Bei der ERP-Einführung können Sie die Bedeutung der Projektleitung gar nicht hoch genug einschätzen. Mitarbeitende in dieser Rolle koordinieren alle Abläufe innerhalb des Teams und überwachen den gesamten Projektfortschritt. Sie berichten den aktuellen Status an die Geschäftsführung und treffen fachliche Entscheidungen im Rahmen der Implementierung. Kurzum: Sie nehmen eine erfolgsentscheidende Schlüsselrolle ein.
Finden Sie die richtige Person für diese Position, kann sie bei der Systemeinführung wesentlich zum Projekterfolg beitragen. Wählen Sie hingegen die falsche Person aus, kann das zu Konflikten, Verzögerungen und steigenden Kosten führen.
In diesem Artikel erfahren Sie, worauf Sie bei der Personalentscheidung unbedingt achten sollten. Außerdem erklären wir das optimale Zusammenspiel zwischen der Geschäftsführung und der ERP-Projektleitung.
So finden Sie die geeignete Person für die ERP-Projektleitung
1. Wählen Sie eine starke Persönlichkeit aus
Für die Position der Projektleitung suchen Sie am besten eine Person, die das ERP-Projekt auch ohne die ständige Aufmerksamkeit der Geschäftsführung zum Erfolg führt. Sie sollte Entscheidungen treffen, Konflikte lösen und das Projektteam koordinieren können. Im Idealfall handelt es sich dabei um eine Persönlichkeit, die Autorität und Zuverlässigkeit ausstrahlt und besonderen Respekt bei der Belegschaft genießt. Vielleicht stellt sie sogar eine Art Mentor-Figur für jüngere Kolleg*innen dar.
Wenn Sie bei der Personalauswahl auf folgende Charaktermerkmale achten, befinden Sie sich auf einem guten Weg:
Durchsetzungsvermögen
Eine gute ERP-Projektleitung muss durchsetzungsstark und hochmotiviert sein. Sie muss die Leistung ihrer Kolleg*innen einfordern können, damit diese die Mitarbeit an der ERP-Einführung nicht schleifen lassen und andere Aufgaben womöglich höher priorisieren. Fehlt ihr die nötige Autorität, entwickeln sich schnell Konflikte, die den Zeitplan des Projekts verzögern.
Einfühlungsvermögen und Verständnis
Eine gute Menschenkenntnis und Social Skills sind mindestens genauso wichtig wie Durchsetzungskraft. Vergessen Sie nicht: Ein ERP-Projekt ist in erster Linie ein Change-Management-Prozess und kein reines IT-Projekt.
Die ERP-Projektleitung sollte die ERP-Einführung daher nicht nur strikt per Anweisung von oben durchführen, sondern auch den Sorgen und Problemen der Belegschaft und des Projektteams Gehör schenken. Andernfalls sind Konflikte und Widerstände vorprogrammiert.
Übrigens: Damit große Konflikte gar nicht erst entstehen, ist der sorgfältige Aufbau des Projektteams enorm wichtig. Auch hierzu gehört jede Menge Fingerspitzengefühl: Die Teammitglieder sollten nicht nur eine ausgewogene Mischung fachlicher Kompetenzen und sozialer Fähigkeiten mitbringen. Sie sollten auch zwischenmenschlich harmonieren und Streitigkeiten produktiv aus der Welt schaffen. Im Team ist gegenseitiges Vertrauen enorm wichtig.
Mehr erfahren: Projektteam bei der ERP-Einführung: die optimale Zusammensetzung
Kommunikationsstärke
Ängste und Widerstände in der Belegschaft und im Projektteam sollte die Projektleitung mit konstruktiver Kommunikation auflösen. Sie sollte die Fähigkeit besitzen, offen auf Kolleg*innen zuzugehen, Bedenken persönlich zu erfragen und Kompromisse geschickt zu verhandeln. Zudem sollte sie einen guten Draht zur Führungsetage haben und die Stakeholder regelmäßig über Projektstände, Ziele und Ergebnisse auf dem Laufenden halten.
Entgegen der Befürchtung vieler Führungskräfte sind Mitarbeitende mit solch vielseitigen Eigenschaften übrigens gar nicht so schwer zu finden. Wenn Sie einen Moment lang in sich gehen, fallen Ihnen bestimmt ein paar Angestellte im mittleren Management ein, die ihren Bereich fest im Griff haben.
2. Achten Sie auf fachliche Kompetenz
Die besten Charaktereigenschaften nützen wenig, wenn das nötige Fachwissen fehlt. Ein Pilot, der zwar die Crew anführt, aber nicht das Flugzeug steuern kann, wird die Maschine unweigerlich zum Absturz bringen. ‘Soll heißen: Die richtige ERP-Projektleitung muss nicht nur über vielfältige Soft Skills, sondern auch über die richtigen Hard Skills verfügen. Auf folgende Kompetenzen sollten Sie bei der Personalauswahl besonders achten:
Unternehmensübergreifendes Fachwissen
Ein umfassendes Fachwissen über alle Unternehmensbereiche hinweg ist unverzichtbar. Zwar muss die Person nicht das tiefgehende Know-how von IT-Expert*innen mitbringen. Jedoch sollte sie technisches Verständnis besitzen und mit den Prozessen, Produkten und Dienstleistungen des gesamten Unternehmens bestens vertraut sein.
Der geschulte Blick auf das große Ganze ist deshalb so wichtig, weil ein ERP-System nicht nur Teilgebiete abbildet, sondern alle Unternehmensbereiche miteinander verbindet. Die Projektleitung muss also in der Lage sein, die Anforderungen an das ERP-System unter Berücksichtigung der abteilungsübergreifenden Geschäftsabläufe präzise zu definieren. Andernfalls entgehen ihr womöglich Fehler in der Konzeption.
Kenntnisse über das operative Tagesgeschäft
Ein breitgefächertes Wissen über das gesamte Unternehmen reicht jedoch nicht aus. Ein enger Bezug zum operativen Tagesgeschäft ist mindestens genauso wichtig. Nur so lässt sich beurteilen, ob die Funktionalität des ERP-Systems praxistauglich und sinnvoll ist.
Erfahrung im Projektmanagement
Die ERP-Projektleitung übernimmt im Grunde alle anfallenden Aufgaben des Projektmanagements. Daher sollte sie sich mit den entsprechenden Tools und Methoden auskennen und diese nutzbringend einsetzen können. Ziele, Risiken und Kosten behalten Projektverantwortliche ebenso im Blick wie den vorgegebenen Zeitrahmen.
3. Übergeben Sie die ERP-Projektleitung nicht an die IT
Auch wenn es zunächst unlogisch klingen mag: IT-Leiter*innen sind in der Regel keine gute Personalwahl. Das liegt nicht an ihren Kompetenzen oder ihrer Persönlichkeit. Es ist eher eine Frage der Perspektive.
Die IT übernimmt in den meisten Unternehmen eine unterstützende Rolle: Sie stellt die technische Infrastruktur für ihre Kolleg*innen bereit. Allerdings findet diese Zusammenarbeit nur selten auf fachlicher Ebene statt. Die IT erfährt nicht, was die anderen Bereiche im Detail tun. Genau dieser Blick über den Tellerrand ist jedoch eine bedeutende Eigenschaft der perfekten Projektleitung.
Das soll aber nicht heißen, dass die IT im ERP-Projekt nur eine Nebenrolle spielt. Im Gegenteil: Ohne ihre Expertise und tatkräftige Unterstützung kann auch die beste Führungskraft nicht erfolgreich sein.
4. Betrauen Sie nicht die Geschäftsführung mit der Projektleitung
Haben Sie auch schon mal daran gedacht, ein Mitglied der Geschäftsführung mit der Projektkoordination zu betrauen? Zunächst mag dieser Gedanke gar nicht so abwegig erscheinen – schließlich nimmt die Führungsetage unweigerlich die Vogelperspektive ein.
In der Praxis führt diese Herangehensweise jedoch fast immer zu Problemen. Gerade in größeren Unternehmen ist die Geschäftsleitung zu weit vom operativen Tagesgeschäft entfernt. Daher fällt es ihr schwer, den tatsächlichen Nutzen einer Funktion zu bewerten. Sprich: Ob ein Feature des ERP-Systems wirklich Sinn ergibt oder am Alltag der Mitarbeitenden vorbeigeht, vermag die Geschäftsleitung nicht einzuschätzen.
Hinzu kommt, dass die Geschäftsführung neben dem Tagesgeschäft meist nur wenig Zeit für die Leitung eines ERP-Projekts findet. Die Einführung eines ERP-Systems ist jedoch mit einem sehr hohen Zeitaufwand verbunden, der den vollen Einsatz der Projektleitung erfordert.
3 Tipps für das richtige Verhalten der Geschäftsleitung
Sie haben die richtige Person für die Leitung des Projekts gefunden? Dann ist es an der Zeit, sich über die Rolle der Geschäftsführung bewusst zu werden. Denn auch wenn die oberste Führungsetage nicht unmittelbar an der ERP-Einführung beteiligt ist, sollte sie ihren Einfluss auf keinen Fall unterschätzen. Ihr Verhalten entscheidet letztendlich darüber, ob die Projektverantwortlichen ihre Aufgaben erfolgreich erfüllen können oder nicht. Folgende Tipps sollten Sie beachten:
1. Die Geschäftsleitung gibt genügend Rückhalt
Alle Parteien müssen an einem Strang ziehen. Nur wenn die Projektleitung von der Geschäftsführung ausreichend Rückendeckung erhält, kann sie die erforderliche Autorität gegenüber dem Team entwickeln.
Fehlt hingegen der Rückhalt aus der obersten Führungsetage, stellt die Belegschaft die Entscheidungen der Projektmanager häufiger in Frage. Dies führt zu Konflikten, unnötigen Verzögerungen und im schlimmsten Fall zum Scheitern des Projekts.
2. Die Geschäftsführung vertraut der ERP-Projektleitung
Das Vertrauen der Chefetage in die Fähigkeiten der Führungskraft ist für den Erfolg der ERP-Einführung essenziell. Fehlt der Glaube in die fachliche Kompetenz, führt das zu unnötigem Micro-Management. Die Geschäftsführung mischt sich immer wieder in Entscheidungsprozesse ein und stört damit den reibungslosen Projektablauf.
3. Die Führungsetage erteilt die nötigen Befugnisse
Damit die Projektleitung ihre Aufgaben erfüllen kann, muss sie von der Geschäftsführung eine Reihe von Befugnissen erhalten. Hierzu zählen:
- ein eigenes Budget,
- die Erlaubnis, Mitarbeitende von Projekten abzuziehen,
- Mitspracherecht bei der Auswahl geeignete Key-User,
- die Möglichkeit, temporär Abläufe innerhalb der Abteilung zu ändern.
Zwar ist es theoretisch möglich, dass die Geschäftsleitung alle Befugnisse für sich behält und die Projektverantwortlichen lediglich als Vermittler einsetzt. In der Praxis sind jedoch weisungsbefugte Stellvertreter*innen die bessere Wahl.
Fazit: Projekt- und Geschäftsleitung arbeiten Schulter an Schulter
Die richtige ERP-Projektleitung hat einen guten Überblick über das gesamte Unternehmen und seine Prozesse. Sie kennt das Tagesgeschäft und verfügt über ausreichend Erfahrung im Projektmanagement. Mitarbeitenden und Führungspersonen gegenüber kann sie sich souverän durchsetzen, bleibt dabei aber stets freundlich und einfühlsam.
Das sind mannigfaltige Anforderungen. In manchen Fällen kann es daher Sinn machen, die Rolle der Projektleitung auf mehrere Personen zu verteilen. Sie können dann zum Beispiel die fachlichen von den organisatorischen Aufgaben trennen.
Selbst die besten Projektmanager*innen werden Ihre ERP-Einführung jedoch nur dann zum Erfolg führen, wenn sie die volle Unterstützung der Geschäftsleitung haben. Der Rückhalt aus der Führungsetage verleiht dem Projekt die nötige Dringlichkeit und stärkt die Position der Verantwortlichen. Gleichzeitig darf sich die Geschäftsführung jedoch nicht allzu sehr in die Projekkoordination einmischen, da sonst mit deutlichen Verzögerungen zu rechnen ist.