Im Mai 2019 hat ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) für Aufruhr gesorgt. Laut Gerichtsbeschluss müssen die EU-Staaten Unternehmen dazu verpflichten, die täglichen Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter systematisch zu protokollieren. Nach Ansicht der Richter kann nur so die Wirksamkeit der EU-Grundrechtecharta sowie der EU-Arbeitszeitrichtlinie gesichert werden.

Was bedeutet dieses Urteil für Unternehmen aus dem DACH-Raum? Und wie können Arbeitgeber die Vorgaben des EuGH am besten umsetzen? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Worum ging es bei der Entscheidung des EuGH?

Die spanische Gewerkschaft Federación de Servicios de Comisiones Obreras (CCOO) hatte vor dem nationalen Gerichtshof Spaniens (Audiencia Nacional) Klage gegen die Deutsche Bank erhoben. Die CCOO wollte das Unternehmen dazu verpflichten, die geleisteten Arbeitszeiten seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu protokollieren, um unbezahlte Überstunden zu reduzieren.

Die spanische Rechtsprechung schrieb bis dato lediglich vor, geleistete Überstunden festzuhalten. Dies empfand die CCOO als unzureichend. Dabei berief sich die Gewerkschaft auf die Grundrechtecharta der EU in Verbindung mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG.

Der Audiencia Nacional wandte sich an den Europäischen Gerichtshof. Dieser schloss sich der Argumentation der Klägerin an. Laut den Richtern sei eine systematische Arbeitszeiterfassung unabdingbar, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein Beweismittel gegen unzulässige Überschreitungen der Höchstarbeitszeit an die Hand zu geben. Das Gericht urteilte:

Um die praktische Wirksamkeit der von der Arbeitszeitrichtlinie und der Charta verliehenen Rechte zu gewährleisten, müssen die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber daher verpflichten, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann.

CC-55/18 EuGH

Was bedeutet das Urteil für Arbeitgeber?

Bisher wurde die Entscheidung des EuGH noch nicht in geltendes Recht überführt. Zudem räumte das Gericht den EU-Mitgliedsstaaten umfangreiche Gestaltungsmöglichkeiten ein, um den individuellen Herausforderungen bestimmter Branchen oder Unternehmensgrößen Rechnung zu tragen.

Es lässt sich also noch nicht genau sagen, wie die einzelnen EU-Länder das Urteil umsetzen werden. Dass die verpflichtende Zeiterfassung kommen wird, steht jedoch fest – und sie bringt einige Herausforderungen für den Mittelstand mit sich.

Zum einen praktizieren viele kleine und mittelständische Unternehmen noch keine systematische Zeiterfassung. Sie müssen erst die fehlende Hard- und Software anschaffen und dazugehörige Prozesse in der Organisation verankern. Je nach Branche und Aufbau kann dieser Aufwand hoch sein. Zum Beispiel, wenn physische Terminals in der Werkshalle aufgestellt werden müssen.

Zum anderen ist die Komplexität einer vollständigen Zeiterfassung nicht zu unterschätzen. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs betrifft die gesamte Belegschaft, nicht nur die Kolleginnen und Kollegen, die jeden Tag acht Stunden am Schreibtisch sitzen. Arbeitgeber müssen unter anderem folgende Fragen klären:

  • Wie gehen sie mit Außendiensteinsätzen um?
  • Wie erfassen sie Reisezeiten?
  • Wie ist Homeoffice geregelt?
  • Gibt es Obergrenzen oder Ruhezeiten zu beachten?
  • Wie verteilen sie geleistete Stunden auf Zuschlags- und Überstundenkonten?
  • Können sie via Software verschiedene Standorte verwalten?

Das Urteil C-55/18 des Europäischen Gerichtshofs schreibt eine systematische Zeiterfassung vor. Ein modernes ERP-System erfüllt diese Vorgaben nicht nur, sondern bietet auch noch attraktive Synergieeffekte.

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Wie setze ich das Urteil am besten um?

Unabhängig davon, wie die einzelnen Länder die EU-Vorgaben umsetzen werden, lässt sich bereits eines festhalten: Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Zeiterfassung, zum Beispiel Vordrucke auf Papier, Excel-Listen, Web-Applikationen, Hardware-Terminals oder mobile Anwendungen. Welche dieser Optionen die sinnvollste ist, hängt vom Unternehmen ab.

Für Kleinstbetriebe kann eine kostenlose Excel-Vorlage attraktiv sein. Dienstleister mit hohem Außendienstfokus setzen dagegen eher auf mobile Zeiterfassungssysteme. Daher sollten Sie zunächst Ihre Anforderungen konkretisieren, bevor Sie eine Entscheidung treffen.

Wenn Sie ein ERP-System verwenden, sind Sie an dieser Stelle im Vorteil. Zeiterfassung gehört heutzutage zu den Standardfunktion vieler ERP-Lösungen. Das bedeutet, Sie haben bereits die nötige Software, um die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs umzusetzen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Desktop-Arbeitsplätzen (egal ob im Büro oder im Homeoffice) können ihre Zeiten direkt am PC eintragen. Für den Außendienst gibt es oft Mobil-Applikationen, die Buchungen über ein Smartphone oder Tablet ermöglichen.

Falls Sie Hardware-Systeme für die Zeiterfassung benötigen (zum Beispiel in Werkshallen), können Sie auch die Terminals mit Ihrem ERP-System verknüpfen. So bündeln Sie alle Buchungen an einem Ort und steigern sowohl Ihre Auskunftsfähigkeit gegenüber externen Stakeholdern als auch die Effektivität interner Analysen.

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Das ERP-System APplus ermöglicht eine reibungslose Zeiterfassung.

Welche Vorteile hat die Zeiterfassung im ERP-System?

Verfügbarkeit ist nicht der einzige Vorteil eines ERP-Systems in puncto Zeiterfassung. Die Integration unterschiedlicher Organisationseinheiten bietet einige interessante Möglichkeiten, um Synergieeffekte zu generieren.

Verknüpfung von Personalzeiterfassung (PZE) und Arbeitszeiterfassung (AZE):

Die Stunden, die Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf Projekte oder Arbeitspakete buchen (AZE), werden automatisch auf deren Präsenzzeiten (PZE) angerechnet und umgekehrt. Das reduziert nicht nur redundante Aufwände, sondern macht auch beide Vorgänge robuster. Vergisst ein Kollege oder eine Kollegin zum Beispiel, sich morgens anzumelden, kann das System die fehlende Präsenzzeit aus den gebuchten AZE-Stunden berechnen.

Vorgaben bezüglich Obergrenzen, Ruhezeiten und Überstunden:

Stellt das System fest, dass eine Buchung die Höchstarbeitszeit überschreitet, kann es eine Warnung anzeigen oder den Betriebsrat benachrichtigen. Gleiches gilt für fest definierte Ruhezeiten. Überstunden oder Wochenendarbeit werden entsprechend gekennzeichnet, um eventuelle Zuschläge oder Ausgleichsregelungen zu beachten.

Buchung auf verschiedene Zeitkonten:

Die Vergütung von Überstunden und Wochenendarbeit ist meistens vertraglich geregelt. Um die Zuordnung zu erleichtern, gibt es gesonderte Arbeitszeitkonten. Ein ERP-System kann Buchungen automatisch auf das passende Konto verteilen. Die ersten 40 Wochenstunden werden beispielsweise auf dem Standardkonto vermerkt. Jede weitere Buchung in dieser Woche fließt automatisch auf ein Überstundenkonto, ohne zusätzliche Schritte des Anwenders. Auf diese Daten hat auch die Lohnbuchhaltung Zugriff, um die korrekten Gehälter auszuzahlen.

Datenbasis für Prozessoptimierung:

Sowohl PZE als auch AZE bilden eine hervorragende Datenbasis für interne Analysen und Optimierungsmaßnahmen. Sie können genau erkennen, in welchen Zeiträumen überproportional viele Überstunden anfallen und ob es sich um ein temporäres Phänomen oder ein strukturelles Problem handelt. Zugleich können Sie anhand einer Verlaufsanalyse Prognosen über die zukünftige Auslastung von Personalkapazitäten erstellen und gegebenenfalls mehr Leute einstellen. Oder Sie können auswerten, ob einzelne Arbeitsschritte unerwartet viel Zeit kosten, was auf Optimierungspotential hindeutet.

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Weitere Informationen zur Personalzeiterfassung (PZE) in Verbindung mit der ERP-Software APplus.

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Zusammengefasst

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs bezüglich der systematischen Zeiterfassung stellt Unternehmen mit Sicherheit vor eine Herausforderung. Schließlich fehlt es oft an Hardware, Software und Prozessen, um Zeiten verlässlich zu erfassen und zu dokumentieren. Aber das sind keine unlösbaren Probleme. Zumal vielen Organisationen mit ihrem ERP-System ein hervorragendes Werkzeug zur Verfügung steht.

Und vergessen Sie nicht: Die Zeiterfassungspflicht bietet auch Chancen. Sie erhalten nicht nur eine umfangreiche Datenbasis für interne Optimierung, sondern reduzieren auch die Arbeitsbelastung Ihrer Belegschaft. Das zahlt sich langfristig aus.

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