Sie stützen sich auf Daten und werden nicht durch Einzelfälle oder fehlende Erfahrungen verzerrt.
  • einfachere Aufgaben ganz oder teilweise zu automatisieren. Das Personal wird entlastet.
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Manche Fähigkeiten dagegen haben KIs bislang nur in Filmen: Sie denken nicht, sondern ziehen Schlüsse aus vorhandenen Daten. Daher können sie plötzliche, außergewöhnliche Ereignisse weder vorhersehen noch angemessen darauf reagieren – wie die Lockdowns in der Coronapandemie oder die Havarie des Containerschiffes Ever Given im Suez-Kanal im Jahr 2021.

Erst wenn bestimmte ähnliche Ereignisse wiederholt auftreten, kann eine KI Daten dazu sammeln. Erst dann wäre sie theoretisch in der Lage, Folgeprognosen zu erstellen und Handlungsempfehlungen zu geben.

Doch schon die realen Fähigkeiten von KI sind beeindruckend. Sie können helfen, die  Materialbedarfsplanung zu optimieren. Sehen wir uns einige praktische Use Cases am Beispiel unserer ERP-Software APplus an.

Use Cases mit KI im ERP-System für die Materialbedarfsplanung

In APplus sind KI-basierte Funktionen für die Lageroptimierung, Bedarfsvorhersage und Disposition integriert. 

Use Case: Handlungsempfehlungen

Das ERP analysiert kontinuierlich alle Daten, erkennt Entwicklungen und empfiehlt den Planenden Aktionen. Drei Szenarien:

Szenario 1:

  • Erkannter Trend: Einige Kunden erhöhen über längere Zeit allmählich ihre Abnahmemengen.
  • Mögliche Empfehlung: Häufiger oder in größeren Losgrößen bestellen; Lagerbestand anlegen oder erhöhen.

Szenario 2:

  • Erkannter Trend: Die Qualität bei einem Lieferanten nimmt ab, die Fehlteile häufen sich.
  • Mögliche Empfehlung: Gegenmaßnahmen treffen, alternative Lieferanten suchen.

Szenario 3:

  • Erkannter Trend: Die Preise für einen Rohstoff steigen oder schwanken stark.
  • Mögliche Empfehlung: Zu einem günstigen Zeitpunkt große Mengen einkaufen und einlagern.

Use Case: Auftrags- und Bedarfsprognosen

Zudem können mit APplus KI-gestützte Prognosen für die Auftragslage oder den Materialbedarf erstellt werden, um das Lager zu optimieren. Dabei werden auch externe Daten einbezogen: Konjunkturdaten wie Branchenindizes oder Exportquoten, Aktienkurse, Materialkurse, Wetterdaten, Unternehmensmeldungen und so weiter. Dadurch werden die Prognosen deutlich genauer, als wenn nur eigene, historische Daten und persönliche Annahmen als Basis verwendet werden.

Szenario 4:

  • Problem: Ein Unternehmen hatte während der Coronapandemie starke Auftragseinbrüche. Die Lage erholt sich jetzt. Wegen der besonderen Umstände können die Daten der letzten Jahre jedoch nicht für Auftragsprognosen verwendet werden.
  • Lösung: In die Analyse werden zukunftsgerichtete Wirtschaftsdaten einbezogen. Anhand dieser lassen sich Entwicklungen besser vorhersagen.

Use Case: Automatisierte Standardprozesse

Einfachere, wiederkehrende Aufgaben können mithilfe von KI automatisiert werden, um die Mitarbeitenden zu entlasten.

Szenario 5:

  • Problem: Ein Unternehmen beschafft regelmäßig C-Teile von immer denselben Lieferanten. Preise und Mengen schwanken kaum. Der Vorgang muss jedes Mal von Sachbearbeitenden manuell durchgeführt werden.
  • Lösung: Die Bestellungen werden automatisch durch das ERP-System ausgelöst. Die KI entscheidet selbstständig über den passenden Zeitpunkt und die Bestellmenge. Nur bei Ausreißern werden die Sachbearbeitenden informiert und können eingreifen.

Was bringt die Zukunft?

Selbst KIs können die Zukunft nicht vorhersehen; die Zukunft der KIs dagegen scheint vorgezeichnet: Sie werden deutlich mächtiger und hilfreicher werden. Mit jedem Tag vergrößert sich die Datenbasis, aus der sie lernen.

In der Materialbedarfsplanung werden wir dadurch kontinuierlich bessere Prognosen erhalten. KIs können auf immer mehr Datenquellen zurückgreifen und verbessern ihre Fähigkeiten, die Daten zu interpretieren. Wie in anderen Bereichen geht der Trend bei ERP-Systemen zu mehr Autonomie. Statt nur Funktionen auf Knopfdruck auszuführen, werden ERP-System mehr „Eigeninitiative“ zeigen: Sie geben aktiv Empfehlungen oder führen Prozesse selbstständig durch – im Rahmen der ihnen gewährten Rechte. Die knappen Fachkräfte werden entlastet und können sich auf wertschöpfende Aufgaben konzentrieren.

So wird KI zu einem wichtigen Faktor, um die vielfältigen neuen Herausforderungen in der Materialbedarfsplanung zu meistern.