ERP-Veteranen wissen, dass die ERP-Einführung keine IT-Sache ist, sondern ein Change-Management-Projekt. Die größte Herausforderung besteht darin, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für das neue ERP-System zu gewinnen und Widerstände der Belegschaft zu verhindern.

Aber was passiert, wenn alle Bemühungen scheitern? Ihre Mannschaft lehnt das ERP-System ab. Statt sich mit der Software zu beschäftigen, gehen ihr die zukünftigen Anwender aus dem Weg. Das Projektteam ist demotiviert. Die ERP-Einführung droht zu scheitern. Was nun?

Jetzt hilft nur noch geschicktes Krisenmanagement, um das ERP-Projekt erfolgreich abzuschließen.

Erfahren Sie, welche Prozesse Sie im Unternehmen ändern müssen, um erfolgreich mit dem ERP-System zu arbeiten.

Wieso kam es zu Widerständen?

Bevor Sie Gegenmaßnahmen einleiten, sollten Sie erst einmal Ursachenforschung betreiben. Es ist wichtig, dass Sie verstehen, warum Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das ERP-System ablehnen, denn dieses Verständnis bildet die Grundlage für Ihr weiteres Vorgehen. Sie müssen die Hintergründe verstehen, bevor Sie handeln.

Wenn Ihre Angestellten beispielsweise Angst davor haben, durch das ERP-System ersetzt zu werden, ist Einfühlungsvermögen gefragt. Sind dagegen interne Machtkämpfe der Grund, muss die Geschäftsleitung durchgreifen. In beiden Szenarien bilden sich Widerstände, aber die optimale Reaktion ist unterschiedlich.

Es gibt viele Gründe, weshalb sich Widerstände gegen die ERP-Einführung bilden können. Zum Beispiel:

  • Sie haben Ängste der Belegschaft nicht ausreichend behandelt.
  • Einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fühlen sich nicht abgeholt. Das ERP-Projekt geht an ihnen vorbei.
  • Die ERP-Einführung ist nicht transparent genug. Ihr Team erkennt darin keinen Mehrwert.
  • Es gibt keine Informationskultur im Unternehmen. Niemand will sein Wissen den Kolleginnen und Kollegen zur Verfügung stellen.
  • Einzelne Abteilungen schotten sich ab, um sich unersetzbar zu machen.
  • Es gibt keine SMARTEN Ziele, die eine klare Richtung vorgeben. Stattdessen bilden sich Fronten.

Darüber hinaus können einige Faktoren dazu führen, dass sich vorhandene Widerstände noch verstärken. Zum Beispiel:

Finden Sie zunächst heraus, wie es dazu kommen konnte, dass Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Projekt ablehnen. Sobald Sie die Hintergründe kennen, bilden diese die Basis für Ihr weiteres Krisenmanagement.

Ursachenforschung ist die Grundlage für erfolgreiches ERP-Krisenmanagement. Sie müssen die Hintergründe verstehen, bevor Sie handeln.

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Das ERP-Projekt wieder auf Kurs bringen

Ein ERP-Projekt in Schieflage zu sanieren ist keine leichte Aufgabe. Mit ein paar kurzfristigen Maßnahmen ist es leider nicht getan. Sie müssen die grundlegenden Probleme beseitigen, Prozesse überarbeiten und langfristige Verbesserungen erzielen. Das fällt Ihnen leichter, wenn Sie einem strukturierten Ablaufplan folgen:

Vorgehen im Krisenfall:

  • Erfolgsaussichten evaluieren
  • ERP-Projektteam überprüfen
  • Krise offen kommunizieren
  • Gegenmaßnahmen einleiten
  • Projektbegleitende Prozesse wiederaufbauen
  • Abschließende Analyse

1. Erfolgsaussichten evaluieren

Bevor Sie operative Maßnahmen ergreifen, sollten Sie erst einmal den Status des ERP-Projekts bewerten. Vergleichen Sie den geplanten mit dem tatsächlichen Projektverlauf. Wie groß ist die Abweichung? Und wie würden die Erfolgsaussichten aussehen, wenn Sie die Krise meistern?

Meistens kann solides Krisenmanagement ein ERP-Projekt wieder auf die Schiene bringen. Es gibt allerdings auch Ausnahmen. Manchmal ist der Widerstand der Belegschaft nur das Symptom eines viel tiefer sitzenden Problems, das erst durch die ERP-Einführung zutage gekommen ist. In solch einem Fall gibt es oft keine kurzfristigen Gegenmaßnahmen, die Sie ergreifen könnten. Sie müssen erst das Grundproblem angehen.

Natürlich schmerzt es, ein ERP-Projekt vorübergehend auf Eis zu legen. Schließlich hat es zu jenem Zeitpunkt bereits Ressourcen verbraucht. Aber wenn die Alternative darin besteht, ein ERP-System anzuschaffen, das Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter grundlegend ablehnen, ist ein Projektstopp als Ultima Ratio vorzuziehen.

2. ERP-Projektteam überprüfen

Wenn Sie sich dazu entschieden haben, das Projekt fortzuführen, sollten Sie als nächstes das Projektteam auf den Prüfstand stellen. Zu dessen Aufgaben zählt unter anderem, Kolleginnen und Kollegen mit konsequentem Change Management durch die ERP-Einführung zu begleiten. Bilden sich intensive Widerstände, die den Erfolg des ERP-Projekts gefährden, liegt die Vermutung nah, dass der Fehler auf Seiten des Projektteams liegt. Insbesondere die Projektleitung sollten Sie an dieser Stelle hinterfragen.

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Widerstände der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können Verzögerungen und Mehrkosten bei der ERP-Einführung verursachen.

Natürlich ist nicht grundsätzlich die Projektleitung schuld, wenn etwas schiefläuft. Der Kontext ist entscheidend. Deswegen haben Sie zu Beginn Ursachenforschung betrieben. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass die Projektleitung in den meisten Fällen ein kritischer Faktor ist. Vielleicht hat sie die Widerstände nicht unmittelbar verursacht. Aber sie hätte das Problem früher erkennen müssen. Daher macht es in manchen Fällen Sinn, die Projektleitung vorübergehend auszutauschen (dazu gleich mehr).

3. Krise offen kommunizieren

Transparenz ist das oberste Gebot bei der ERP-Einführung. Das gilt natürlich auch im Krisenfall. Machen Sie nicht den Fehler, die Schieflage des ERP-Projekts zu lange geheim zu halten. Damit heizen Sie nur die Gerüchteküche an, was Ängste schürt und damit weitere Widerstände nach sich zieht.

Gehen Sie lieber in die Offensive. Kommunizieren Sie offen, wie der Stand der Dinge ist und vor welchen Herausforderungen das ERP-Projekt steht. Wichtig ist vor allem, dass Sie Lösungen parat haben, nicht nur Probleme. Suchen Sie den Dialog mit Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Schaffen Sie Transparenz, damit die Gerüchteküche zum Stillstand kommt.

4. Gegenmaßnahmen einleiten

Sobald Sie die Schieflage des ERP-Projekts an Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommuniziert haben, besteht der nächste Schritt darin, Gegenmaßnahmen einzuleiten. Wie diese genau aussehen sollten, hängt von den Ergebnissen Ihrer Ursachenforschung ab.

Fühlt sich beispielsweise ein Teil Ihrer Mannschaft nicht ausreichend abgeholt? Dann sollten Sie Prozesse einrichten, die den aktuellen Stand des ERP-Projekts kommunizieren. Führen Sie einen unternehmensweiten ERP-Newsletter ein, bauen Sie ein internes Wiki auf oder veranstalten Sie regelmäßige Fragestunden mit der gesamten Belegschaft.

Sind dagegen interne Machtkämpfe der Grund für die Ablehnung? Mauern sich Abteilungen oder Einzelpersonen ein, weil sie sich unersetzbar machen wollen? Dann identifizieren Sie die Störer und treten mit ihnen in Dialog. Vermitteln Sie ihnen die Bedeutung des ERP-Projekts für das Unternehmen und stellen Sie klar, dass Sie solch egoistisches Verhalten nicht dulden.

5. Projektbegleitende Prozesse wiederaufbauen

Bisher hat Ihr ERP-Projekt vermutlich kaum Fortschritte gemacht. Vor Beginn des Krisenmanagements hat die fehlende Motivation Ihres Teams eine Art Schockstarre ausgelöst, die das Projekt gelähmt hat. Die bisherigen Gegenmaßnahmen waren dazu da, die Starre zu lösen und grundlegende Probleme zu beseitigen. Nun können Sie das ERP-Projekt wieder anlaufen lassen.

Im Vordergrund steht natürlich der Kernablauf der ERP-Einführung (Implementierung, Funktionstests etc.). Aber auch projektbegleitende Prozesse wie Risikomanagement, Qualitätsmanagement, Monitoring oder Reporting sollten nach und nach wieder starten. Zum einen gewinnen Sie dadurch die Kontrolle über das Projekt zurück. Zum anderen vermitteln Sie Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dass wieder Normalität einkehrt. Die ERP-Einführung läuft nicht länger im abgesicherten Modus. Es geht weiter wie bisher.

6. Abschließende Analyse

Den Abschluss Ihrer Intervention sollte eine detaillierte Analyse des bisherigen Projektverlaufs bilden – vor und nach der Krise. Dabei sollten zwei Fragen im Vordergrund stehen:

  • Wie kam es zu Widerständen innerhalb der Belegschaft?
  • Was haben Sie gegen die Ablehnung unternommen?

Sinn des Ganzen ist keineswegs nur Dokumentation. Sie betrachten das Big Picture. Ist die Ablehnungshaltung Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wirklich verschwunden oder haben Sie lediglich Symptome behandelt? Versuchen Sie, Lerneffekte zu generieren und das weitere Projekt entsprechend anzupassen. Sie wollen verhindern, dass zu einem späteren Zeitpunkt die gleichen Probleme in anderer Form erneut auftreten. Dass gelingt jedoch nur, wenn Sie aus Ihren Fehlern lernen.

Was zeichnet gute Krisenmanager aus?

Im Rahmen des hier beschriebenen Modells macht es Sinn, im Krisenfall die Zusammensetzung des ERP-Projektteams in Frage zu stellen – gerade was die Projektleitung betrifft. Lassen Sie uns etwas genauer auf diesen Punkt eingehen.

Die Projektleitung ist eine zentrale Instanz für die ERP-Einführung. Von ihren fachlichen und sozialen Kompetenzen hängt ein großer Teil des Projekterfolgs ab. Daher ist die Besetzung dieser Rolle eine wichtige Entscheidung, die sich sowohl positiv als auch negativ auswirken kann. Erledigt die Projektleitung ihren Job gut, läuft auch die ERP-Einführung weitgehend reibungslos ab. Macht sie jedoch Fehler, gerät das Projekt schnell in Schieflage. Daher besteht der erste Schritt im ERP-Krisenmanagement meistens darin, die Projektleitung einer anderen Person zuzuweisen.

Beachten Sie jedoch: Mit dem Auftreten der Krise haben sich auch die Umstände – und damit das Aufgabenprofil der Projektleitung – geändert. Zusätzlich zur Organisation des ERP-Projekts muss sie nun auch die Ablehnungshaltung ihrer Kolleginnen und Kollegen auflösen – eine Ablehnungshaltung, die so stark ausgeprägt ist, dass sie den Projekterfolg gefährdet.

Dazu gehört unter Umständen, schwierige Entscheidungen zu treffen. In manchen Situationen muss die neue Projektleitung Positionen innerhalb des Unternehmens umbesetzen oder Befugnisse neu verteilen. Das stößt nicht immer auf Gegenliebe.

Aus diesem Grund ist die Wahl der Krisenmanagerin oder des Krisenmanagers einer der Fälle, in denen unternehmensexterne Personen zu bevorzugen sind. Interimsmanager haben den Vorteil, dass sie keine kollegialen Beziehungen aufbauen müssen. Sobald die Krise überstanden ist, verlassen sie das Unternehmen wieder. Daher können sie sich neutral auf die eigentliche Herausforderung konzentrieren und schwere Entscheidungen ohne Vorbelastung treffen.

Allerdings stoßen Interimsmanager als externe Personen schnell auf Ablehnung. Daher sollten sie, zusätzlich zu den gewünschten Eigenschaften der Projektleitung (Methoden- und Fachwissen, Blick fürs Ganze etc.), viel Menschenkenntnis und Empathie mitbringen. Ansonsten verschlimmern sie die Situation.

Zusammenfassung

Widerstände der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können Verzögerungen und Mehrkosten bei der ERP-Einführung verursachen. Wenn das geschieht, ist souveränes Krisenmanagement gefragt, damit das ERP-Projekt doch noch ein Erfolg wird.

Wichtig ist zunächst, die Ursachen der Ablehnungshaltung zu ermitteln. Diese bilden die Basis für einen strukturierten Ablaufplan, der die ERP-Einführung in mehreren Schritten wieder auf Kurs bringt und Widerstände auflöst. In den meisten Fällen ist dies die Aufgabe eines Interimsmanagers, der temporär die Projektleitung übernimmt. Dabei handelt es sich um eine unternehmensexterne Person, die einen neutralen, unbelasteten Blick auf die Situation hat und leichter schwierige Entscheidungen treffen kann. Sobald die Krise dann gelöst ist, übernimmt eine interne Person wieder die Leitung und das Projekt geht weiter wie geplant.

Allerdings sollte das nur die Ausnahme sein. Wenn Sie wissen möchten, wie ein ERP-Projekt im Normalfall abläuft, ohne Krisen und hartnäckige Widerstände, sollten Sie einen Blick in unser Whitepaper „Die ERP-Einführung von A bis Z.“ riskieren. Es erklärt den gesamten Ablauf von Anfang bis Ende.