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ERP-Produktions-Guide

Alle Informationen zum Thema Produktion in Serie oder Einzelfertigung mit einem ERP-System.

Inhaltsverzeichnis

Produzierende Unternehmen erstellen fertige Produkte aus verschiedenen Materialien, Modulen und zugelieferten Komponenten. Deshalb bildet die Produktionsplanung und -steuerung (PPS) die zentrale Säule jedes Industrieunternehmens.Wir unterscheiden dabei zwei verschiedene Komponenten: Die Produktionsplanung beschäftigt sich (wie der Name schon sagt) mit der kurz- oder mittelfristigen Planung von Produktionsvorgängen. In der Produktionssteuerung geht es dagegen um die Steuerung und Freigabe von Aufträgen auf der Grundlage dieser Planung.Mithilfe des PPS-Moduls im Enterprise-Resource-Planning-System (ERP) wollen wir vor allem folgende Ziele erreichen:
  • Höhere Produktqualität
  • Mehr Informations-Transparenz
  • Geringere Durchlaufzeit
  • Höhere Termintreue
  • Mehr Flexibilität in der Produktion
  • Geringere Lagerbestände
  • Höhere sowie gleichförmige Kapazitätsauslastung

1. Diskrete versus prozessorientierte Produktion

In der Produktion unterscheiden wir zwischen diskreter und Prozessfertigung. Die grundlegenden Unterschiede beziehen sich auf die Produktionsebene. Administrative Aufgaben (Finanzbuchhaltung, Controlling, etc.) sind in der diskreten und prozessorientierten Fertigung sehr ähnlich.

Diskrete Fertigung

Wenn wir definier- und zählbare Erzeugnisse herstellen, wie z. B. Bleistifte, Schraubenschlüssel, Elektrorasierer oder Mähdrescher, dann sprechen wir von diskreter Fertigung. Die Beziehungen zwischen den verwendeten Teilen und Vorprodukten sowie dem Endprodukt sind genau festgelegt. Das macht die Produktionsplanung in diesem Fall sehr klar. Wir können die Menge und Beschaffenheit von Rohmaterialien und Teilen, die zur Fertigung einer bestimmten Anzahl von Produkten notwendig ist, genau angeben. Auch Fertigungszeiten und Fertigungsprozesse stehen bereits fest – reibungslose Prozesse natürlich vorausgesetzt.

Prozessorientierte Fertigung:

Wenn wir ein Produkt im Rahmen eines fortlaufenden Prozesses herstellen (z. B. durch Gärung oder Fermentation), dann sprechen wir von prozessorientierter Fertigung. Das ist oft in der Lebensmittelindustrie der Fall. Bei dieser Produktionsweise geht es vornehmlich um verfahrenstechnische Vorgänge und chemische Reaktionen wie Erhitzen, Mischen, Trennen und Synthetisieren. Inder Prozessfertigung lässt sich weder die Menge der Einsatzstoffe noch die Menge der Endprodukte präzise vorhersagen.

Häufig fallen auch Kuppelprodukte an. Das heißt: Zusätzlich zum hergestellten Endprodukt ergeben sich Stoffe, die einen gewissen Wert haben, und daher nicht als Abfallstoffe gelten sollten (z. B. Brennholz bei der Möbelherstellung). Die Entstehung und Verwertung dieser Zusatzprodukte müssen wir mitplanen. Dadurch steigt die Komplexität des Produktplanungsprozesses weiter an.

Anstelle von Stücklisten und Arbeitsplänen verwenden wir bei der Prozessfertigung Herstellervorschriften, Verfahrensbeschreibungen und Rezepturen.

Der Fokus dieses produktionsbezogenen ERP-Readers liegt auf der diskreten Fertigung, die sich in Serien- und Einzelfertigung unterteilen lässt.

2. Produktionsplanung und -steuerung

Am Anfang der Produktion stehen Produktionsplanung und -steuerung. Beginnen wir zunächst mit der Produktionsplanung. Sie umfasst folgende Bereiche:
  • Produktionsprogrammplanung
  • Materialbedarfsplanung (Mengenplanung)
  • Kapazitätsbedarfsplanung
Das Produktionsprogramm bestimmt, welche Produkte in welcher Menge hergestellt werden. Auch die Zeitplanung der Produktionsprozesse fällt in diesen Bereich.Die Materialbedarfsplanung, auch Mengenplanung genannt, baut wiederum auf dem Produktionsprogramm auf. Sie entwickelt die Planung weiter und leitet daraus den Primärbedarf (Endprodukte) und den Zusatzbedarf (z. B. Ersatzteile) ab. Im Rahmen des Materialbedarfsplans bestimmen wir dann die Menge an Rohmaterialien, Bauteilen und Baugruppen, die wir für die Realisierung des Produktionsplans benötigen. Dies bezeichnen wir auch als Stücklistenauflösung.Die Kapazitätsbedarfsplanung sorgt dafür, dass die im Materialbedarfsplan festgelegten Fertigungsaufträge auch umsetzbar sind. Hier stellen wir also sicher, dass in den entsprechenden Zeiträumen ausreichend Kapazitäten (Maschinen und Mitarbeiter) zur Verfügung stehen.In der Phase der Produktionssteuerung setzen wir anschließend die Vorgaben der Produktionsplanung in die Tat um. Dabei müssen wir etwaige Störereignisse berücksichtigen, indem wir die Produktionsplanung unter Umständen an veränderte Situationen anpassen. Die Produktionssteuerung wird häufig als der eigentliche Kern des Produktionsmanagements betrachtet. Auch diese Phase können wir weiter zerlegen. Sie umfasst:
  • Auftragsveranlassung
  • Auftragsüberwachung
Unter die Auftragsveranlassung fallen:
  • Werkstattauftragsfreigabe nach Verfügbarkeitsprüfung
  • Arbeitsbelegerstellung
  • Arbeitsverteilung
Unter der Auftragsüberwachung verstehen wir:
  • Betriebsdatenerfassung, Auftragsfortschrittserfassung
  • Termin-, Mengen-, Qualitätsmonitoring
  • Kapazitätsmonitoring

3. Stammdaten in der Fertigung

Produktions-Stammdaten sind wichtige Grunddaten in der betrieblichen Datenerfassung. Sie bilden die Grundstruktur für die Prozesse der Produktionsplanung und -steuerung. Bei Stammdaten unterscheiden wir drei verschiedene Ausprägungen:
  • Stücklisten
  • Arbeitspläne
  • Arbeitsplätze (Kapazitäten)

3.1 Stücklisten:

Stücklisten beschreiben die einzelnen Bestandteile eines Produkts. Sie geben Auskunft darüber, welche und wie viele Komponenten für die Fertigung des Produkts erforderlich sind.Typische Elemente einer Stückliste sind zum Beispiel:
  • Allgemeine Informationen (z. B. Material oder Verwaltungsdaten)
  • Teilenummer
  • Erforderliche Anzahl
  • Struktureller Aufbau
Neben der einfachen Stückliste können wir auch komplexere Formen anlegen. Zumeist unterschieden wir dabei zwischen:
  • Materialstückliste
  • Variantenstückliste
  • Mehrfachstückliste

Materialstückliste:

Eine Materialstückliste besteht aus einem Stücklistenkopf und einzelnen Positionen. Der Kopf enthält Daten, die die gesamte Materialstückliste betreffen, z. B. Verwaltungsdaten. Die Stücklistenpositionen – es können beliebig viele sein – liefern Informationen, die die Teile oder Baugruppen eines Produkts betreffen.

Variantenstückliste:

Eine Variantenstückliste verwenden wir dann, wenn wir mehrere verschiedene Produkte zusammenfassen wollen, die einen hohen Anteil an gemeinsamen Komponenten aufweisen. In dem Fall können wir eine einzige Stückliste für mehrere Produktvarianten anlegen. Das reduziert die Komplexität unserer Planung. Vor allem Variantenfertiger arbeiten mit solchen Stücklisten.

Mehrfachstückliste:

Mehrfachstücklisten kommen zum Einsatz, wenn wir ein Produkt aus unterschiedlichen Kombinationen von Komponenten herstellen können. In dem Fall fassen wir in einem Dokument die Stücklisten aller Herstellungsvarianten zusammen. Wir haben also mehrere Stücklisten für ein Produkt (im Gegensatz zur Variantenstückliste).

Spezialfall Auftragsstückliste

In der auftragsbezogenen Fertigung (z. B. im Spezialmaschinenbau) können wir nicht alle möglichen Stücklistenpositionen vordenken. In diesem Fall erstellen wir daher keine Maximalstückliste, sondern eine Auftragsstückliste. In ihr können wir kundenspezifische Anpassungen vornehmen, d. h. das Löschen oder Anfügen von Positionen ist problemlos möglich.

Materialstücklisten im Detail

Materialstücklisten können auf verschiedene Weisen aufgebaut sein. Wir unterscheiden dabei drei Grundtypen:
  • Mengenübersichtsstückliste (auch: Mengenstückliste)
  • Strukturstückliste
  • Baukastenstückliste
In ERP-Systemen bezieht sich diese Unterscheidung in der Regel auf die Darstellung am Bildschirm oder auf die gedruckte Version. Die ERP-Software speichert Stücklisteninformationen meist nur in einer einzigen Form – der Baukastenstückliste.

Mengenübersichtstückliste:

Eine Mengenübersichtsstückliste ist die einfachste Stücklistenform. Ihr Vorteil ist die hohe Übersichtlichkeit: Sie listet alle erforderlichen Komponenten eines Produkts einschließlich Mengenangaben untereinander auf.

Der Nachteil dieses Stücklistentyps besteht darin, dass der strukturelle Aufbau des Produkts nicht erkennbar ist. Man kann der Mengenstückliste also nicht entnehmen, wie die Teile des Produkts zusammenhängen. Wir wissen lediglich, was für Teile verbaut sind und wie viele davon.

Ein Beispiel für eine Mengenstückliste:

Mengenstückliste

Strukturstückliste:

Eine Strukturstückliste zeigt (im Gegensatz zu einer Mengenstückliste) in fortlaufender Folge die gesamte Fertigungsstruktur eines Produkts auf. Dies geschieht über eine Ebenen- bzw. Stufen-Gliederung. Erweitern wir also eine Mengenstückliste um zusätzliche Spalten für jede Stufe des Produktionsprozesses, dann erhalten wir eine Strukturstückliste.

Ein Beispiel für eine Strukturstückliste:

Strukturstückliste

Baukastenstückliste:

Eine Baukastenstückliste stellt jede Baugruppe in Form einer weiteren Stückliste dar. Wir haben es also mit einer hierarchischen Gruppe von Einzelstücklisten zu tun. Die oberste Stückliste benennt alle Teile und Baugruppen, die untergeordneten Stücklisten beschreiben die Bestandteile der Baugruppen.

Der Vorteil dieser Form liegt in der Übersichtlichkeit. Dieser Vorteil kommt besonders bei komplexen Erzeugnissen zum Tragen.

Ein Beispiel für eine Baukastenstückliste:

Modellhafte Darstellung einer Baukastenstueckliste Teil 1
Modellhafte Darstellung einer Baukastenstueckliste Teil 2
Modellhafte Darstellung einer Baukastenstueckliste Teil 3

Welche Abteilungen brauchen Stücklisten und wozu?

Normalerweise ist es die Aufgabe der Konstruktionsabteilung, Stücklisten zu generieren und dem Rest des Unternehmens zur Verfügung zu stellen. Zu den Bereichen und Abteilungen, die mit Stücklisten arbeiten, gehören zum Beispiel:
  • Konstruktion
  • Arbeitsvorbereitung
  • Qualitätssicherung
  • Einkauf
  • Kalkulation
  • Materialdisposition
  • Lager
Die Arbeitsvorbereitung benötigt Stücklisten zur Erstellung von Arbeitsplänen. Die meisten anderen Abteilungen greifen eher für Bestellungen oder Kostenkalkulationen darauf zurück.

3.2 Arbeitspläne:

In der fertigenden Industrie spielen Arbeitspläne (auch Fertigungspläne genannt) eine große Rolle. Sie werden häufig in der Arbeitsvorbereitung erstellt und beziehen sich im Unterschied zu Produktionsplänen auf Arbeitsplätze.Ein Arbeitsplan dient der Beschreibung von Produktionsprozessen. Er besteht aus einem Kopf und einer Liste von Arbeitsvorgängen. Der Kopf – sozusagen die Überschrift des Plans – enthält die Daten, die den Arbeitsplan als Ganzes betreffen. Dort steht:
  • was gefertigt werden soll
  • woraus es besteht
  • welche Abmessungen es hat
Darunter stehen – angeordnet nach Fertigungsschritten – die einzelnen Arbeitsvorgänge.Sie informieren darüber:
  • wie das, was im Kopf steht, zu fertigen ist (z. B. Fräsen, Drehen)
  • an welchen Arbeitsplätzen dies geschehen soll
  • welche Werkzeuge und wie viel Zeit dafür benötigt werden
Darüber hinaus kann der Arbeitsplan noch weiter Informationen enthalten, z. B. das Gewicht des Erzeugnisses oder die Lohngruppe. Er dient als Vorlage für den Einzelfertigungs- oder Serienauftrag.Beispiel für einen Arbeitsplan:
Darstellung Arbeitsplan

Ein Arbeitsplan legt also nicht nur die Vorgänge zur Fertigung eines Produkts oder Bauteils fest – er beschreibt auch deren Reihenfolge. Jedem Vorgang können wie dabei die benötigten Ressourcen (z. B. Materialien oder Zeichnungen) zuordnen. Die festgelegten Vorgänge laufen in der Regel hintereinander ab. Aber auch ein paralleler Ablauf ist möglich. Der Detaillierungsgrad des Arbeitsplans hängt von der Art der Fertigung ab. Die Serienfertigung erfordert beispielsweise einen höheren Detailgrad als ein Einzelfertigungsauftrag

3.3 Arbeitsplätze:

Ein Arbeitsplatz, auch als Kapazität bezeichnet, bezeichnet in einem ERP-System den Ort, an dem eine Arbeit erfolgt. Jeder Arbeitsplatz ist einer Kostenstelle zugeordnet und so mit der Kostenrechnung verbunden. Wir können mehrere einzelne Arbeitsplätze zu Arbeitsplatzhierarchien verknüpfen.

Jedem Arbeitsplatz weisen wir eine Kapazitätsart (z. B. Maschinenkapazität oder Personalkapazität) zu. Zu jeder Kapazitätsart können mehrere Kapazitätsangebote bestehen. Das Standardangebot können wir wie folgt berechnen: Auf der Basis eines Schichtprogramms bestimmen wir im ersten Schritt die Schichtdauer. Davon subtrahieren wir die Pausenzeiten. Diese Standardkapazität können wir dann für jeden Werktag annehmen.

Änderungsverwaltung:

Im Änderungsdienst eines ERP-Systems können wir Änderungen an Stammdaten verwalten. Modifizieren wir beispielsweise Stücklisten oder Arbeitspläne, dann werden alle Änderungen lückenlos dokumentiert. Der Zustand vor und nach der Änderung wird jeweils im ERP-System gespeichert.

4. Feinplanung

Die Grobplanung berücksichtigt Parameter wie z. B. die Kapazität des Produktionssystems oder des Werkes. Aus dieser übergeordneten Vorgabe erstellen wir im nächsten Schritt, der Feinplanung, produzierbare Auftragsreihenfolgen. Feinplanungs-Module moderner ERP-Systemen erlauben dabei ein rasches Umplanen, sollten sich die Nachfragesituation oder die Kapazitäten ändern. Bei der genauen Festlegung der Fertigungsfolgen müssen wir einige Regeln festlegen (vgl. Gronau, a.a.O., S. 231):
  • Zuordnung auf Grundlage der Anlagenstammdaten (Welches Erzeugnis können wir auf welcher Ressource in welcher Zeit und zu welchen Kosten herstellen?)
  • Übergänge zwischen den Losen (z. B. hell nach dunkel auf Grundlage einzelner Fertigungsmerkmale)
  • Rüstkosten an den einzelnen Anlagen

5. Planung und Steuerung in der Serienfertigung

Unter Serienfertigung verstehen wir die anonyme Massenproduktion gegen ein Lager. Das heißt, die Kunden sind uns weitgehend unbekannt. Jede produzierte Einheit kommt anschließend in ein Lager, bis sie abgerufen wird. Beispiele für Serienfertigung sind die Automobil- und die Elektronikbranche. Die Planung und Steuerung der Serienfertigung können wir im Wesentlichen in folgende Punkte zergliedern:
  • Produktionsprogrammplanung
  • Materialbedarfsplanung
  • Termin- und Kapazitätsplanung
  • Fertigungssteuerung
In der Produktionsprogrammplanung geht es vornehmlich darum, einen mittleren Planungshorizont herzuleiten und Prognosedaten zu ergänzen. Dazu führen wir die vorliegenden Kundenaufträge zu einem groben Produktionsplan zusammen.In der Materialbedarfsplanung, die auf der Produktionsprogrammplanung aufsetzt, ermitteln wir, welche Materialien zu welchem Termin in welcher Menge vorhanden sein müssen. Anschließend erzeugen wir Bestellvorschläge und versehen sie mit einem Start- und Endtermin (Terminplanung). Die Kapazitätsplanung dient dazu, dem Planer einen Überblick über die Kapazitätsauslastung zu geben – von der Grob- bis zur Feinplanung. Auch einen Kapazitätsabgleich können wir im ERP-System vornehmen. Aufgabe der Fertigungssteuerung ist es schließlich, die Planvorgaben der Materialbedarfsplanung in konkrete Fertigungspläne zu überführen.Des Weiteren können wir hier noch die Produktkostenrechnung und das Produktionscontrolling nennen. Die Produktkostenrechnung umfasst vor allem die Kalkulation mit und ohne Mengengerüst, die Muster- und Simulationskalkulation und die Preisfortschreibung. Aufgabe des Produktionscontrollings ist es wiederum, die Wirtschaftlichkeit des Kapitals zu überwachen, das im Produktionsbereich gebunden ist.

6. Planung und Steuerung in der Einzelfertigung

Kundenindividuelle Auftragsformen (also Einzelfertigung) gewinnen zunehmend an Bedeutung. Einer der Gründe: die Nachfrage nach komplexen Investitionsgütern steigt. Typische Beispiele für Einzelfertigung sind Anlagen-, Schiffs- und Flugzeugbau.

Anders als bei der Serienfertigung sind bei der Einzelfertigung die technischen Unterlagen (Zeichnungen, Stücklisten, Arbeitspläne) bei Auftragserteilung noch gar nicht oder nur unvollständig vorhanden. Sie entstehen erst nach Absprache mit dem Kunden. Die fertigungsbegleitende Konstruktion führt dazu, dass die Gesamtstruktur des Auftrags erst am Ende des Projekts vollständig bekannt ist. Die Termin- und Kapazitätsplanung der Serienfertigung, die auf Stücklisten- und Arbeitsplanebene abläuft, können wir also nicht einfach so übertragen.

Stattdessen erstellen wir bei Einzelfertigungsaufträgen möglichst früh einen Projektstrukturplan (PSP). Ein PSP zerlegt den Projektgegenstand – d. h. den Auftrag – in Phasen, Phasenschritte und Aktivitäten. Ein solches Projekt hat typischerweise lange Durchlaufzeiten, einen strengen Terminrahmen und eine Vielzahl technologisch voneinander abhängiger Vorgänge. Zu den Projektaufgaben gehören alle Planungs- und Umsetzungstätigkeiten, die erforderlich sind, um den Projektstrukturplan zu realisieren.

Der PSP ist das zentrale Werkzeug zur Planung und Verfolgung eines Einzelfertigungsauftrags. Alle konkreten Projektaufgaben oder Teil-Aufgaben bilden einzelne PSP-Elemente. Elemente der untersten Ebene bezeichnen wir als Arbeitspakete oder Vorgänge – sie lassen sich nicht in weitere Teilaufgaben zerlegen. Mit einem Netzplan können wir hingegen PSP-Elemente im Zeitverlauf darstellen.

Auch die Materialbedarfsplanung müssen wir projektbezogen erstellen und beispielsweise die Bestellung von Materialien mit langen Lieferzeiten rechtzeitig anstoßen. Analoges gilt für die Projektplanung im engeren Sinn (die mit der Budgetplanung endet) sowie für die Projektsteuerung. Wir dürfen Kosten, Ressourcen und Termine eines Einzelfertigungsprojekts nicht isoliert betrachten.

7. Qualitätsmanagement in der Fertigung

Unter dem Begriff Qualitätsmanagement (QM) fassen wir alle organisatorischen Maßnahmen zusammen, die der Sicherung und Verbesserung der Produkt- und Prozessqualität dienen. Darunter fallen im Wesentlichen:
  • Aufgaben der Qualitätsplanung
  • Aufgaben der Qualitätsprüfung
  • Problemmanagement
  • Erstellung von Qualitätszeugnissen
  • Aufgaben der Qualitätsverbesserung
In der Fertigung führt immer häufiger eine Person sowohl Fertigungs- als auch Prüfaufgaben durch. Daher müssen wir die Prüfung sowie andere Qualitätssicherungsmaßnahmen mit in die Arbeitspläne der Fertigungssteuerung aufnehmen und auch als Fertigungsaufgaben ansehen. Das Qualitätsmanagement in der Fertigung umfasst dabei:
  • Qualitäts- und Prüfplanung
  • Prüfabwicklung
  • Qualitätslenkung

Qualitäts- und Prüfplanung

Die Prüfplanung erfolgt in der Phase der Fertigungsplanung. Sie wird im Wesentlichen aus den Kundenaufträgen abgeleitet. Analog zum Arbeitsplan erstellen wir einen Prüfplan und ordnen ihn dem zu prüfenden Material zu. Das Material ist wiederum im Prüfplankopf benannt. Wesentliche Kategorien des Prüfplans sind:
  • Prüfplankopf
  • Prüfvorgang (1, 2, usw.)
  • Prüfmittel
  • Prüfmerkmal
Exemplarischer Aufbau eines Prüfplans:
Darüber hinaus müssen wir eine Prüfmethode festlegen und sogenannte Kataloge erstellen. Diese Kataloge sollen sicherstellen, dass gleichartige Prüfergebnisse und Fehler auf stets auf die gleiche Weise bezeichnet werden.

Prüfabwicklung

Die Prüfabwicklung können wir in folgende Teile zerlegen:
  • Prüfanstoß
  • Prüfung (losweise oder kontinuierlich)
  • Qualitätsauswertung (grafisch unterstützt)
Ein ERP-System bewertet alle Ergebnisse der einzelnen Prüfmerkmale und ermittelt daraus Qualitätskennzahlen. Ergebnis der Prüfung ist ein Verwendungsentscheid, z. B. die Freigabe oder Sperrung eines Loses.

Problemmanagement

Über Qualitätsmeldungen können wir das ERP-System als Tool für Problemmanagement und Qualitätslenkung einsetzen. Wird ein qualitätsrelevantes Ereignis gemeldet, kann das System eine Fehleranalyse durchführen, die vom Fehler verursachten Kosten berechnen und passende Abhilfemaßnahmen vorschlagen.

8. Instandhaltung

Produzierende Unternehmen setzen immer komplexere und vielfältigere Produktionsanlagen ein. Insbesondere der Automatisierungs- und Verkettungsgrad der Anlagen ist in den letzten 20 Jahren stark angestiegen. Störungen haben heute also weitreichende und kostspielige Folgen. Die Anforderungen an die Instandhaltung wachsen entsprechend.

Instandhaltung ist damit nicht nur ein relevanter Wettbewerbsfaktor, sondern auch eine umfassende Managementaufgabe. Verantwortliche müssen die Verfügbarkeit von Produktionsanlagen erhöhen, indem sie Stillstands- und Ausfallszeiten reduzieren.

Hauptaufgaben der Instandhaltung sind die Inspektion, Wartung und Instandsetzung (Reparatur) der Betriebsmittel. Ferner sind noch die Schwachstellenanalyse sowie die Verbesserung der Funktionsfähigkeit von Betriebsmitteln zu nennen.

Zentrale Maßnahmen der Instandhaltung:

Instandhaltung
Beispiele für Inspektion:
  • Prüfen
  • Messen
  • Beurteilen
Beispiele für Wartung:
  • Schmieren
  • Reinigen
  • Justieren
Beispiel für Instandsetzung:
  • Austauschen
  • Ausbessern
Erfolgt die Instandhaltung über ein ERP-System, müssen wir zunächst alle technischen Anlagen erfassen und gliedern. Zusätzlich müssen wir Daten zur Lebensdauer der erfassten Anlagen sammeln. Es gibt dazu im ERP-System verschiedene Strukturierungsmöglichkeiten. Die Anlagenverwaltung kann z. B. nach funktionalen oder standortbezogenen Gesichtspunkten erfolgen. Planung, Durchführung und anschließende Auswertung der Instandhaltungsprozesse sind für jedes inventarisierte Objekt möglich, aber auch bezüglich Funktionseinheiten, die aus mehreren Objekten bestehen.Wichtige Ziele, die wir durch den Einsatz von Instandhaltungssoftware erreichen sollen, sind:
  • Rasche Abrufbarkeit aller relevanten Informationen
  • Sicherung der Anlagenverfügbarkeit und Wirtschaftlichkeit
  • Reduktion von Stillständen und Leerlaufzeiten
  • Durchgängige Planung, Steuerung und Analyse
  • Erfassung aller Reparaturen und Störungen
  • Änderungsprotokolle (Historie)
  • Kennzahlen und Visualisierungen

9. Zusammenarbeit von Entwicklung und Produktion

Produzierende Unternehmen fertigen und vermarkten Produkte. Voraussetzung dafür ist zunächst die Entwicklung dieser Produkte. Der Entwicklungsbereich (F&E) ist daher ebenfalls eine wichtige Unternehmenssäule. Er ist der Produktion vorgelagert, steht aber natürlich mit dieser in einer engen Beziehung. Die Kooperation zwischen der Produktentwicklung und der Produktionsplanung ist oft sehr anspruchsvoll – sowohl in organisatorischer als auch in technischer Hinsicht.Stücklisten, Arbeitspläne sowie Auftragsinformationen sind zwar in der Datenbank des ERP-Systems gespeichert, aber dort entstehen sie nicht. Das geschieht größtenteils in den Abteilungen, die dem Fachbereich Entwicklung angehören.Damit die Zusammenarbeit von Entwicklung und Produktion reibungslos abläuft, müssen daher deren Systeme integriert sein:
  • CAD (Computer-Aided-Design-System)
  • PDM (Produktmanagementsystem) und
  • ERP-System
Ein klassisches Szenario (inzwischen vom Aussterben bedroht) sieht so aus:
  1. Die Konstruktionsabteilung legt Stücklisten in Excel an.
  2. Ein Sachbearbeiter der Arbeitsvorbereitung gibt diese Stücklistendaten anschließend händisch ins ERP-System ein.
Das ist heute nicht mehr zeitgemäß. Manuelle Datenübertragung ist zu zeitaufwändig und fehleranfällig. Durch Verbindung von CAD, PDM und ERP können wir die Datenübergabe von einem IT-System automatisch realisieren. Zeichnungen aus dem CAD-System, die in der Konstruktionsabteilung entstehen, sind dadurch z. B. auch am Produktionsplatz verfügbar oder können vom Service-Außendienst eingesehen werden. Aber auch der Entwicklungsbereich profitiert: Wollen z. B. Entwickler am CAD-System auf Zukaufsteiledaten zugreifen, so können sie einfach das ERP-System verwenden. Redundanzen bei Teiledaten (Dubletten) werden auf diese Weise vermieden und die Prozesse schneller und sicherer.

10. ERP und Industrie 4.0

Der Begriff Industrie 4.0 steht für die vierte industrielle Revolution, die auf der Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft beruht.

Kurzer historischer Rückblick

Die drei vorherigen industriellen Revolutionen brachten stets gewaltige Produktivitätsfortschritte mit sich. Gleiches erhofft man sich von der Industrie 4.0, die bereits begonnen hat.

  1. industrielle Revolution: Mechanisierung von Produktionsprozessen durch Nutzung von Dampf- und Wasserkraft (18. Jahrhundert)
  2. industrielle Revolution: Nutzung der Elektrizität zur Automatisierung von Produktionsprozessen (Fließbandarbeit); Entstehung der Massenproduktion (19. Jahrhundert)
  3. Industrielle Revolution: Elektronik und Computerisierung (20. Jahrhundert)

Mit Industrie 4.0 sind industrielle Produktionsprozesse gemeint, bei denen modernste digitale Informations- und Kommunikationstechniken integrale Bestandteile sind. Die Vision ist eine weitgehend selbstorganisierte Produktion, in der Menschen, Maschinen, Produkte und Logistik automatisch miteinander interagieren. Dadurch wird eine nach individuellen Kundenwünschen passgenau zugeschnittene Produktion zum neuen Fertigungsstandard werden. Häufig sprechen wir in diesem Zusammenhang auch von der smarten Produktion oder der „Smart Factory oder der smarten Produktion oder der „Smart Factory“.

Moderne ERP-Systeme werden maßgeblich an der Industrie-4.0-Revolution beteiligt sein. Ihnen wird die Aufgabe zukommen, alle kaufmännischen und technischen Daten der smarten Produktion zu überwachen. Die internen und externen Datenquellen als auch die Datenmengen werden drastisch ansteigen. Daher besteht eine zentrale Herausforderung darin, die Daten im ERP-System so aufzubereiten, dass sie für den Anwender auch bewältigbar werden.

Ferner wird eine nahtlose Integration von unterschiedlichsten Maschinen mit dem eingesetzten ERP-System erforderlich werden. ERP-Systeme des Industrie-4.0-Zeitalters müssen deshalb auf einer flexiblen Software-Architektur basieren, die einfach mit anderen IT-Systemen arbeitet.

ERP-Lösungen werden zur zentralen Schaltzentrale, über die vernetzte Informationsflüsse des gesamten Unternehmens gesteuert werden. Zugriffe über mobile Geräte nehmen dabei stark zu. Infolge dieser Tendenz müssen zukunftsfähige ERP-Systeme Informationen selbstverständlich auf Notebooks, Tablets und Smartphones bedienerfreundlich anzeigen.

Industrie 4.0 ist aber nicht nur eine technische Herausforderung. Die smarte Produktion wird nur dann gelingen, wenn Industrieunternehmen auch ihre Aufbauorganisationen und Unternehmenskulturen an die neuen technologischen Möglichkeiten richtig anpassen.

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