Unternehmen, die eine neue ERP-Lösung suchen, sehen sich zunächst einmal mit einem großen und unübersichtlichen Markt konfrontiert – Hunderte verschiedene ERP-Anbieter, deren Systeme alle ihre Stärken und Schwächen haben. Wie gehen Sie nun vor? Wie erfolgt die Auswahl eines ERP-Systems? Wie wählen Sie aus all diesen Anbietern den passenden aus? Ganz einfach: Indem Sie zunächst die Liste der Kandidaten schrittweise verkleinern und eine Vorauswahl treffen. Sobald Sie dann aus dem breiten Angebot die konkrete Liste möglicher ERP-Partner in Form einer Shortlist erstellt haben, befassen Sie sich mit jedem potentiellen ERP-Partner im Detail – in der Regel im Rahmen eines Workshops.
Diese Workshops sind selbstverständlich keine einfachen Vertriebspräsentationen, sondern maßgeschneiderte Vorträge. Der Anbieter stellt Ihnen seine ERP-Lösung vor und geht dabei ausführlich auf Ihre individuellen Anforderungen ein. Das funktioniert allerdings nur, wenn Sie Ihren Gesprächspartnern im Vorfeld bereits Informationen über sich selbst, Ihre Branche und Ihre speziellen Herausforderungen zur Verfügung gestellt haben. Manche Unternehmen handeln dieses Briefing im Rahmen eines schriftlichen Dokuments ab. Unserer Erfahrung nach ist das keine ideale Lösung. Schriftliche Informationen sind statisch, unflexibel und erlauben keine Rückfragen. Mit einem persönlichen Treffen sind Sie besser beraten. Laden Sie die Anbieter auf Ihrer Shortlist also lieber zu einem Rundgang durch Ihre Räumlichkeiten ein.
Rückfragen verhindern Missverständnisse und Fehlannahmen
Der ERP-Anbieter kann im Rahmen eines persönlichen Gesprächs Rückfragen stellen. Schön und gut – aber warum rechtfertigt das den Aufwand eines Anbieter-Briefings? Schließlich treffen Sie Ihre Ansprechpartner sowieso beim ERP-Workshop. Die Frage ist durchaus gerechtfertigt. Aber die Möglichkeit, Rückfragen zu stellen, ist keinesfalls nur nice to have. Sie kann die Qualität Ihrer ERP-Workshops deutlich verbessern.
Beispielsweise lauern schon bei der Beschreibung Ihres Unternehmens Tücken. Wir alle rücken uns gerne in ein positives Licht, wenn wir jemand Neuem begegnen. Das ist im Geschäftsbereich auch nicht anders. Dieses Verhalten kann bei einem Anbieter-Briefing allerdings zum Problem werden. Viele Unternehmen haben die positive Außendarstellung so sehr verinnerlicht, dass sie auch dem ERP-Anbieter gegenüber nur von Stärken, Chancen und Möglichkeiten reden – Schwächen und Herausforderungen bleiben außen vor.
Dabei sind es gerade die ungelösten Dinge, die den ERP-Anbieter besonders interessieren – all die Probleme und Unzulänglichkeiten in Ihren Prozessen sowie die Art und Weise, wie Sie bisher damit umgehen. Hier kommt der Firmenrundgang ins Spiel. In einer gut vorbereiteten Präsentation lassen sich Schwächen leicht kaschieren. In einem Rundgang durch Ihre Räumlichkeiten kommen Ihre Gesprächspartner aber zwangsläufig mit Ihren tatsächlichen Abläufen in Kontakt – und das hat schon so manche Schwachstelle offenbart.
Umgekehrt hat der ERP-Anbieter kaum eine Möglichkeit, hinter die Kulissen Ihrer Außendarstellung zu blicken. Er kann noch so oft Ihre Website oder Ihre Briefing-Unterlagen studieren – Ihre internen Prozesse bleiben ihm dennoch verborgen. Um ein konkretes Beispiel aus der Praxis zu nennen: Nach Ansicht der Unternehmens-Website eines potentiellen Kunden waren die beteiligten ERP-Berater der Meinung, dass es sich um einen Serienfertiger handelte, der Standardprodukte anbietet. In Wirklichkeit hat das Unternehmen allerdings Produkte mit der Stückzahl Eins im One-Piece-Flow-Verfahren produziert. Prozesse, die aus der Serienfertigung bekannt sind, kamen hier gar nicht zur Anwendung. Ohne eine Führung durch die Werkshalle hätten die Kollegen den ERP-Workshop also womöglich auf einer falschen Prämisse aufgebaut.
Zeit für Smalltalk – Wie sieht es auf der persönlichen Ebene aus?
Genau wie im Privatleben gilt auch im Geschäftsbereich: die Chemie muss stimmen. Viele Entscheider vergessen das leider. Sie reduzieren die Entscheidung für den geeigneten ERP-Anbieter rein auf das Rationale und lassen die persönliche Ebene dabei außen vor. Das kann jedoch den Erfolg des ERP-Projekts gefährden. Vergessen Sie nicht: Ihr Team und die Mitarbeiter des ERP-Dienstleisters werden im Laufe des Projekts eng zusammenarbeiten. Gute Beziehungen sind hier Pflicht. Wenn die Projektbeteiligten Antipathien füreinander hegen, kommt es unweigerlich zu Verzögerungen und Konflikten. Sparen Sie sich ein solches Chaos lieber.
Ein Firmenrundgang noch vor dem ersten Workshop gibt beiden Seiten, dem Unternehmen und dem ERP-Anbieter, die Gelegenheit, sich ein Bild von der Unternehmenskultur des jeweils anderen zu machen – und sich gegenseitig zu „beschnuppern“. Im Gegensatz zu einer durchstrukturierten Präsentation ergibt sich bei einem Rundgang schneller die Gelegenheit, Smalltalk zu halten. Diese lockeren Gespräche sind Gold wert, um die zwischenmenschliche Ebene einzuschätzen.
Nehmen Sie aber auch den Nachteil in Kauf
Ein Firmenrundgang ist ein nützliches Werkzeug für ERP-Entscheider, das die Vorteile des Anbieter-Briefings noch verstärkt. Aber natürlich gibt es auch Nachteile. Die größte Schwäche eines Firmenrundgangs ist, dass er die Dauer des Anbieter-Briefings noch einmal verlängert. Wir reden hier immerhin nicht von einer kurzen Führung durch Ihr Büro. Sie besuchen alle Abteilungen, sprechen mit den Verantwortlichen und führen wichtige Abläufe vor. Das dauert seine Zeit – ein bis zwei Stunden sollten Sie für den Rundgang also schon einplanen. Multiplizieren Sie diesen Aufwand mit der Anzahl der Anbieter auf Ihrer Shortlist und Sie sind schnell bei einem zusätzlichen Tag Arbeitsausfall für Ihr Projektteam. Das kann gerade kleineren Unternehmen wehtun.
Allerdings ist dieser Aufwand ausgesprochen gut investiert. Denn bedenken Sie eins: Wenn Sie an der falschen Ecke sparen und einen ungeeigneten ERP-Anbieter auswählen, kostet Sie das auf lange Sicht weit mehr.
„Trau schau wem“ – dieses alte Sprichwort für die Partnerwahl lässt sich auch auf Geschäftsbeziehungen übertragen. Wenn Sie wissen wollen, ob ein ERP-Anbieter wirklich zu ihnen passt, sollten Sie also genau hinschauen – am besten im Rahmen eines Anbieter-Briefings mit Firmenrundgang.