Die einen halten sie für das Nonplusultra, die anderen wollen nichts mehr davon hören: agile Methoden in der IT. Gerade ERP-Projekte können langwierig sein und manchmal scheitern. Deshalb stellt sich auch hier die Frage: Ist die agile ERP-Einführung die bessere Alternative zur klassischen Vorgehensweise?

In diesem Artikel erfahren Sie, welche Vorteile die agile Einführung hat und warum in den meisten Fällen doch eine andere Vorgehensweise besser ist.

Was bedeutet agile ERP-Einführung?

Agilität ist ein Prinzip aus der Softwareentwicklung. Bei der agilen Einführung wird ein ERP-Projekt in viele kleine, überschaubare Zyklen aufgeteilt: die sogenannten Sprints, die meist zwischen zwei und sechs Wochen lang sind. Zu Beginn wird eine Vision (oder ein Ziel) für das System definiert. In jedem Sprint wird dann ein eigenes Konzept entwickelt, Teile der Software umgesetzt, getestet und in Betrieb genommen. Am Ende muss jeweils ein lauffähiges Teilergebnis ausgeliefert werden können, ein sogenanntes Inkrement. Die Gesamtsoftware wird mit jedem Zyklus weiterentwickelt und verbessert.

Die klassische Projektdurchführung im Vergleich

Die klassische Softwareentwicklung folgt dem Wasserfall-Prinzip. Solche Projekte durchlaufen eine Reihe von Phasen: erst wenn eine Phase abgeschlossen ist, folgt die nächste. Dabei wird zu Anfang ein Konzept für eine Software erstellt und bereits festgelegt, wie die Software am Ende aussehen soll. Die Software wird entwickelt und zum Schluss als Ganzes getestet und in Betrieb genommen. 

Die folgende Grafik zeigt die Wasserfall- und die agile Methode im Vergleich:

applus erp einfuehrung wasserfall agil 1

Die wesentlichen Unterschiede der beiden Methoden sind kurz zusammengefasst:

Bei einem Wasserfall-Projekt steht von vornherein das Ergebnis fest. Die Software wird an einem Stück entwickelt, getestet und in Betrieb genommen.

Bei einem agilen Projekt werden die Teilergebnisse in jedem Sprint neu festgelegt. Das Gesamtergebnis kann sich über die Zeit verändern. Jeder Softwareteil wird direkt nach der Fertigstellung in Betrieb genommen.

Vorteile der agilen ERP-Einführung

Welche konkreten Verbesserungen bringt Ihnen die agile ERP-Einführung?

Schnellerer Projektstart

Vor Projektstart muss nicht alles im Detail festgelegt werden. Ein detailliertes Pflichtenheft ist nicht erforderlich. Dadurch wird die Konzeptphase deutlich verkürzt und das Projekt kann schneller in die Umsetzungsphase gehen.

Schnellere Inbetriebnahme

Die fertig entwickelten Softwareteile können sofort in Betrieb genommen und produktiv genutzt werden. Sie müssen nicht darauf warten, bis das Gesamtsystem fertig ist. (In der Realität dauert es meist einige Sprints bis zu einer lauffähigen Systemversion. Trotzdem steht die erste produktive Version schon nach ein bis zwei Monaten zur Verfügung.)

Konzeptionsfehler fallen sofort auf

Durch die kurzen Zyklen fällt es schnell auf, wenn in der anfänglichen Konzeption Fehler gemacht wurden, wie:

  • Prozesse oder Anforderungen wurden vergessen.
  • Geplante Features sind unnötig.
  • Das Konzept entspricht nicht den tatsächlichen Anforderungen.

Aufgaben für einen Sprint werden danach priorisiert, welchen Wert sie liefern. Dabei würden unnötige Features automatisch immer weiter nach hinten verschoben. In den Tests am Ende eines Sprints würde auffallen, wenn Features nicht wie gewünscht funktionieren oder nicht ihren Zweck erfüllen.

Bei einer Fehlkonzeption würden Sie also höchstens die Ressourcen eines Sprints verschwenden. Danach würde der Fehler bemerkt werden und Sie könnten ihn korrigieren. Bei einem Wasserfall-Projekt bleiben solche Fehler oft bis zum Ende unentdeckt. Sie erst dann zu beheben, wird wesentlich teurer.

Veränderte Anforderungen können kurzfristig implementiert werden

Reguläre ERP-Projekte dauern oft ein Jahr und länger. In dieser Zeit können neue Anforderungen aufkommen: durch neue Technologien, strategische Entscheidungen oder veränderte Prozesse. Bei einem klassischen Projekt könnten diese Anforderungen erst nach Inbetriebnahme der Software umgesetzt werden, also vielleicht Monate später. Oder das Projekt muss komplett umgeplant werden.

Bei der agilen ERP-Einführung könnten die neuen Anforderungen einfach in den nächsten Sprint übernommen und direkt umgesetzt werden.

Auch interessant: Welche Anforderungen muss ein ERP für den Mittelstand erfüllen?

Höhere Akzeptanz durch die Anwendenden

Bei der klassischen ERP-Einführung bekommen die Anwendenden nach Monaten auf einmal eine fertige Software präsentiert. Das mag sie überfordern und sie lehnen das System aus Reflex ab. Beim agilen Projekt nehmen die Key-User an den regelmäßigen Tests in den Sprints teil. Nach dem Sprint können alle Anwendenden direkt das neue Teilsystem nutzen. Alle werden also früh einbezogen. Sie können sich schrittweise an das neue System gewöhnen. Sie können Feedback geben und beeinflussen, in welche Richtung sich das System entwickelt. 

Alle müssen sich verpflichten, an den agilen Prinzipien und Prozessen festzuhalten.

Agilität bedeutet weniger Planbarkeit und Kontrolle

Zusammengefasst senkt eine agile ERP-Einführung das Risiko, dass das Projekt komplett scheitert. Allerdings: dies trifft nur unter bestimmten Voraussetzungen zu. Agile Methoden sind zwar nicht kompliziert. Sie stellen jedoch hohe Anforderungen an die Einstellung und die Qualifikation der Beteiligten sowie an die Unternehmenskultur.

Kosten und Liefertermin nicht planbar

Da das Endergebnis nicht von vornherein feststeht, kann dafür auch weder ein Preis noch ein Liefertermin festgelegt werden. Natürlich werden bestimmte Kostenrahmen definiert. Doch was genau man am Ende für dieses Geld bekommt, ist ungewiss.

Daran lässt sich nicht drehen. Jeder Versuch, sich doch zu Beginn auf etwas festzulegen, würde das agile Prinzip ad absurdum führen. Die Geschäftsleitung, insbesondere die Bereiche Finanzen und IT, müssen mit dieser Unsicherheit leben können. 

Agile Kultur und hohe Disziplin erforderlich

Genauso müssen alle Beteiligten mit agilen Arbeitsweisen vertraut sein und sich bewusst darauf einlassen. Alle müssen sich verpflichten, an den agilen Prinzipien und Prozessen festzuhalten. Das erfordert viel Disziplin. Nicht jeder kann damit umgehen, weniger planen oder weniger Einfluss nehmen zu können. Wenn bestimmte Stakeholder weiterhin „nicht-agil“ agieren, kann das zu folgendem führen:

  • Vor jedem Sprint gehen endlose Diskussionen los, welche Anforderungen als Nächstes umgesetzt werden sollen.
  • Führungskräfte setzen ihre Vorstellungen durch, obwohl sich diese als falsch oder nicht praktikabel erweisen.
  • Stakeholder fordern ständig kurzfristige Änderungen, obwohl diese nicht in den Sprints eingeplant sind.
  • Es werden zu viele Aufgaben für die Sprints geplant, sodass diese nicht pünktlich abgeschlossen werden.

Dann kommt das Projekt nicht voran, verzögert sich und führt wahrscheinlich ins Chaos.

Hybride ERP-Einführung: das Beste aus zwei Welten

Ganz unter uns: Wir bei Asseco könnten unser ERP-System APplus zwar vollständig agil einführen. Jedoch wollte das bisher noch kein Kunde. Die Gründe? Genau die zwei oben genannten: Die Kunden, mittelständische Unternehmen, möchten planbare Kosten und Liefertermine. Und sie arbeiten in der Regel nicht nach agilen Prinzipien, zumindest nicht außerhalb der IT.

Trotzdem haben agile Projekte unbestreitbare Vorteile. Deshalb bieten wir die hybride ERP-Einführung an, bei der wir das Beste aus der Wasserfall- und der agilen Welt kombinieren. Sie läuft nach diesem Schema ab:

Projektvorbereitung

In der Aufnahmephase sammeln wir die Themen und Anforderungen zusammen mit dem Kunden und definieren das Ziel. Daraufhin kann der Projektumfang geschätzt und der Ablauf grob strukturiert werden. Anschließend werden die Themen in sinnvolle Arbeitspakete unterteilt. Eine erste Kostenschätzung und Terminplanung sind damit möglich. Die Pakete können später jedoch flexibel angepasst werden.

Gleichzeitig erhalten die Kunden eine Grundschulung für das System APplus. Das Grundwissen erleichtert die Gespräche und die Zusammenarbeit im Projekt. 

Der Lenkungsausschuss setzt sich aus den Projektverantwortlichen von Anbieter und Kunde und der Geschäftsleitung des Kunden zusammen. Er priorisiert in regelmäßigen Abständen die Arbeitspakete, löst auftretende Probleme und überwacht Budget- sowie Terminvorgaben.

Agile Umsetzung

In kurzen Implementierungszyklen analysieren wir im Lenkungsausschuss die Arbeitspakete, konfigurieren sie im System, führen eventuell Anpassungen durch und testen die fertige Funktion. Bei jedem neuen Zyklus können Änderungen an den bisherigen sowie an den geplanten Arbeitspaketen beschlossen werden. Diese werden mit der Kanban-Methode verwaltet. 

Inbetriebnahme

Während der Umsetzung werden immer nur Teile des ERP-Systems separat getestet. Vor der Inbetriebnahme wird deshalb nochmals ein umfangreicher Test des Gesamtsystems durchgeführt. Außerdem werden die Produktivdaten übernommen und die Anwendenden geschult.

Die hybride Einführung bietet Planungssicherheit und Struktur. Gleichzeitig ist es möglich, das ERP-System während der Einführung flexibel an die Anforderungen anzupassen. Teure Fehler werden vermieden. Auf diese Weise kombinieren wir die Stärken der klassischen und agilen ERP-Einführung, während wir die Risiken minimieren.

Fast-Track-Implementation

Als dritte Möglichkeit – neben klassisch und hybrid – bieten wir eine sogenannte Fast-Track-Implementierung für das APplus ERP an. Dabei übernimmt der Kunde zu einhundert Prozent den Standard. So entfällt die Konzeptphase und das ERP-System kann in nur vier bis acht Monaten in Betrieb genommen werden. Sprechen Sie uns gerne darauf an, wenn Sie mehr wissen möchten.

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