Immer mehr Unternehmen beschließen, ihr Projektmanagement-Tool in Rente zu schicken und den Aufgabenbereich stattdessen im ERP-System abzubilden. Ein logischer Schritt. Aber wenn Sie diesen Prozess nicht weiterdenken, verschenken Sie wertvolle Synergieeffekte.
Projektmanagement ist schließlich nur eine Teilaufgabe der übergreifenden Projektabwicklung. Dazu gehören unter anderem noch die operative Implementierung, Kundenbetreuung, Finanz- und Rechnungswesen sowie vor- bzw. nachgelagerte Prozesse wie vertriebliche Akquise oder Realisierung von Cross- bzw. Upselling-Potentialen. Es ergibt kaum Sinn, nur einen Teil dieser Abläufe im ERP-System abzubilden. Je mehr Software-Lösungen involviert sind, desto höher die koordinationsbedingten Reibungsverluste.
Das effizientere Vorgehen besteht darin, die komplette Projektabwicklung in das ERP-System zu verlagern – nicht nur Planung und Steuerung, sondern auch die operative Durchführung.
ERP-Systeme können den kompletten Projektverlauf abbilden
Der Funktionsumfang eines modernen ERP-Systems ist in den meisten Fällen groß genug, um den kompletten Verlauf eines Projekts abzubilden. Dazu zählen:
- Produktionsprojekte,
- Dienstleistungsprojekte oder
- Serviceprojekte
Betrachten wir beispielsweise die typischen Phasen eines Kundenprojekts.
1. Vorgelagerte Prozesse
Vor dem Start des Projekts hat der Vertrieb bereits einiges geleistet. Im Rahmen der Kundenakquise hat er Leads generiert, Web-, Telefon- und Präsenzmeetings durchgeführt, Angebote erstellt und schließlich einen Auftrag des Kunden an Land gezogen. Für all diese Schritte haben die Sales-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter die CRM-Funktionalität des ERP-Systems verwendet. Diese dient nicht nur als Organisationhilfe, sondern dokumentiert auch alle Prozesse und Kommunikationsinhalte.
Obwohl diese Vertriebsläufe technisch gesehen nicht Teil des Projekts sind, haben sie in diesem Zusammenhang trotzdem Relevanz. Viele moderne ERP-Systeme trennen CRM und Projektmanagement nicht strikt voneinander. Ein akzeptiertes Angebot wird direkt zu einem Projekt und muss nicht neu angelegt werden. Alle Informationen und Dokumente aus dem Vertriebsprozess, z. B. Lastenhefte, Anforderungsanalysen oder Lösungskonzepte, stehen für die weitere Projektabwicklung zur Verfügung.
2. Projektplanung
Der nächste Schritt besteht darin, das Projekt zu initialisieren und zu planen. Das ist die Aufgabe des Projektmanagements. Es erstellt zunächst einen Projektstrukturplan, aus dem sich Arbeitspakete ableiten. Im Rahmen der Termin- und Ablaufplanung ordnet das Team diese Arbeitspakete zeitlich an und skizziert so den gesamten Projektverlauf. Anschließend folgen die Ressourcenplanung, also die Buchung von Personal, Maschinen und Anlagen für Aufgabenpakete und Zeitslots, sowie die Erfassung der voraussichtlich anfallenden Kosten im Kontext der Budgetplanung.
All diese Schritte sind Teil des Funktionsumfangs eines modernen ERP-Systems. Die ERP-Lösung:
- unterstützt das Projektmanagement bei der Planung,
- erstellt Aufgabenpakete, auf die operative Anwender direkt innerhalb der Software zugreifen können,
- ergänzt logische und zeitliche Abhängigkeiten innerhalb des Termin- und Ablaufplans,
- verhindert, dass Menschen, Maschinen oder Anlagen für einzelne Zeitslots mehrfach gebucht werden (auch über multiple Projekte hinweg) und
- unterstützt die Budgetplanung, indem sie den vorberechneten Ressourcenverbrauch monetär abbildet.
- behandelt in ihren ERP-Prozessen auch
Tätigkeiten, die nichts mit dem Projektprozess zu tun haben (z. B.
Dispositionen, Schnittpunkte zur Konstruktionsabteilung, etc.). Das Projekt
fügt dabei zusätzliche Prozesspunkte hinzu, die über die ERP-Prozesse
hinausgehen. In Kombination erreichen wir einen konkreten Mehrwert, in dem fixe
ERP-Prozesse mit vom Projekt abhängigen Prozessen verknüpft werden. Daraus
ergibt sich eine höhere Flexibilität sowohl für den Anwender als auch das
Unternehmen: Während die ERP-Prozesse immer gleich sind, sind die
Projektprozesse in gewisser Hinsicht flexibel. In einem Unternehmen werden
mehrere Projektarten durchgeführt (z. B. Kleinprojekte und Großprojekte,
Kundenprojekte oder Organisationsprojekte): Alles diese Projektformen sind über
einen eigenen Projektstrukturplan (PSP) als Vorlage abbildbar und werden
anschließend mit den dazu passenden ERP Prozessen verknüpft.
Es ist ohne weiteres möglich, die Projektabwicklung komplett im ERP-System abzubilden.
3. Projektdurchführung
Sobald der komplette Projektplan steht, kann die Umsetzung beginnen. Hierzu können Projektverantwortliche Produktionsaufträge direkt über das ERP-System anstoßen, ohne die Software zu wechseln. Die Aufträge fließen als Input in den PPS-Bereich der ERP-Lösung ein und landen gegebenenfalls über Schnittstellen in angebundenen Systemen (z. B. im APS).
Ebenfalls involviert ist das ERP-interne Dokumentenmanagement. Es verwaltet produktionsrelevante Daten wie Stücklisten, Detailpläne oder Konstruktionszeichnungen und stellt sie allen Stationen des Fertigungsprozesses zur Verfügung.
4. Projektsteuerung
Umgekehrt fließen Daten zu Monitoring-Zwecken auch zurück an das Projektmanagement. Das Zeiterfassungssystem der Produktionsabteilung ist über das ERP-System mit dem Projekt verknüpft. Buchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Zeiten, wird der Projektverlauf entsprechend aktualisiert.
Das Gleiche gilt für die Projektkostenverfolgung. Die geleistete Arbeitszeit wird monetär verrechnet und vom Budget abgezogen. Dabei findet eine aktive Zeitkontrolle statt. Die Kolleginnen und Kollegen wissen jederzeit, wie viele Stunden ihnen zur Verfügung stehen und welchen Anteil sie bereits verbraucht haben. Überschreiten sie das Zeitbudget, muss das Projektmanagement zusätzliche Stunden zunächst freigeben.
Falls Kunden oder die Buchhaltung Tätigkeitsnachweise für geleistete Stunden fordern, kann das ERP-System die benötigten Dokumente automatisch erstellen und weiterleiten bzw. ausdrucken.
Dashboards mit entsprechenden Auswertungen zeigen den Projektfortschritt sowie die relevanten Projektkennzahlen.
5. Projektabschluss
In der Regel schließt ein Projekt mit einer Kennzahlenanalyse und einer Nachkalkulation der entstandenen Kosten. Für diesen Projektreview ist ein ERP-System wie geschaffen, denn Dokumentation gehört zu seinen Hauptaufgaben. Die gleichen Dashboards, die im laufenden Projekt für Übersicht sorgten, liefern auch die Datenbasis für die Nachbetrachtung. Dabei unterstützen auch Checklisten, mit denen der Projektreview nach Vorgaben möglich ist und die entweder direkt im Projektmodul des ERP-Systems oder in einem integrierten Dokumentenmanagement (DMS) abgelegt werden.
Es ist durchaus möglich, die Projektabwicklung komplett im ERP-System abzubilden. Die einzelnen Aufgabenbereiche gehören ohnehin zum üblichen Funktionsumfang einer modernen ERP-Lösung.
Was ist der Mehrwert?
Es ist also möglich, den Ablauf eines gängigen Projekts komplett über das ERP-System zu steuern und zu koordinieren. Aber ist es auch sinnvoll?
Betrachten wir das Ganze doch einmal aus drei verschiedenen Perspektiven:
- Unternehmen
- Projektmanagement
- Projektmitarbeiter
Aus Sicht des Unternehmens wird die Projektabwicklung effizienter und transparenter. Ein Netzwerk aus spezialisierten Insellösungen ist zwar in der Lage, alle Projektabläufe abzubilden. Die Koordination der einzelnen Aufgabenbereiche verursacht jedoch Reibungsverluste, die wiederum unnötigen Mehraufwand mit sich bringen. Diese Reibungsverluste entfallen mit einem ERP-System als zentrale Koordinationsinstanz. Zudem gehen keine Informationen mehr verloren. Der Datenbestand des Projekts fließt in einem gemeinsamen Pool zusammen und ist jederzeit abrufbar.
Die Aufgabe des Projektmanagements wird leichter, weil das ERP-System Routineaufgaben automatisiert. Ihre Projektmanagerinnen und -manager sind nicht länger damit beschäftigt, Zahlen aus verschiedenen Unternehmensbereichen anzufordern und manuell in eine Software-Maske einzutragen. Das geschieht nun automatisch. Der Job des Projektmanagements verschiebt sich dadurch – weg von der Datenverwaltung und hin zur Entwicklung von Problemlösungsstrategien. Erfahrungsgemäß empfinden die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diese Entwicklung als positiv.
Das operative Projektteam profitiert von sinkendem Dokumentationsaufwand, denn es muss nicht länger in multiplen Software-Umgebungen arbeiten. Das ERP-System wird zum zentralen Informations-Dashboard. Alle Arbeitsanweisungen kommen über ERP herein und auch die Zeiterfassung läuft über die gleiche Maske. Es gibt keinen lästigen Toolwechsel mehr. Stattdessen können sich die operativen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wieder auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren.
Zusammengefasst
Es ist ohne weiteres möglich, die Projektabwicklung komplett im ERP-System abzubilden. Die einzelnen Aufgabenbereiche, wie Produktion, Rechnungswesen oder Projektmanagement, gehören zum üblichen Funktionsumfang einer modernen ERP-Lösung. Die Herausforderung besteht eher in der Koordination. Doch auch hier sind ERP-Systeme mittlerweile gut aufgestellt, gerade was das Projektmanagement angeht.
Vorteil des ERP-zentrierten Ansatzes ist in erster Linie der sinkende Koordinationsaufwand. Da alle Planungs- und Steuerungsaufgaben komplett über das ERP-System laufen, gibt es auch keine Reibungsverluste durch die Verwendung multipler Software-Tools mehr. Zusätzlich steigt die Transparenz, denn alle Projektdaten laufen in einem gemeinsamen Datenpool zusammen.
Aber: Vergessen Sie nicht den Faktor Mensch. Auf der technischen sowie der Prozesseben mag Ihr ERP-System dazu in der Lage sein, ein Projekt komplett abzuwickeln. Die Effizienz des Ganzen hängt jedoch davon ab, wie gut Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit der Software zurechtkommen. Achten Sie also bei der ERP-Auswahl darauf, dass die Usability stimmt. Unser Whitepaper „Wie ich als Nutzer ein gutes ERP-System erkenne“ hilft Ihnen dabei, den Anwenderkomfort schon im Vorfeld einzuschätzen.