Zu den größten Vorzügen einer ERP-Lösung gehört die Möglichkeit, alle wichtigen Geschäftsprozesse innerhalb eines zentralen Software-Pakets abzudecken. Anstelle isolierter Business-Applikationen nutzen Anwender fachspezifische ERP-Module. Diese Module sind innerhalb des ERP-Systems miteinander verknüpft, sodass ein hohes Maß an Daten- und Prozesssicherheit gewährleistet ist. Auch externe Software-Lösungen profitieren von dieser Verknüpfunwig, sofern sie per Schnittstelle an das ERP-System angeschlossen sind.
Allerdings arbeiten viele Unternehmen nach wie vor mit isolierten Insellösungen. In solchen Organisationen nutzt fast jeder Fachbereich sein eigenes Tool, losgelöst von den Kolleginnen und Kollegen aus anderen Abteilungen.
Dieser Ansatz hat zwar in manchen Situationen auch Vorteile. Aber meistens führt er dazu, dass abteilungsübergreifende Prozesse ressourcenintensiver sind, als sie es eigentlich sein müssten.
Warum Insellösungen noch nicht aus der Mode gekommen sind
Unternehmen, die eine Vielzahl einzelner Software-Lösungen ohne ERP-Anbindung nutzen, haben dafür natürlich ihre Gründe. In der Praxis stoßen wir in aller Regel auf eines der folgenden drei Szenarien:
1.) Einzelne Software-Applikationen sind unverzichtbar:
Manche Unternehmen arbeiten mit hochspezialisierten Software-Paketen, die auf einzelne Arbeitsbereiche oder Branchen zugeschnitten sind. Dazu zählen beispielsweise CRM-Systeme, Qualitätsmanagement-Software oder CAD-Tools.
Da diese Applikationen nur einen einzigen Unternehmensbereich abdecken, bringen sie natürlich auch eine entsprechend ausgeprägte Funktionstiefe mit. Kein ERP-System der Welt kann da mithalten, ganz gleich wie hoch sein Leistungsumfang auch sein mag. Deswegen sind solche dedizierten Lösungen für bestimmte Bereiche einer Organisation nicht eins-zu-eins durch ERP-Software ersetzbar.
Sobald mehrere Mitarbeiter abteilungsübergreifend und regelmäßig mit einer Anwendung arbeiten, behindern Insellösungen so gut wie immer die Prozesse eines Unternehmens.
2.) Die Macht der Gewohnheit:
Andere Unternehmen halten an ihrer Sammlung von Insellösungen fest, weil ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter es so wollen. „Menschen sind Gewohnheitstiere“, dieser alte Spruch ist auch im IT-Bereich sehr treffend. Wenn die bestehende Software-Landschaft auch noch individuell an abteilungsinterne Vorgänge angepasst wurde, kommt es bei Änderungen des Status Quo schnell zu Widerständen aus der Belegschaft.
Gerade erfahrene Mitarbeiter sehen keinen Grund darin, sich von einem System zu trennen, das in ihren Augen schon seit Jahren einwandfrei funktioniert. Daher spielt in solchen Unternehmen das Change Management bei der ERP-Einführung eine sehr große Rolle.
3.) In gewachsenen Software-Landschaften fallen Effizienzverluste zunächst nicht auf:
Einigen Unternehmen ist gar nicht bewusst, dass ihre Prozesse durch den Einsatz multipler isolierter Insellösungen ineffizient geworden sind. Sie haben im Laufe der Jahre ein System nach dem anderen eingeführt, ohne dass es zu Problemen kam. Mit jeder zusätzlichen Applikation wurde die interne Prozesskoordination ein Stück langsamer.
Aber da dieser Effekt erst nach und nach eintritt, fällt er zunächst nicht auf. Erst eine vollständige Analyse der Prozesslandschaft offenbart die ganze Wahrheit.
Mit isolierten Insellösungen verschwenden Unternehmen wertvolle Ressourcen
Ganz gleich warum ein Unternehmen auf eine Insellandschaft aus Software-Applikationen setzt: Früher oder später kommt keine Organisation darum herum, ihre IT-Infrastruktur mit einem ERP-System zu verknüpfen.
Sind nur wenige Insellösungen im Einsatz, kann das durchaus in Ordnung sein. In Ausnahmefällen mit geringem Datenvolumen lässt sich die abteilungsübergreifende Kommunikation auch auf manuellem Weg effizient gestalten. Bei einer ganzen Software-Landschaft aus Insellösungen sollte es aber Ziel sein, diesen Flickenteppich zu beseitigen. Das kann auf zwei Wegen passieren: Entweder Sie ersetzen die Software-Applikationen direkt durch ERP-Module oder Sie schaffen eine Integration besonders wichtiger Insellösungen in die Systemstruktur der ERP-Software.
Es ist eine Frage der Kalkulation: dauerhafter Mehraufwand oder einmaliger Invest?
Das entscheidende Problem von Software-Flickenteppichen ist, dass die einzelnen Systeme nicht effizient untereinander kommunizieren können. Es kommt zu Medienbrüchen, die sowohl Daten- als auch Prozesssicherheit unterwandern. Diese Brüche verzögern Prozesse, da wesentlich mehr Abstimmung und Kommunikation zwischen den Fachbereichen nötig wird. Unternehmen, die fast ausschließlich auf Insellösungen setzen, verschwenden deshalb wertvolle Ressourcen.
Insellösung oder ERP-System – eine Frage von Kosten und Nutzen
Ab wann eine Insellandschaft zur Ressourcenverschwendung führt, lässt sich allerdings nicht pauschal sagen.
Es ist durchaus möglich, dass ein Unternehmen ein halbes Dutzend Insellösungen nutzt, ohne dass dies zu verzögerten Abläufen führt. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn die einzelnen Software-Tools kein integraler Teil des Tagesgeschäfts sind, sondern nur sporadisch zum Einsatz kommen. Oder wenn die dort entstehenden Daten nur für eine einzelne Abteilung von Bedeutung sind.
Sobald mehrere Kolleginnen und Kollegen abteilungsübergreifend und regelmäßig mit einer Software-Anwendung arbeiten, sieht die Sache anders aus. Dann behindern Insellösungen erfahrungsgemäß so gut wie immer die Prozesse innerhalb eines Unternehmens.
Nutzt der Vertrieb beispielsweise ein eigenes CRM-System, auf das andere Bereiche keinen Zugriff haben, führt dies zu einem Übermaß an Abstimmung. Verändert der Vertrieb z. B. etwas an einem Kundendatenstamm, bekommen das die Kolleginnen und Kollegen aus der Auftragsabwicklung nur dann mit, wenn sie darüber gesondert informiert werden.
Im Grunde geht es hier um eine Kosten-Nutzen-Rechnung. Auf der einen Seite verursacht ein Flickenteppich aus Insellösungen zusätzlichen Koordinationsaufwand. Auf der anderen Seite bringt ein ERP-System Kosten mit sich.
Der Vergleich gelingt nur, wenn Sie das große Ganze betrachten. Analysieren Sie, wieviel Zeit Ihre Mitarbeiter jeden Monat damit verbringen, Daten manuell zwischen isolierten Software-Anwendungen zu verschieben. Beachten Sie auch, dass verzögerte Abläufe weitere negative Effekte mit sich bringen können. Beispielsweise sinkt die Kundenzufriedenheit, wenn Anfragen an den Support zu spät beantwortet werden.
Diese Abschätzung vergleichen Sie anschließend mit den Kosten eines neuen ERP-Systems oder dem Aufwand der Integration an Ihre bestehende ERP-Lösung. Das sollte Ihnen eine solide Entscheidungsbasis bieten.
Vergessen Sie nicht den Faktor Mensch
Entscheiden Sie sich für ein ERP-System, sollte Ihnen allerdings eines bewusst sein: Auch wenn Ihr Software-Flickenteppich einige Mitarbeiter frustriert, ist es nicht unüblich, bei der ERP-Einführung auf Widerstand zu stoßen. Viele Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben sich an den Status Quo gewöhnt und sind nicht ohne Weiteres gewillt, sich in ein neues System einzuarbeiten.
Generationenkonflikte sind in solchen Fällen keine Seltenheit. Um ihnen entgegen zu wirken, müssen Sie bei Ihrem Change Management Geschick beweisen. Bewährt hat es sich beispielsweise, erfahrene Kollegen nicht ins kalte Wasser zu stoßen, sondern ihnen Aufgaben zuzuweisen, die keinen intensiven Kontakt mit dem neuen ERP-System erfordern.
Ist dies in Ihrem Unternehmen nicht möglich, helfen klärende Gespräche, in denen Sie den erfahreneren Fachkräften die Vorteile der Software persönlich vermitteln. Dazu bieten solche Gespräche die Möglichkeit, Ängsten (z. B., was die Ersetzbarkeit von Personen betrifft) und anderweitigen Vorbehalten entgegenzuwirken.
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