Sie haben das Lastenheft verfasst, den passenden Anbieter ausgewählt und das ERP-System im Unternehmen implementiert – das ERP-Projekt ist damit zu Ende, nicht wahr?
Da liegen Sie leider falsch. Der wichtigste Schritt kommt erst noch: Die Schulung. Sie müssen Ihren Mitarbeitern erst noch beibringen, wie sie die ERP-Lösung im Tagesgeschäft einsetzen.
Auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht: die Schulung ist keine Formalität. Sie haben es hier mit einer wichtigen Phase der ERP-Einführung zu tun. Gut trainierte Anwender fügen die ERP-Lösung nahtlos in ihre Arbeitsabläufe ein – schlecht geschulte Mitarbeitende brauchen dagegen deutlich länger um sich daran zu gewöhnen. Im schlimmsten Fall regen sich kurz vor der Ziellinie noch Widerstände im Team.
Nehmen Sie die Schulung also nicht auf die leichte Schulter!
Zuerst schulen Sie die Key-User
Wir sprechen zwar von „der Schulung“, aber eigentlich haben wir es mit zwei verschiedenen Trainings zu tun: der Grundschulung und der Mitarbeiterschulung. Beide finden in unterschiedlichen Phasen der ERP-Einführung statt und dienen jeweils einem anderen Zweck.
Die Grundschulung führen Sie vor Beginn der technischen Umsetzung durch – parallel zur Erstellung des Pflichtenhefts durch den Anbieter. Sie bereitet das Projektteam auf die Implementierung vor. Im Rahmen dieses Training erhalten Ihre Key-User von Coaches des ERP-Anbieters einen Überblick über das System, das User Interface und die wichtigsten Funktionen.
Das Ziel der Grundschulung ist, die Key-User in die Lage zu versetzen, das ERP-Projekt fachlich zu unterstützen (z. B. bei der Prozessanalyse oder der Datenmigration). Key-User bilden die Schnittstelle zwischen der ERP-Software und den Geschäftsprozessen des Unternehmens. Diese Aufgabe können sie jedoch nur erfüllen, wenn sie Expert*in für beide Seiten sind – ein Aspekt, der auch für die spätere Mitarbeiterschulung relevant ist.
Bei der Grundschulung handelt es sich übrigens nicht um ein einmaliges Ereignis. Die Key-User erhalten über die gesamte Implementierung hinweg Trainings und Support – bis sie schließlich am Ende des Projekts zu echten Experten werden.
Die Schulung der Anwender*innen erfolgt erst später
Wenn die Implementierung der ERP-Lösung zu Ende geht, haben die Key-User also umfangreiche Kenntnisse über die Software erworben. Das gilt jedoch nicht für den Rest Ihrer Mannschaft – die eigentlichen Anwender*innen. Deshalb folgt im Anschluss an die technische Umsetzung die Mitarbeiterschulung.
Die Mitarbeiterschulung übernimmt selten der ERP-Anbieter. Stattdessen geben die Key-User ihr gesammeltes Wissen an ihre Kolleg*innen weiter. Es handelt sich also um ein zweistufiges System: der Implementierungspartner schult die Key-User – die Key-User schulen die Endanwender.
Dieser Ansatz mag auf den ersten Blick unkonventionell erscheinen, aber er hat durchaus seine Vorteile. Auf der einen Seite sinken die externen Kosten für Sie als Unternehmen. Sie müssen den Anbieter nur für die Schulung der Key-User bezahlen. Sobald diese das ERP-System beherrschen, können Sie alles Weitere intern erledigen. Ihre externen Kosten hängen also nicht von der Anzahl der zu schulenden Anwender*innen ab.
Auf der anderen Seite bedeuten Schulungen, interne Workshops und Fragestunden einen höheren Arbeitsaufwand für Ihre Key-User. Der externe Aufwand sinkt somit zwar, aber der interne Aufwand steigt. Das sollten Sie bei Ihrer Kalkulation im Hinterkopf behalten.
Interne Schulung durch Key-User
Ein weiterer Vorteil: bei internen Schulungen besteht nur eine geringe Distanz zwischen den Teilnehmenden. Die Key-User wissen genau, mit welchen Herausforderungen ihre Kollegen Tag für Tag zu kämpfen haben. Sie können die Schulung individuell an das Team anpassen und wahrscheinliche Fragen bereits im Vorfeld klären. Das ist deutlich effektiver als ein Workshop mit einem externen Coach, der das Unternehmen und seine Kultur nicht kennt.
Zudem können interne Schulungen dazu beitragen, Widerstände der Mitarbeitenden zu senken. Viele Menschen sind einem ERP-System gegenüber skeptisch – im Hintergrund steht immer die Angst ersetzt zu werden. Externe ERP-Coaches verstärken diese Angst nur. Ein vertrauter Kollege kann dagegen aus einer Position des Vertrauens heraus agieren und Skepsis abbauen.
Schlechte Schulungen gefährden die ERP-Einführung
Schulungen sind keineswegs nur ein Nebenschauplatz der ERP-Einführung. Sie haben großen Einfluss auf den Erfolg Ihres ERP-Projekts. Gut durchgeführt sorgen Schulungen dafür, dass alles reibungslos über die Bühne geht. Schlecht geschulte Anwender*innen bedeuten allerdings Effizienzverluste, höhere Support-Kosten und Widerstand der eigenen Mitarbeitenden. Sparen Sie also nicht am falschen Ende.
Anwender*innen zu schulen ist der Abschluss der ERP-Einführung. Bis Sie dort ankommen, haben Sie noch viele andere kleine und große Schritte vor sich. Wenn Sie wissen möchten, wie ein komplettes ERP-Projekt aussieht, ist unser neues Whitepaper „Die ERP-Einführung von A bis Z – So läuft das ERP-Projekt rund“ die richtige Lektüre für Sie. Es geht von Anfang bis Ende alle Schritte durch.