Effiziente Fertigungsprozesse sind Grundvoraussetzung für den Erfolg produzierender Unternehmen. In Zeiten digitaler Technologien hängt die Produktivität wiederum vom Vernetzungsgrad in der Fertigung ab. Je stärker die einzelnen Fertigungsprozesse miteinander vernetzt sind, desto leichter fällt es, Ressourcen, Material und Personal in Einklang zu bringen und dadurch Durchlauf- sowie Lieferzeiten zu optimieren. Das gelingt allerdings nur mit Hilfe integrierter Software-Lösungen.

Doch wie sieht die optimale Software-Landschaft in der Fertigung aus? Braucht jedes Produktionsunternehmen ein Netzwerk verschiedener Systeme (APS, MES, etc.)? Oder reichen unter Umständen auch die Bordmittel des ERP-Systems? Um diese Fragen zu klären, werfen wir einen Blick auf vier typische Produktionsszenarien.

Szenario 1: Die Einzelfertigung

Einzelfertiger operieren in der Regel mit wenigen parallelen Werkstattaufträgen und geringen Losgrößen. Oft stellen sie von ihren hochpreisigen Premiumprodukten nur ein oder zwei Exemplare pro Monat her. Aus diesem Grund fließen in ihre Produktionsplanung weniger Variablen ein, als es beispielsweise in der Variantenfertigung der Fall ist. Komplexe Berechnungen von Maschinen- und Personalauslastung, Durchlaufzeiten oder Materialbeständen sind in diesem Szenario nicht nötig. Daher kommen Einzelfertiger unserer Erfahrung nach mit ERP-Bordmitteln meist sehr gut zurecht.

ERP-Systeme fungieren in solchen Unternehmen in erster Linie als Brücke zwischen Management und Produktion. Die ERP-Lösung ist dort ein Hilfsmittel für Auftragsabwicklung, Materialwirtschaft, Finanz- und Rechnungswesen sowie Controlling. Die Produktionsplanung ist überschaubar komplex und mit ERP-Bordmitteln problemlos machbar.

Ein modernes ERP-System ist in der Lage, Produktionsumgebungen mit geringer Komplexität zu steuern und zu überwachen. Dadurch sparen Sie sich die Kosten dedizierter Software-Lösungen.

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Szenario 2: Die Serienfertigung

In unserem zweiten Szenario betrachten wir Unternehmen, die mit wenigen Werkstattaufträgen und kleinem Maschinenpark, aber hohen Losgrößen hantieren. Serienfertiger produzieren große Mengen standardisierter Produkte, wie etwa Schrauben oder IT-Komponenten, oft in Losgrößen von 10.000 oder mehr. In diesem Fall besteht die Herausforderung nicht in der Feinplanung, sondern darin, Produktionsprozesse zu überwachen und zu analysieren. Denn Detailinformationen, wie Ausschussquoten oder Maschinenstandzeiten, haben gerade im Kontext weniger, aber umfangreicher Produktionsprozesse, eine hohe Relevanz.

Die Bordmittel eines ERP-Systems reichen leider nicht aus, um solche Daten zu erheben, denn es besteht keine direkte Maschinenanbindung. Hierfür ist ein Manufacturing Execution System (MES) nötig, das alle relevanten Maschinendaten (Durchlaufzeiten, Maschinenauslastung, Rüstzeiten, etc.) erfasst und konsolidiert. Der Schwerpunkt liegt allerdings auf der Datenerfassung, nicht auf der Analyse. Zu diesem Zweck bietet sich eine ERP/MES-Integration an, um die Stärken beider Systeme zu nutzen.

Szenario 3: Die Variantenfertigung

In Szenario Nummer drei beschäftigen wir uns mit Fertigungsunternehmen, die ihre Produkte in vielen verschiedenen, oft sogar individuell konfigurierbaren, Varianten herstellen. Variantenfertigung kennzeichnet sich in der Regel durch eine hohe Anzahl paralleler Werkstattaufträge mit geringer Losgröße.

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Egal wie Ihre Produktionsprozesse auch aussehen – sie sollten in jedem Fall bei der ERP-Einführung zur Sprache kommen.

Maschinen, Personal, Material und Termine in Einklang zu bringen, ist in der Variantenfertigung eine große Herausforderung. Die Feinplanung ist daher entsprechend komplex. Variablen wie Maschinen- und Personalkapazitäten, Durchlauf- und Rüstzeiten, Materialbestände und Liefertermine bilden ein so dichtes Netz, dass die Berechnung des optimalen Produktionsplans die Möglichkeiten eines ERP-Systems überfordert.

Produktionsplaner haben die Möglichkeit, Listen und Diagramme innerhalb der ERP-Lösung zu erstellen, anhand derer sie die laufenden und geplanten Produktionsprozesse überblicken können. Diese Listen zu interpretieren ist allerdings zeitaufwendig, kompliziert und fehleranfällig. Daher setzen Variantenfertiger meistens auf dedizierte Software-Systeme, wie Advanced Planning and Scheduling-Systems (APS). Diese können komplexe Fertigungsszenarien besser berechnen und zuverlässigere Produktionspläne erstellen.

Allerdings braucht ein APS dafür eine hochwertige Datenbasis. Andernfalls riskiert die Fertigung, Produktionspläne zu erstellen, die in der Praxis nicht optimal oder sogar unrealistisch sind. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn die Feinplanung mit Kapazitäten rechnet, die zurzeit gar nicht verfügbar sind. Aus diesem Grund ist eine Integration zwischen ERP und APS in der Variantenfertigung praktisch Standard.

Szenario 4: Maschinenparks

In unserem letzten Szenario befassen wir uns mit Fertigungsunternehmen, die Teilbereiche ihrer Produktion automatisiert haben und dadurch eine große Zahl an Aufträgen gleichzeitig stemmen können – sowohl aus der Serien- als auch der Variantenfertigung. Solche Maschinenparks zeichnen sich sowohl durch eine große Anzahl paralleler Werkstattaufträge aus, als auch durch potentiell hohe Losgrößen.

In diesem Szenario steht ein ERP-System alleine auf verlorenem Posten. Es ist out of the box nicht in der Lage, Maschinendaten eigenständig zu erheben. Deshalb ist der Einsatz eines MES in diesem Kontext quasi obligatorisch. Dazu erreicht die Produktion durch die starke Vernetzung der Maschinen schnell eine Komplexität, die ERP-Bordmittel nicht mehr stemmen können. Daher ist auch der Einsatz eines APS in solchen Unternehmen unabdingbar.

In der Praxis haben wir es in solchen Unternehmen oft mit einem Software-Dreiklang zu tun: Das ERP-System liefert Daten zu den einzelnen Bestellungen und Aufträgen. Das APS nutzen die Planer für das Feintuning der Produktion, während das MES für die Analyse von Maschinendaten zum Einsatz kommt. Durch die Kombination der drei Software-Lösungen können produzierende Unternehmen ihre gesamte Lieferkette optimieren: Von der Warehouse-Logistik bis hin zur Produktionsplanung und -steuerung.

PPS mit ERP-Bordmitteln? Hängt vom Kontext ab.

In wie weit sich Ihr ERP-System für die Produktionsplanung- und Steuerung eignet, hängt also stark vom Einsatzszenario ab.

Solange die Analyse von Maschinendaten für Sie keine Rolle spielt und Sie mit einer überschaubaren Anzahl paralleler Werkstattaufträge hantieren, sind ERP-Bordmittel durchaus praktikabel. Ein modernes ERP-System ist in der Lage, Produktionsumgebungen mit geringer Komplexität zu steuern und zu überwachen. Dadurch sparen Sie sich die Kosten dedizierter Software-Lösungen. Gerade für Einzelfertiger ist die Produktionsplanung und -steuerung per ERP-System daher eine attraktive Option.

Allerdings geraten ERP-Systeme schnell an ihre Grenzen, wenn die Komplexität der Produktionsprozesse steigt. Falls Sie regelmäßig eine große Zahl von Werkstattaufträgen bearbeiten oder Produkte in hohen Losgrößen fertigen, sind ergänzende Software-Systeme, wie APS oder MES, nicht länger optional. In diesem Fall sind Sie mit einer ERP-Integration zu Fremdsystemen besser beraten.

Egal wie Ihre Produktionsprozesse auch aussehen – sie sollten in jedem Fall bei der ERP-Einführung zur Sprache kommen. Reservieren Sie also in Ihrem Lastenheft einen Platz für die Produktion. Wie der Rest des Dokuments aussehen sollte, haben wir in unserem Whitepaper „Der richtige Weg zum ERP-Lastenheft“ zusammengefasst.