Auf einen Blick

Zwischen ERP und MES liegt in vielen Unternehmen noch ein Bruch, der Industrie 4.0-Projekte ausbremst. Durch eine nahtlose Integration werden Auftragsplanung und Fertigung intelligent verbunden, Rückmeldungen fließen automatisch zurück und Kennzahlen steht in Echtzeit bereit. Das steigert Effizienz, Reaktionsfähigkeit und Auskunftssicherheit entlangeder gesamten Wertschöpfungskette.

Für erfolgreiche Industrie-4.0-Projekte ist die Vernetzung von Maschinen und Systemen eine Grundvoraussetzung. Die vollautomatisierte Produktionsumgebung kann schließlich nur dann Realität werden, wenn sich alle Fertigungsanlagen ohne manuelle Eingriffe koordinieren.

Stand heute ist das jedoch nicht ohne weiteres möglich. Kaum ein Produktionsunternehmen verfügt über eine durchgängige, integrierte IT-Infrastruktur, die Maschinen und Software-Systeme
prozessübergreifend miteinander verbindet. In der Regel gibt es irgendwo zwischen Auftragsplanung und operativer Fertigung einen Bruch. An irgendeiner Stelle muss noch ein Mensch eingreifen, damit der Prozess fortschreiten kann.

Bevor Industrie 4.0 in deutschen Werkhallen Einzug hält, muss also zunächst die IT-Infrastruktur einen grundlegenden Wandel durchlaufen – weg vom rudimentären Datenaustausch und hin zur nahtlosen ERP-/MES-Integration. Die wichtigsten Elemente dieser Veränderung sind zwei Software-Systeme: das Enterprise-Ressource-Planning-System (ERP-System) und das Manufacturing Execution System (MES).

„Industrie 4.0 basiert auf einer kompletten Vernetzung der Produktionsumgebung. Wie kann das gelingen, wenn schon ERP und MES nicht nahtlos miteinander verbunden sind?“

ERP vs. MES: Aufgaben, Unterschiede und Zusammenspiel in der Smart Factory

Oberflächlich betrachtet sind MES und ERP-System nicht leicht voneinander abzugrenzen. Beide Systeme dienen einem ähnlichen Zweck: der Überwachung, Steuerung und Optimierung von Geschäftsprozessen. Der Unterschied besteht hauptsächlich in der Stellung beider Systeme innerhalb der Planungs- und Automatisierungshierarchie eines Unternehmens.

Das ERP-System steht an der Spitze der sogenannten Automatisierungspyramide. Es bildet die Geschäftsprozesse der gesamten Organisation ab, von Warenwirtschaft über Finanzbuchhaltung und Controlling bis hin zu Produktion. Hauptaufgabe ist es, die bereichsübergreifende Kommunikation zu vereinfachen. Damit ist das ERP das strategische Fundament der Unternehmenssteuerung.

Ein Nachteil von ERP-Systemen liegt im begrenzten Detailgrad. Würde ein ERP alle Geschäftsprozesse bis ins kleinste Detail abbilden, würde die Software schnell zu komplex und damit schwer verständlich für Anwender*innen. Deshalb setzen viele Unternehmen ergänzend auf spezialisierte Systeme, zum Beispiel in der Fertigung.

Das MES ist eine solche Spezial-Software. Es befindet sich in der Automatisierungspyramide eine Stufe unter dem ERP-System und bildet ausschließlich die Fertigung ab. Dabei verfolgt es einen anderen Planungshorizont: Statt sich mit der mittelfristigen Auftragsplanung zu beschäftigen, übernimmt das MES die kurzfristige Koordination und Überwachung des Shopfloors.

Der Schwerpunkt des MES liegt in der Datenerfassung. Es sammelt Informationen zu Durchlaufzeiten, Maschinenauslastung, Rüstzeiten und weiteren Kennzahlen der Fertigung. Diese Daten werden anschließend weitergeleitet – in der Regel an das ERP-System. Das MES fungiert damit als Datendrehscheibe der Produktion. Auf Basis dieser Informationen lassen sich messbare Ziele für das Unternehmen ableiten.

MerkmalERP-SystemMES-System
FunktionPlanung, Verwaltung, SteuerungÜberwachung, Ausführung, Rückmeldung
ZeithorizontMittel- bis langfristigKurzfristig, Echtzeit
DatenfokusAbteilungsübergreifendShopfloor-Details
Typische DatenAuftragsdaten, Kosten, MaterialienMaschinendaten, Durchlaufzeiten, OEE
Position in der IT-StrukturÜbergeordnete EbeneProduktionsebene (Fertigung)

Warum ERP und MES eine Symbiose eingehen müssen – und was ohne Integration fehlt

ERP- und MES-Systeme getrennt zu betrachten, ergibt wenig Sinn. In der Fertigung kommen sie fast immer gemeinsam zum Einsatz. Sie bilden eine Art Symbiose – zwei Systeme, die zusammen die Produktionsplanung und -steuerung vollständig abdecken.

Das ERP-System übermittelt Auftragsdaten aus der Produktionsplanung an das MES. Dieses gibt die Informationen an die jeweiligen Werkstationen weiter und sendet aktuelle Shopfloor-Daten zurück an das ERP-System.

Beide Systeme sind aufeinander angewiesen.

Ohne Anbindung an das ERP-System muss die Fertigungsabteilung das MES manuell mit Auftragsdaten versorgen. Das kostet Zeit und macht die Produktion weniger flexibel.

Vorteile einer nahtlosen ERP-/MES-Integration

  • Durchgängiger Informationsfluss zwischen Planung und Produktion
  • weniger manuelle Eingriffe und damit geringere Fehleranfälligkeit
  • Flexiblere Reaktion auf Änderungen in der Fertigung
  • Grundlage für automatisierte Prozesse und Industrie-4.0-Konzepte
  • Relevante Produktionsdaten für Echtzeitanalysen und KPIs
  • Verbesserte Auskunftsfähigkeit gegenüber Kunden und Partnern

Möchte ein Kunde den Auftrag nachträglich ändern, muss jede Anpassung manuell ins MES übertragen werden. Eine flexible Produktionsplanung ist so kaum möglich. Das MES ist auf aktuelle Daten aus dem ERP-System angewiesen. Ohne diese Anbindung kann es sein volles Potenzial nicht entfalten.

Auch das ERP-System ist auf die Daten aus dem MES angewiesen. Ohne Integration bleibt die ERP-Lösung im Grunde blind. Sie sendet zwar weiterhin Auftragsdaten an die Produktion, bekommt aber kein Feedback zurück – abgesehen von manuellen Rückmeldungen.

Die Produktionsplanung wird dadurch zum Einbahnstraßenprozess – Fire and Forget. Das ERP-System kann die Planung nicht mehr optimieren, weil Rückmeldungen fehlen. Auch für Analysen stehen keine aktuellen Produktionsdaten zur Verfügung. Das hat Auswirkungen, zum Beispiel auf die Berechnung wichtiger KPIs.

Wenn Unternehmen aus der Maschinenebene keine Rückmeldung erhalten, hat das nicht nur Folgen für interne Abläufe. Auch gegenüber externen Stakeholdern sinkt die Auskunftsfähigkeit – zum Beispiel bei Reklamationen oder Nachweispflichten.

Ein Beispiel aus der Automobilindustrie: Angenommen, eine Komponente in einem Serienfahrzeug liefert nicht die vereinbarte Leistung – etwa bei der Motordrehzahl oder der Leuchtkraft eines Scheinwerfers. In solchen Fällen müssen alle beteiligten Zulieferer nachweisen, dass der Fehler nicht bei ihnen liegt. Gelingt das nicht, drohen im schlimmsten Fall Schadensersatzforderungen. Dieser Nachweis ist jedoch nur möglich, wenn der Output jeder einzelnen Maschine per MES-System lückenlos überwacht und dokumentiert wurde.

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Ohne das Zusammenwachsen von MES und ERP-System werden sich Unternehmen in Zeiten von Industrie 4.0 schwertun.

ERP-/MES-Integration in der Praxis: Was Unternehmen für Industrie 4.0 brauchen

In der Praxis ist die Integration von ERP- und MES-Systemen oft nur rudimentär umgesetzt. Zwar tauschen beide Systeme Informationen aus, aber nur in Form regelmäßiger Datenimporte (meist per Excel). Eine vollständige Integration, bei der ERP und MES auf einen gemeinsamen Datenpool zugreifen, ist selten.

Dabei ist genau diese enge Verzahnung eine zentrale Voraussetzung für Industrie 4.0-Projekte. Ohne das Zusammenwachsen von MES und ERP-System werden sich Unternehmen in Zukunft schwertun. Dafür gibt es zwei wesentliche Gründe:

  • Vollständige Vernetzung ist ein Grundprinzip von Industrie 4.0
  • Maschinendaten ermöglichen neue Geschäftsmodelle

Industrie 4.0 basiert darauf, dass alle Elemente der Produktionsumgebung in Echtzeit miteinander kommunizieren und die Fertigung sich selbst organisiert. Der Faktor Mensch soll so weit wie möglich aus operativen Abläufen herausgenommen werden. Im Idealfall sind in der Werkhalle keine Personen mehr nötig. Die strategische Planung bleibt in menschlicher Hand, die operative Umsetzung übernehmen die Maschinen.

ERP-/MES-Integration umsetzen: Voraussetzungen für den Erfolg

Damit das klappt, muss die Integration aller Systeme möglichst eng gestrickt sein. Das beginnt bereits an der Basis. Wenn schon MES- und ERP-Systeme, die zentralen Bausteine der digitalen Fertigung, nicht nahtlos integriert sind, wie soll sich dann eine vollautomatisierte Produktionsumgebung formen?

Der zweite Grund betrifft die strategische Ebene. In Zeiten von Industrie 4.0 sind Daten nicht nur ein wichtiger Rohstoff. Sie ermöglichen auch ganz neue Planungsszenarien – zum Beispiel Predictive Maintenance für die vorausschauende Instandhaltung von Produktionsmaschinen.

Solche datenbasierten Ansätze funktionieren allerdings nur, wenn die eigene IT-Infrastruktur auf die Erhebung, Aufbereitung und Analyse von Daten ausgelegt ist. Genau das ist die zentrale Aufgabe einer erfolgreichen ERP-/MES-Integration. Unternehmen, die künftig auf eine solche Integration verzichten, werden nicht in der Lage sein, Daten als Rohstoff für neue Geschäftsmodelle effektiv zu nutzen.

Falls Ihre Organisation die ERP-/MES-Integration noch nicht umgesetzt hat, sollten Sie das Thema zeitnah auf die Agenda setzen. Denn nur so schaffen Sie die Grundlage, um Ihr Unternehmen auch im digitalen Zeitalter wettbewerbsfähig und erfolgreich aufzustellen.