Oberflächlich betrachtet ist ein ERP-System nur eine, zugegebenermaßen komplexe Software-Applikation. Der Gedanke liegt nahe, mit der Implementierung einfach die IT-Abteilung zu beauftragen. Wer kennt sich besser mit der eigenen Software-Landschaft aus?

Hier lauert jedoch ein Denkfehler. Eine ERP-Lösung ist zwar ein technisches Produkt. Aber die ERP-Einführung ist kein rein technisches Projekt. Es handelt sich vielmehr um einen Change-Management-Prozess.

Ein ERP-System dient dazu, Geschäftsabläufe zu koordinieren und zu unterstützen. Oder einfacher gesagt: Ein ERP-System unterstützt Menschen bei der Arbeit. Ihr Team interagiert tagtäglich mit der neuen ERP-Software. Anwenderakzeptanz und Prozessmodellierung sind daher enorm wichtige Faktoren bei der ERP-Einführung.

Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen, nicht die Technik. Und damit ist die IT nicht länger der beste Ansprechpartner.

 

Warum die IT das ERP-Projekt nicht verantworten sollte

Dass sich IT-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter nicht als Projektverantwortliche eignen, hat nichts mit dem Klischee des anti-sozialen Technik-Nerds zu tun, sondern mit der Position der IT im Organigramm.

Die meisten großen und mittelständischen Unternehmen arbeiten mit einer Vielzahl einzelner Software-Produkte, die auf die Anforderungen der verschiedenen Abteilungen zugeschnitten sind. Mitunter handelt es sich dabei um veraltete Legacy-Systeme mit hohem Pflegeaufwand.

Aufgabe der IT ist, diesen organisch gewachsenen „Flickenteppich“ zu betreuen und die Systeme am Laufen zu halten. Sie stellt den anderen Bereichen eine technische Infrastruktur bereit und bietet Support-Leistungen in Problemfällen. In den meisten Unternehmen ist die IT ein Hygienefaktor. Sie soll lediglich dafür sorgen, dass alles reibungslos funktioniert. Mit den Wertschöpfungsprozessen der Organisation kommt sie nur selten in Berührung.

Das äußert sich zum Teil sogar physisch. In Kundenprojekten erleben wir immer wieder, dass die IT räumlich von den anderen Abteilungen getrennt ist (z. B. im Keller). In solchen Fällen wissen die IT-Spezialisten natürlich nur wenig darüber, was außerhalb ihrer Domäne geschieht.

Die ERP-Einführung ist kein reines IT-Projekt, sondern ein Change-Management-Prozess. Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen, nicht die Technik.

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Die IT hat in der Regel kaum Einblicke in die Arbeitsprozesse ihrer Kolleginnen und Kollegen. Sie weiß nicht, was die anderen Abteilungen im Detail tun, vor welchen Probleme sie stehen (abgesehen von technischen) und wie einzelne Geschäftsabläufe bereichsübergreifend zusammenhängen.

Genau diese Perspektive ist aber kritisch für den Erfolg der ERP-Einführung. Ein gutes Projektteam muss die Prozessstruktur des Unternehmens genau verstehen und über den Tellerrand schauen können. Nur so kann es sicherstellen, dass die ERP-Lösung alle Geschäftsabläufe optimal unterstützt. Eine Abteilung, die keine Berührungspunkte mit dem Tagesgeschäft hat, kann dies nicht so einfach leisten.

 

Was ist die Aufgabe der IT im ERP-Projekt?

Trotz allem ist die IT-Abteilung stark in die ERP-Einführung involviert. Sie ist für den Projekterfolg sogar unverzichtbar, denn ungeachtet aller Change-Management-Aspekte ist ein ERP-System immer noch ein digitales Produkt. Die technische Umsetzung muss sitzen – und das ist wiederum die Aufgabe der Kolleginnen und Kollegen in der IT.

Die IT stellt die für den ERP-Betrieb notwendige Hardware bereit und konfiguriert alle Komponenten. Darüber hinaus ist sie auch für die Anbindung des ERP-Systems an die bestehende Software-Landschaft verantwortlich. Hierfür gibt es zwei Optionen:

  • Wenn das ERP-System ein bestehendes Tool ersetzt (etwa durch ein gleichwertiges ERP-Modul), überträgt die IT den kompletten Datenbestand in die ERP-Datenbank.
  • Falls eine Anwendung beibehalten werden soll, stellt die IT eine passende Schnittstelle bereit, an die das ERP-System anknüpfen kann.

Im Grunde hat die IT bei der ERP-Einführung die gleiche Aufgabe, die sie auch sonst im Unternehmen erfüllt: Sie verantwortet die technische Infrastruktur und unterstützt ihre Kolleginnen und Kollegen bei IT-Fragen.

Der stark technische Fokus der IT ist an dieser Stelle auch kein großes Hindernis, denn es sind noch weitere Personen an der ERP-Einführung beteiligt. Projektleitung und Key User sorgen bereits dafür, dass die neue ERP-Lösung die Anforderungen und Bedürfnisse aller Abteilungen abdeckt. Dadurch kann sich die IT auf den technischen Teil der Implementierung konzentrieren.

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Die IT-Abteilung hat eine tragende Rolle bei der ERP-Einführung. Aber sie sollte nicht alles alleine machen.

Was passiert nach der ERP-Einführung?

Es ist jedoch gefährlich, die IT ausschließlich als technischen Enabler des ERP-Projekts zu betrachten, denn nach GoLive ist sie für Pflege und Weiterentwicklung des ERP-Systems verantwortlich. Das Projektteam löst sich nach der Einführung auf und widmet sich wieder seinen ursprünglichen Aufgaben. Der IT-Abteilung steht es nur noch als fachlicher Ansprechpartner zur Verfügung.

Wartung und Pflege der ERP-Software sollte für die IT keine Herausforderung sein. Aber was passiert, wenn sich Abläufe ändern? Eigentlich müsste die IT alle betroffenen Prozesse und Workflows im ERP-System rekonfigurieren. Aber wie sollen die Kolleginnen und Kollegen ein System weiterentwickeln und pflegen, wenn sie dessen praktische Anwendung nicht nachvollziehen können?

Auf der anderen Seite wissen die Fachabteilungen meist nicht, wie ihre Prozesse ERP-seitig genau umgesetzt sind. Die Technik hinter der ERP-Software ist ihnen fremd. Solche Situationen provozieren Missverständnisse.

Aus diesen Gründen wäre es ideal, wenn ein Mitglied der IT-Abteilung von Beginn an federführend an der Umsetzung des ERP-Projektes beteiligt ist (wenn auch nicht unbedingt in der Rolle der Projektleitung). Je mehr die IT über die Abläufe der restlichen Organisation weiß, desto leichter fällt es ihr, Prozessänderungen technisch umzusetzen.

Zusammengefasst

Machen Sie nicht den Fehler, die ERP-Einführung als reine IT-Sache zu betrachten. Die wahre Herausforderung eines ERP-Projekts besteht darin, Prozessanforderungen mit Hilfe der Werkzeuge zu erfüllen, die das ERP-System bereitstellt.

Diese Aufgabe kann die IT nur schwer erfüllen, denn sie hat kaum Einblick in die Abläufe des Tagesgeschäfts. Als Projektverantwortlicher wird die IT-Abteilung zwangsläufig eine überwiegend technische Perspektive einnehmen, was dem Change-Management-Charakter der ERP-Einführung widerspricht.

Stattdessen sollte sich die IT auf die technischen Aspekte des ERP-Projekts konzentrieren: Bereitstellung und Konfiguration der Hardware, Schnittstellen-Management etc. Lassen Sie Ihre IT-Abteilung gemäß ihren Stärken agieren, statt ihr fachfremde Aufgaben zuzuweisen.

Doch übertreiben Sie es nicht. Die IT sollte ein vollwertiges Mitglied des Projektteams sein – zuständig für technische Aspekte, aber mit am Tisch, wenn Prozesse besprochen werden. Andernfalls riskieren Sie, dass Pflege und Wartung des ERP-Systems einer Abteilung zufallen, die den täglichen Einsatz der Software nicht nachvollziehen kann.

Die ERP-Einführung zur IT-Sache zu erklären ist nur einer der vielen Fehltritte, die im Laufe des ERP-Projektes passieren können. Wenn Sie mehr über die Stolpersteine wissen möchten, die es zu umgehen gilt, gibt Ihnen unser Whitepaper „Die 8 Todsünden eines ERP-Projekts“ ausreichend Lesestoff.