Die Lagerverwaltung spielt in der Wertschöpfungskette jedes Produktionsunternehmens eine entscheidende Rolle. Auf der einen Seite muss die Materialwirtschaft sicherstellen, dass zu jedem Zeitpunkt alle notwendigen Rohstoffe und Komponenten verfügbar sind. Andernfalls kommt es zu Verzögerungen oder sogar Stillständen in der Fertigung. Auf der anderen Seite ist das Lager auch ein bedeutender Kostenfaktor.

Daher gehört die Lagerbestandsoptimierung klassischerweise zu den wichtigsten Motivatoren der ERP-Einführung.

Hohe Lagerbestände sind ein Geschäftsrisiko

Unternehmen ohne ERP-System greifen in der Regel auf hohe Lagerbestände zurück, um ihre konstante Lieferfähigkeit zu garantieren. Denn die Lagerbestandsoptimierung basiert auf der Analyse von täglichen Warenbewegungen (Eingang und Versand), Fertigungsprozessen, Lieferzeiten und Absatzprognosen. Ohne eine moderne ERP-Lösung im Hintergrund haben Unternehmen keine Chance, all diese Berechnungen schnell und effizient durchzuführen.

Allerdings ist ein zu hoher Lagerbestand durchaus riskant. Zum einen bindet er Kapital und schadet dadurch der Liquidität des Unternehmens. Die Organisation wird träge und bekommt Schwierigkeiten, schnell auf neue Entwicklungen zu reagieren.

Zum anderen ist ein hoher Lagerbestand keine gute Wertanlage. Je nach Aufbewahrungsdauer können Komponenten oder Produkte veralten und dadurch an Wert verlieren. In manchen Branchen, wie den Fast-Moving-Consumer-Goods (FMCG)-Industrien, kann Ware sogar verderben und somit schnell unverkäuflich werden.

Daher haben Produktionsunternehmen berechtigtes Interesse daran, ihr Lager möglichst schlank zu halten.

Zwei Ansätze für die Lagerbestandsoptimierung

Wenn ein Unternehmen seine Lagerbestände langfristig reduzieren will, geht das nur in Form effizienterer Einkaufsprozesse. Der Einkauf darf Waren nicht zu früh oder in zu großen Mengen auf Vorrat besorgen und bis zur Verarbeitung aufbewahren. Stattdessen rückt die Bestellung näher an den Produktionszeitpunkt. Der Einkauf beschafft das notwendige Material im Idealfall erst dann, wenn ein konkreter Bedarf vorliegt.

Ein ERP-System ermöglicht, Lagerbestände durch intelligente Bestellprozesse dauerhaft zu reduzieren.

Das ist auf zwei Arten möglich. Zum einen kann das Unternehmen kommende Produktionsaufträge besser prognostizieren und Material rechtzeitig bestellen. Oder die Produktion erfolgt erst dann, wenn das Material eingeht (Just-in-Time, kurz JIT).

Diese beiden Methoden sind allerdings keine Gegensätze. Oft treten sie als Mischformen auf. Beispielsweise ist reine Just-in-Time-Produktion nur dann möglich, wenn keine Langläufer-Komponenten involviert sind, da deren Fertigung selbst lange dauert. Sobald eine Komponente eine überdurchschnittlich lange Wiederbeschaffungszeit aufweist, muss sie sich im Lager befinden, bevor eine Bestellung eingeht. Andernfalls stoppt die Produktion bis neues Material eintrifft. Zugleich ist manches Material wirtschaftlich sinnvoller in größeren Mengen zu beschaffen und zu lagern, wenn deren Materialwert gering ist, ein Fehlen aber fatale Auswirkungen auf die Produktion hat (z. B. Schrauben oder Beschläge). Daher haben auch JIT-Produzenten oft Lager, die sie vorausschauend bestücken.

Vorausschauende Beschaffung braucht gute Datenqualität

Beide Ansätze, vorausschauender Wareneinkauf und Just-in-Time, eignen sich bestens dafür, den Lagerbestand dauerhaft zu reduzieren. Allerdings ist in beiden Fällen eine moderne ERP-Lösung praktisch eine Voraussetzung.

Bei der vorausschauenden Beschaffung erstellt das Unternehmen Prognosen über den zu erwartenden Absatz und plant entsprechend Produktions- sowie Bestellprozesse. Die Effizienz dieses Vorgehens hängt unmittelbar von der Qualität der Geschäftsdaten ab. Ihr Einkauf kann Bestellungen nur dann adäquat vorausplanen, wenn er genau weiß:

  • welche bzw. wie viele Bestellungen zu welchem Zeitpunkt zu erwarten sind
  • wie der Wareneinsatz bis dahin aussieht
  • welche Produktionskapazitäten verfügbar sind
  • wie die Auslastung in der Werkshalle aussieht
  • wie der Lagerbestand an Langläufer-Komponenten aussieht

Je präziser und vollständiger diese Daten sind, desto effizienter arbeitet der Einkauf. Das Qualitätsniveau, das für effektive vorausschauende Beschaffung nötig ist, geht jedoch deutlich über die Möglichkeiten manueller Berechnungen hinaus. In diese Kalkulationen fließen hunderte Variablen ein. Das heißt, Sie benötigen ein ERP-System, das die komplexen Berechnungen automatisch im Hintergrund erledigt.

text img Optimierung des Lagerbestands mit ERP Software

Durch den Einsatz von ERP-Software in der Lagerwirtschaft können Unternehmen Arbeitsprozesse effizient gestalten.

Just-in-Time beinhaltet komplexe Kommunikationsprozesse

Die Just-in-Time-Produktion basiert wiederum auf einem komplexen Netzwerk aus Kommunikation und Logistik. Absprachen zwischen Produzent und Lieferant laufen nicht manuell ab, sondern automatisiert. Geht eine Bestellung ein, wird nicht nur ein Produktionsauftrag im ERP-System des Herstellers angelegt. Auch die Lieferanten sämtlicher Teilkomponenten erhalten eine automatische Bestellung.

Möglich macht dies eine enge Verknüpfung der ERP-Systeme beide Parteien. Per Schnittstelle geht eine Bestellung mit nur geringer Zeitverzögerung bei allen beteiligten Unternehmen ein. Das dient wiederum als Trigger für die nötigen Logistik- und Produktionsprozesse.

Schon diese uniliterale Perspektive ist ohne ERP-Unterstützung nicht zu bewerkstelligen. Der Einkauf kann nicht bei jeder Bestellung zum Telefonhörer greifen und jedem Lieferanten einzeln Bescheid sagen. Schon bei einem geringen Auftragsvolumen wäre der Aufwand enorm.

Hinzu kommt noch eine weitere Perspektive: der Informationsfluss von Lieferant zu Hersteller. Ein JIT-Produktionsunternehmen muss jederzeit wissen, welche Komponenten in welcher Zeit lieferbar sind. Denn davon hängen wiederum die eigene Lieferfähigkeit sowie die Termintreue ab. Ist eine wichtige Komponente zurzeit nicht lieferbar, sollten Ihre Kunden das idealerweise schon vor der Bestellung erfahren.

Dazu bedarf es allerdings eines umfassenden Informationsaustausches entlang der Lieferkette. Und der ist ohne ERP-Unterstützung nicht realisierbar.

Ihr ERP-Lösung hilft bei der Lagerbestandsoptimierung

Ein ERP-System hilft also auf drei Arten dabei, Ihren Lagerbestand zu reduzieren.

  1. Es schafft eine umfassende Datenbasis, die Ihnen erlaubt, kommende Produktionsaufträge präziser zu prognostizieren. Dadurch müssen Sie Material nicht mehr langfristig auf Vorrat halten. Ihr Einkauf kann stattdessen Bestellungen bedarfsgerecht vornehmen – abhängig vom zu erwartenden Auftragsvolumen.
  2. Es vereinfacht die komplexen Kommunikationsstrukturen zwischen Ihnen und Ihren Lieferanten. Das ermöglicht automatisierte, bedarfsorientierte Bestellprozesse. Komponenten mit kurzer Lieferzeit müssen Sie somit gar nicht mehr selbst lagern. Allerdings ist in manchen Branchen keine vollständige Just-in-Time-Produktion möglich. Langläufer-Komponenten sollten Sie trotzdem im Voraus auf Lager haben.
  3. Der dritte Vorteil ist ein multilateraler, digitaler Informationsaustausch zwischen allen Unternehmen entlang der Lieferkette. Ist Ihr ERP-System über Schnittstellen mit Ihren Partnern verbunden, können Sie jederzeit nachvollziehen, welche Komponenten gerade lieferbar sind und wie die Lieferzeiten aussehen. Damit stellen Sie sicher, dass Sie trotz geringen Lagerbestands keine bösen Überraschungen erleben.

Die Warenwirtschaft gehört zu den Kernfunktionen jedes modernen ERP-Systems. Wenn Sie aber jetzt schon wissen, dass Ihre Anforderungen sehr speziell sind, sollten Sie diese Tatsache auf jeden Fall in Ihrem Lastenheft festhalten. Falls Sie dabei Unterstützung brauchen, hilft Ihnen unser Whitepaper „Der richtige Weg zum ERP-Lastenheft“ mit Sicherheit weiter.