Die Warenwirtschaft – auch Materialwirtschaft genannt – beschäftigt sich mit der Verwaltung, Planung und Steuerung von Materialbewegungen. Dabei bezieht sie sich nicht nur auf Warenbewegungen innerhalb eines Unternehmens. Sie betrachtet auch den Warenfluss zwischen Unternehmen und deren Umwelt. Sie regelt den Materialverkehr zwischen Zulieferern, Kunden, der Produktion (sog. Bedarfsträger) sowie den Lagern. In produzierenden Unternehmen sichert sie die Versorgung mit Produktionsfaktoren (Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Zulieferteile und mehr) sowie indirekten Gütern (Bürobedarf, Ersatzteile oder Services).
Ziele und Zielkonflikte der Warenwirtschaft
Die Materialwirtschaft verfolgt verschiedene Ziele, die miteinander in Einklang gebracht werden müssen. Als Sachziel steht die Bereitstellung geeigneter und benötigter Güter. Dieses Ziel wird als materielle Liquidität bezeichnet. Das Formalziel der Warenwirtschaft ist das Finden und Nutzen etwaiger Einsparungspotenziale und die nachfolgende Kostenoptimierung. Ein weiterer wichtiger Bereich ist die Lagerverwaltung und die damit verbundene Suche nach Möglichkeiten, eine Reduzierung des gebundenen Kapitals zu erreichen. Dies erfolgt in erster Linie durch eine Reduzierung der Lagerbestände. Als Sozialziel gewinnt zudem der Umweltschutz immer mehr an Bedeutung. Dies gilt sowohl im Hinblick auf verschärfte Regularien als auch vor dem Hintergrund der Außendarstellung des Unternehmens.
Die Organisation des Materialflusses als Funktion der Warenwirtschaft
Auch für den reibungslosen Materialfluss ist die Warenwirtschaft essenziell. Dies betrifft die Beschaffungsstrategie mit Bedarfsermittlung und Beschaffungsmarktforschung. Auch die Logistik, Lagerung und die Optimierung des innerbetrieblichen Transports – z. B. hin zur Produktion – werden hiervon berührt. Im Allgemeinen wird zwischen drei Arten der Warenwirtschaft unterschieden:
- integrierte Materialwirtschaft mit Beschaffung, Lagerung, Transport und Entsorgung,
- erweitert integrierte Materialwirtschaft (zusätzlich: Fertigungsplanung und -steuerung)
- total integrierte Materialwirtschaft (die zusätzlich die Distribution betrachtet).
Ablauf der Materialverwaltung: Objekte
Die Materialwirtschaft ist für alle produktbezogenen Stoffe und Bauteile, Roh- und Hilfsstoffe relevant. Des Weiteren umfasst sie Halbfabrikate, also einsatzfähig zugelieferte Komponenten, unfertige und Fertigerzeugnisse aus Eigenproduktion sowie die mittelbar einfließenden Materialien. Zu den letzteren zählen vor allem Betriebsstoffe und Ersatzteile aller Art. Ebenfalls im Rahmen der Warenwirtschaft zu berücksichtigen sind Verschleiß- und Abfallstoffe. Oftmals wird auch Ausschuss bzw. Verschnitt, der während der Produktion anfällt, zu diesem Bereich hinzugezählt. Dabei spielen auch Aspekte wie die Entsorgung und das Recycling eine immer wichtigere Rolle. Sogenannte Kuppelprodukte, die speziell in prozessorientierten Produktionen anfallen, sind darüber hinaus auch zu berücksichtigen. Hierbei kann es sich um wiederverwendbare Güter (z. B. Wärme) oder auch zu entsorgende Materialien (etwa Sondermüll) handeln. Weiterhin schließt der Bereich Materialwirtschaft Handelswaren, Dienstleistungen und andere immaterielle Güter und Lagerkapazitäten für Bürobedarf und Ähnliches ein.
Disposition und Materialbeschaffung
Auch der Bereich der Disposition ist von der Warenwirtschaft abhängig. Im Gegenzug werden jedoch auch Prozesse in der Warenwirtschaft durch die Disposition beeinflusst. Je nach System, welches im betreffenden Unternehmen zur Anwendung kommt, benötigt diese Abteilung unterschiedliche Zahlen. Bei einer bedarfsgesteuerten Disposition liefert die Warenwirtschaft Zahlen zu fertiggestellten Produkten. Die Disposition nutzt diese Werte und kann auf diesem Wege Aussagen über die Menge der Materialien treffen, die zur Produktion dieser Erzeugnisse benötigt werden. Wird im Unternehmen jedoch eine verbrauchsgesteuerte Disposition angewendet, liefert die Warenwirtschaft die Mengen der erzeugten Produkte. In diesem Falle trifft die Disposition Aussagen darüber, welche Mengen zukünftig benötigt werden.
Abgrenzung, Integration und Hilfsmittel
Die Warenwirtschaft besitzt Schnittmengen mit vielen anderen Funktionsbereichen. Eine wichtige Schnittstelle besteht zum Enterprise Ressource Planning (ERP). Im Einzelhandel, von Onlineshop-Betreibern bzw. im E-Commerce sowie in vielen anderen Bereichen der Material- bzw. Warenwirtschaft werden oft ERP-Lösungen oder Warenwirtschaftssysteme (WaWi) eingesetzt. Diese dienen dazu, die Arbeitsabläufe und Auftragsabwicklung zu optimieren. Im Bereich der Warenwirtschaft sind, je nach Anspruch und Budget, verschiedene Lösungen zu finden. Kleinere Unternehmen nutzen meist kostenlos verfügbare Lösungen in Tabellenform. Auch spezielle Softwarelösungen für Disposition und Logistik sind gängige Lösungen in der Praxis. Letztere können darüber hinaus noch webbasiert sein oder über eine Anbindung an die Cloud verfügen.
Lagerhaltung, Logistik und Wertschöpfungskette
Eine weitere wichtige Überschneidung besteht zwischen Materialwirtschaft und Logistik. Die Logistik beschäftigt sich mit allen außerbetrieblichen Güter- und Informationsströmen. Die Warenwirtschaft hingegen konzentriert sich auf Material- und Datenströme innerhalb des Betriebs. Die Aufgabenfelder sind variantenreich und beinhalten – wie bereits erwähnt – u. a. die Beschaffung, Lagerhaltung sowie den innerbetrieblichen Transport. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls das Supply-Chain-Management (SCM) von Bedeutung. Als prozessorientierter Managementansatz umfasst es alle Flüsse von Rohstoffen, Bauteilen, Halbfertig- und Endprodukten. Daneben gelten jedoch auch Informationen als werthaltiger Teil der sogenannten der Zulieferpyramide („Supply Pyramid“) und der Liefer- und Wertschöpfungskette („Supply Chain“). Ziel des Supply Chain Management (SCM) ist die ganzheitliche Ressourcenoptimierung.
Finanzbuchhaltung und Controlling
Die Warenwirtschaft ist üblicherweise mit der Finanzbuchhaltung sowie dem internen Rechnungswesen bzw. dem Controlling verbunden. Dies geschieht vor allem im Hinblick auf die Materialbestandsbewertung, die mit dem Einstandspreis oder dem gleitenden Durchschnittspreis (GLD-Preis) erfolgt. Im Falle der Eigenfertigung wird zu diesem Zweck auch der kalkulierte Stückpreis betrachtet. Der bewertete Materialverbrauch bzw. die Materialausbeute ist u. a. notwendig, um die Preis- und Mengenabweichung bei Fertigungsaufträgen zu berechnen. Das Produktionscontrolling kalkuliert zudem die Ist-Kosten der Eigenfertigung von Halbfabrikaten und Enderzeugnissen.