Wissen ist Macht – aber nur für den, der es hat. Das ist nicht nur so dahergesagt. Speziell der deutsche Mittelstand mit seinen Hidden Champions lebt von seinem Know-how. Doch nicht das Unternehmen selbst hat Wissen. Es steckt in den Köpfen der Mitarbeitenden.

Viele Unternehmen managen ihr kritisches Wissen bisher nicht aktiv. Daraus entstehen bedrohliche Risiken. Was können Betriebe tun? Dieser Artikel zeigt, welche Rolle jeweils die Technik und die Unternehmenskultur beim Wissensmanagement spielen.

Wissen liegt in Silos und Monopolen

Es klingt verlockend einfach: Das gesamte Wissen einer Organisation wird in einer digitalen Lösung dokumentiert und gepflegt. Alle arbeiten damit, teilen ihre Kenntnisse und profitieren gleichermaßen von denen der anderen. Soweit der Wunsch. 

In der Realität übernehmen oft Einzelpersonen die alleinige Verantwortung für einen Bereich. Sie strukturieren ihn nach eigenen Vorstellungen. Sie vereinen die gesamte Erfahrung auf sich. Es gibt Fälle, in denen die Betriebsleitung wirklich alles selbst macht: Einkauf, Preiskalkulation, Fertigungsplanung und so weiter. Ohne sie läuft nichts. Das kommt durchaus auch bei größeren Mittelständlern vor.

Jede Abteilung hat ihr eigenes System, um sich zu organisieren. Konstruktionszeichnungen oder Bauteillisten sind zum Beispiel nicht strukturiert abgelegt. Die Produktionsplanung wird mit Exceltabellen gemacht, sogar Plantafeln und Papierlisten sind noch häufig im Einsatz. Die Daten sind in separaten IT-Systemen verteilt, mit denen jeweils nur die einzelnen Abteilungen umgehen können.

Warum läuft das heutzutage immer noch so? Den einen fehlt das Bewusstsein („Funktioniert doch!“); andere haben noch keine bessere Lösung gefunden; und manche halten ihr Wissen absichtlich zurück. 

Wissenssilos können in ihren Auswirkungen schmerzhaft bis existenzbedrohend sein.

Die Risiken von schlechtem Wissensmanagement

Welche Gefahren bergen solche Wissenssilos und -monopole? Eine ganze Reihe. Und sie können in ihren Auswirkungen schmerzhaft bis existenzbedrohend sein:

Schlechte Entscheidungen: Für Entscheidungen stehen nicht alle Informationen zur Verfügung. Die Gründe und Herleitungen bisheriger Entscheidungen sind nicht mehr nachvollziehbar.

Doppelte und unnötige Aufwände: Bestehende Informationen müssen immer wieder lange gesucht oder jedes Mal neu erarbeitet werden. 

Ineffiziente Abläufe und Stillstände: Abläufe verzögern sich oder schlagen fehl. Gründe: Informationen fehlen, verwendete Daten sind nicht mehr aktuell, die betreffenden Teammitglieder sind überlastet oder abwesend.

Kritisches Wissen geht verloren: Wenn Mitarbeitende das Unternehmen verlassen, nehmen sie ihr Wissen zu Produkten und Prozessen mit.

Langwierige Einarbeitung: Es gibt keine Dokumentation, um neue Beschäftigte einzuarbeiten. Es dauert lange, bis sie produktiv arbeiten können.

Machtspiele: Mitarbeitende und Abteilungen setzen ihr Wissen als Druckmittel ein, um sich unentbehrlich zu machen und ihre Interessen durchzusetzen. Man arbeitet gegeneinander statt miteinander.

Kritisches Wissen identifizieren

Klarheit ist immer der erste Schritt zur Lösung eines Problems. Unternehmen müssen sich zunächst bewusst machen: Was ist unser kritisches oder geschäftsrelevantes Wissen, das wir schützen müssen?

Dafür müssen sie einen Überblick über alle Prozesse gewinnen: in Konstruktion, Einkauf, Fertigung, Vertrieb und so weiter.

  • Welches kritische Wissen wird dort jeweils verwendet?
  • Woher kommt das Wissen, wie wird es verarbeitet, was hängt davon ab?
  • Welche Personen steuern den Prozess und welche sind beteiligt?

So lassen sich die gefährlichsten Engpässe identifizieren. Als Nächstes muss für jeden Bereich eine Lösung entwickelt werden. Abhängig von der Art des Wissens, vom Umfeld und den Personen kann diese jeweils anders aussehen.

Fakten- und Fachwissen dokumentieren

Fakten- und Fachwissen ist alles, was sich in Zahlen, Plänen, Beschreibungen oder Visualisierungen ausdrücken lässt. Solches Wissen kann dokumentiert und strukturiert abgelegt werden – am besten digital. Einige Beispiele:

  • CAD-Daten und Konstruktionspläne in einem Produktdatenmanagement-System
  • Prozessbeschreibungen und Verfahrensanweisungen in einem Wiki
  • Kundendaten und -historien in einem CRM-System
  • Preise und Formeln zur Preiskalkulation in einem ERP- oder Qualitätsmanagement-System
  • Planungs- und Ressourceninformationen in einem ERP-System

Dabei ist wichtig, dass die Daten für alle Beteiligten verfügbar und durchsuchbar sind. Insellösungen, die keine Daten austauschen, helfen nur bedingt. Das ERP-System kann hierbei als Knotenpunkt dienen: Möglichst viele Prozesse sollten darüber abgebildet werden. Und wenn weitere Speziallösungen erforderlich sind, können die Daten über Standardschnittstellen synchronisiert werden. 

Oftmals nehmen Unternehmen die ERP-Einführung als Anlass, unter anderem ihr Wissensmanagement neu aufzustellen. Wie gestalten Sie die Transformation? Erfahren Sie mehr in unserem kostenlosen Whitepaper zum Change Management bei der ERP-Einführung.

Erfahrungswissen verteilen

Beim Erfahrungswissen ist es etwas komplizierter, denn es ist das, was Expert*innen ausmacht. Es kann schwer in Worte gefasst werden. Außerdem verändert es sich laufend. Hier bieten sich zwei Methoden an: Zum einen kann versucht werden, die Erfahrungen teilweise zu beschreiben und zu dokumentieren. Jemand könnte die Betreffenden dafür interviewen oder bei der Arbeit beobachten. 

Zum anderen sollte sichergestellt werden, dass mehrere Personen im Unternehmen die relevanten Erfahrungen ausbauen. Ideal wäre ein Team. Zumindest eine stellvertretende Person sollte für jede kritische Position bereitstehen. Sie kann bei Engpässen und Ausfällen übernehmen. Und auch wenn jemand das Unternehmen verlässt, bleibt das Wissen erhalten.

Die Menschen überzeugen

Die richtigen Tools sind wichtig, doch am Ende hängt der Erfolg des Wissensmanagements an den Menschen: Sie müssen bereit sein, ihr Wissen zu teilen. Das funktioniert nicht auf Befehl. Oft kommen Ängste und Widerstand auf: „Wenn ich mein ganzes Wissen weitergebe, werde ich dann überhaupt noch gebraucht?“ Oder: „Ich habe so viel zu tun, ich kann mich nicht noch um Dokumentation kümmern.”

Das Management muss entschlossen sein, das Unternehmen durch eine längere Phase der Veränderung zu führen. Es muss willens sein, sich dafür auch in Konflikte zu begeben. Und dann ist ganz viel Kommunikation gefragt: Verantwortlichkeiten müssen geklärt und eventuell neu verteilt werden, Menschen eingebunden und überzeugt werden. Sie benötigen Schulung und Einarbeitung für ihre erweiterten Rollen und Aufgaben. Eventuell sind personelle Änderungen nötig. Ob an manchen Stellen lieber ein harter Schnitt oder ein sanfter Übergang besser ist, muss individuell entschieden werden.

Wann ziehen die Mitarbeitenden mit? Am ehesten dann, wenn sie selbst davon profitieren. Dafür braucht es Veränderungen an der Unternehmenskultur. Wer sein Wissen teilt und sich kooperativ verhält, muss belohnt werden: mit Wertschätzung, Entwicklungschancen, eventuell auch finanziell. Die Führungskräfte müssen Vorbild sein. Beim Recruiting neuer Mitarbeitenden muss darauf geachtet werden, ob sie die Werte teilen. 

Auch interessant: So profitieren Ihre Mitarbeitenden von einem ERP-System.

Eine Projektleitung oder Stabsstelle Wissensmanagement schafft einen solchen Wandel nicht allein. Nur mit voller Unterstützung der Geschäftsführung, aller Führungskräfte und insbesondere der Personalabteilung ist das möglich. Ein Change Manager kann alle Aktivitäten zentral steuern.

Der Aufwand lohnt sich jedoch. Zur Erinnerung: Es geht für Unternehmen darum, ihr geschäftskritisches Wissen abzusichern. Dadurch sichern sie das eigene Geschäftsmodell. Sie reduzieren ihre Abhängigkeit von einzelnen Mitarbeitenden, werden resilienter und verbessern ihre Chancen im Wettbewerb.

Das Geheimnis erfolgreicher ERP-Einführungen

Vermeiden Sie schmerzhafte Nebenwirkungen einer ERP-Einführung durch vorausschauendes Change Management. Unser kostenloses Whitepaper unterstützt Sie bei der Vorbereitung auf das wegweisende Projekt.